In den ver­gan­genen Wochen haben wir uns mit Daniel Didavi und einem zweiten Pro­fi­fuß­baller aus­führ­lich über schwere Ver­let­zungen unter­halten. Wir wollten wissen: Wie fühlt sich ein Berufs­sportler, wenn er seinen Beruf vom einen Tag auf den anderen nicht mehr aus­führen kann? Wie geht ein Pro­fi­fuß­baller mit Schmerzen um? Wie ver­än­dert sich das Ver­hältnis zu den Mann­schafts­kol­legen? Im ersten Teil der Mini-Serie erzählt Didavi von den schmerz­haften Erfah­rungen mit seinem Knor­pel­schaden und der Angst vor dem Kar­rie­re­ende. Kom­menden Dienstag folgt das zweite Inter­view.

Daniel Didavi: Wissen Sie, wie­viele Spiele Sie seit Sep­tember 2010 ver­let­zungs­be­dingt ver­passt haben?
Ich würde tippen: 200.

Es waren 179.
Knapp vorbei. (Schmun­zelt.)

In dieser Saison waren es auf­grund eines Mus­kel­bün­des­risses sieben Spiele, seit Dezember sind Sie aller­dings wieder fit. Wie geht es Ihnen jetzt?
Ich habe sieben Spiele ver­passt, das stimmt, aber es war eben auch nur eine Mus­kel­ver­let­zung. An denen hat man zum Glück in der Regel nicht ganz so lang zu knab­bern. Ich hatte schon weitaus schlim­mere Ver­let­zungen.

Haben Sie sich daran gewöhnt, häu­figer ver­letzt zu sein als Ihre Mit­spieler?
Eher nicht. Bis auf meine Knie­ver­let­zungen waren bisher auch alle anderen Ver­let­zungen unab­hängig von­ein­ander. Mus­kel­ver­let­zungen gehören zum Pro­fi­sport dazu, die hat jeder. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich grund­sätz­lich anfäl­liger bin.

Sie haben Ihr Knie ange­spro­chen: Im Sommer 2012 erlitten Sie im Test­spiel mit dem 1. FC Nürn­berg gegen Leu­ters­hausen einen Knor­pel­schaden im linken Knie. War Ihnen sofort klar: Da ist richtig was kaputt gegangen?
Zunächst mal war es unglaub­lich bitter, weil die Saison schon beendet war. Direkt nach dem Spiel begann für uns alle der Urlaub und für mich stand nach der Leihe nach Nürn­berg die Rück­kehr zu meinem Hei­mat­verein VfB Stutt­gart an. Es war eine ein­zige blöde Aktion auf dem Feld, eine dumme Bewe­gung, die geschmerzt hat, aber nach ein paar Minuten ging es auch wieder. Als ich wieder zu Hause war, habe ich gemerkt, dass mir bei bestimmten Schritten der Schmerz wie ein Messer ins Knie sticht. Also habe ich den Mann­schafts­arzt ange­rufen und ihm gesagt, dass das Knie sich komisch anfühlt und schmerzt. Dar­über nach­ge­dacht, dass es sich auf­grund der starken Schmerzen viel­leicht um eine ernst­haf­tere Ver­let­zung han­delt, habe ich nicht. Als der Doc mir einen Tag später das MRT Bild zeigte und mir sagte, dass ich einen schweren Knor­pel­schaden habe, wusste ich gar nicht, was das genau bedeutet. Jeder weiß, was ein Kreuz­band­riss ist. Aber Knor­pel­schaden? Ich hatte keine Vor­stel­lung, was das über­haupt ist.

Zum ersten Mal in meinem Leben bekam ich Angst um mein Knie“

Umso frus­trie­render dürfte die Erklä­rung der Ver­let­zung gewesen sein.
Ich war 20 Jahre alt und hatte bis dahin nie Pro­bleme mit meinem Körper gehabt. Als die Ärzte mir sagten, dass man den Knorpel – anders als ein Kreuz­band – nicht ein­fach fli­cken oder ersetzen kann und es im Grunde eine noch schwe­rere Ver­let­zung ist, war das für mich ein rich­tiger Schock. Zum Glück sagte mir der Doc danach, dass ich nach sechs Monaten wieder würde spielen können. Das hat die Tage nach der Dia­gnose etwas erträg­li­cher gemacht.

Warum ist ein Knor­pel­schaden eine noch schwer­wie­gen­dere Ver­let­zung?
Gesunder Knorpel liegt wie eine Art Schutz­schicht zwi­schen Gelenk­körper. Sie sorgen zum Bei­spiel dafür, dass ver­schie­dene Kno­chen nicht direkt auf­ein­ander liegen, sie dämpfen gewis­ser­maßen. Und ein Knor­pel­schaden ist nichts anderes als ein Ver­schleiß des Knor­pels. Dieser Ver­schleiß kann unter­schied­lich stark aus­fallen. Je stärker der Ver­schleiß, desto stärker reiben die Gelenk­körper, zwi­schen denen der Knorpel liegt, auf­ein­ander. Ver­schwindet der Knorpel zwi­schen den Gelenk­kör­pern gänz­lich, liegen sie knö­chern auf­ein­ander. Das Pro­blem ist, dass der Knorpel nicht ein­fach nach­wächst und man ihn eben auch nicht zusammen nähen kann, wie etwa Bänder im Knie.

Mit wel­chen Gefühlen haben Sie damals die Reha ange­treten?
Nach dem Schock der ersten Tage und der OP war ich sehr moti­viert. Ich hatte einen inten­siven Reha-Plan und ein kon­kretes Ziel vor Augen, was mir für die täg­liche Arbeit gut tat.

Wie lange bleibt man so opti­mis­tisch?
Nach den ersten erfolg­rei­chen Wochen in der Reha stei­gerte ich die Belas­tung für das Knie. Nach vier Monaten sollte ich joggen, ein paar Wochen später klei­nere Ein­heiten mit dem Ball absol­vieren. Das tat ich. Doch ich fühlte mich nicht gut und hatte ständig Schmerzen am betrof­fenen Knie. Die Ärzte sagten mir, dass das normal sei und das Knie in Ord­nung wäre. Doch ich spürte: Irgend­etwas stimmt nicht. Zum ersten Mal in meinem Leben bekam ich Angst um mein Knie. Ich begann zu rea­li­sieren: Ich habe keine nor­male“ Ver­let­zung.