Udo Lattek machte den FC Bayern München zum besten Team Europas und die Säbener Straße zur festen Adresse für großes Fußball-Entertainment. Heute wäre der Jahrhundertcoach 85 Jahre alt geworden.
Als der gebürtige Ostpreuße am 13. März 1970 seinen Dienst beim FC Bayern antrat, haute er gleich mächtig auf die Pauke. Den Reportern diktierte er formschlank in die Blöcke: „Ich habe an einem 13. geheiratet und führe seit Jahren eine glückliche Ehe. Ich habe am Freitag, dem 13., den FC Bayern übernommen und bin sicher, dass auch diese Ehe gut gehen wird.“ Hoppla, das waren aber ganz andere Töne, als die Münchner Journaille bis dato von dem feinsinnigen Violinisten Branko Zebec gewohnt war. Da machte ein sportlich weithin unbeschriebenes Blatt, das soeben den amtierenden Meister übernommen hatte, aber mächtig Wind.
Lattek war sich bewusst, dass er mangels großer Erfolge als Aktiver als Trainer andere Qualitäten an den Tag legen musste, um im konservativ geprägten Profifußball anerkannt zu werden. Während des Studiums an der Kölner Sporthochschule träumte er davon, sein Geld als Sportreporter zu verdienen. Bis auf ein paar Oberligaspiele für Bayer Leverkusen und Osnabrück hatte er es als Spieler nicht weit gebracht. Dann wurde er auf Geheiß seines Ausbilders Hennes Weisweiler zum Coach der Jugendnationalelf und reiste als Assistent von Helmut Schön zur WM 1966.
Der Jungcoach besaß ein Händchen für die neue Generation von Hochbegabten, zu denen in England auch Franz Beckenbauer und Sepp Maier gehörten. Als examinierter Akademiker aber wusste er auch die Post-68er-Generation im Nachwuchs des DFB zu händeln, Uli Hoeneß und Paul Breitner. Und als im Frühjahr 1970 einem Bayern-Kader aus Begnadeten der Drill des schwermütigen Meistermachers Zebec zusehends auf die Nerven ging, votierten die Spieler für den launigen Erzähler mit der hohen Stirn.
Lattek hatte stets ein perfektes Gefühl für Timing. In seiner ersten Amtszeit an der Säbener Straße bis Januar 1975 tänzelte die Bayern-Elf von Erfolg zu Erfolg. Jahrelang blieb die Mannschaft auf heimischem Grund ungeschlagen, weil Lattek sich im Angriff auf den Torriecher des Jahrtausendstürmers Gerd Müller verlassen konnte und Beckenbauer eine Defensive organisierte, die ihrem Kaiser treu ergeben war. Und versagte die Elf doch einmal am Samstagnachmittag, bat Lattek tags drauf nicht zum strapaziösen Auslaufen, sondern gern auch mal zum „Aussaufen“. Als Pädagoge wusste er, dass bei Profis dieser Güteklasse der intakte Teamspirit und das Gefühl von Freiheit viel mehr im Kopf bewirkt als stumpfe Sanktionierung. Dass er auch selbst gern einen hob, daraus hat er nie einen Hehl gemacht. „Die großen Trainer haben alle gesoffen: Weisweiler, Happel, Zebec“, so sein Credo, „und ich gehöre ja auch zu den Großen.“