Als Bastian Schweinsteiger von der ARD als TV-Experte verpflichtet wurde, war die Vorfreude groß. Umso ernüchternder fiel das Zwischenfazit bei der EM im Sommer aus. Dabei traf ihn noch am wenigsten die Schuld.
Dieser Text erschien erstmals währen der EM im Juni 2021.
These: Es ist nicht sein Fehler. Es ist nicht der Fehler von Bastian Schweinsteiger. Der als TV-Experte bisher ungefähr so eine gute Figur macht wie ein Kaninchen auf einer Schau für Jagdhunde. Als „präzisen und wortgewaltigen Analytiker“ hatte die ARD Schweinsteiger im August angekündigt. Und wer immer dieser Einschätzung Leben eingehaucht hat, er würde wohl auch Manuel Neuer für seinen guten Kopfball loben.
Bastian Schweinsteiger war ein fantastischer Fußballer. Und immer auch Sympathieträger. Einer, auf den sich viele einigen konnten. Einer, den viele irgendwie gut fanden, auch wenn sie die Bayern nicht mochten. Ein freundlicher junger Mann, dessen Horizont immer weiter zu reichen schien als nur bis zu den Kreidelinien des Fußball-Feldes. Für klare Aussagen oder markige Sprüche war er allerdings auch schon Zeit seiner Karriere weniger bekannt. Schweinsteiger überzeugte durch Taten, nicht durch Worte. Womit wir wieder bei der These wären: Es ist nicht sein Fehler.
Was sich bei den ersten Sportschau-Einsätzen rund um Länder- und DFB-Pokalspiele bereits andeutete, tritt bei dieser Europameisterschaft allzu deutlich zu Tage: Schweinsteiger und die freie Rede vor einem Millionen-Publikum sind im besten Fall entfernte Bekannte. Ganz sicher keine Freunde. Ein paar Beispiele aus der Übertragung der Partie Italien – Türkei: „Es ist laut, aber das ist das Tolle.“ „Ich bin einfach gerne in Italien und kann sehr gute Dinge sehen in der italienischen Nationalmannschaft.“ „Ich glaub’ irgendwie, dass es nicht wirklich funktioniert.“ Oder hingewiesen auf die Tatsache, dass nur Cristiano Ronaldo mehr EM-Endrunden-Spiele absolviert habe als er: „Wer? Ok, gut.“ Aha. Und danke auch.
Man will es nicht hoffen, muss aber vermuten, Schweinsteigers Wortmeldungen im freien Dialog mit der Moderatorin Jessy Wellmer sind vor allem von einem Gefühl getragen: blanker Panik. Vielleicht auch deshalb wiederholt er häufig erstmal fast wortgenau die Fragen Wellmers – um Zeit zu gewinnen. Man wäre trotzdem froh, Schweinsteiger würde anschließend wenigstens in die Binsenfalle tapern oder in Floskelwolken wühlen, anstatt mit seinen Gedanken auf dem Weg zur Lautbildung Free-Jazz zu spielen.
Schweinsteigers Haltung ist ehrenhaft. Nur für einen TV-Experten leider gänzlich unbrauchbar
Ab und an rutscht ihm dann aber auch im freien Gespräch eine tatsächliche Meinung aus den Synapsen. Nur um sie anschließend als Klanginstallation im Raum verhallen zu lassen. Wie ein Detektiv, der eine Spur zur Lösung seines Falls findet, sie dann aber nicht weiter verfolgt. So sagte Schweinsteiger vor dem Eröffnungsspiel der EM über die Italiener: „Für mich gehören sie zu den Top-6-Mannschaften.“ Oder zu einem Handspiel, welches keinen Elfmeter nach sich zog, was ARD-Schiedsrichter-Experte Lutz Wagner als korrekt bewertete und erklärte, Schweinsteiger jedoch anders einschätzte und also sprach: „Der Ball wäre anders in die Mitte gekommen. Es ist wie es ist.“ Zuschauer, die sich für diese Aussage interessierten, interessierten sich auch für: „Es kommt wie es kommt.“ Und nun zum Wetter.
Weil Schweinsteiger von klärenden Nachfragen verschont wird, bleibt allzu viel im Ungefähren. Zudem hatte man gerade bei Spielen der deutschen Mannschaft bereits im Vorfeld dieser EM das Gefühl, er wolle aus Prinzip nicht kritisieren, nichts zu intimes verraten. Es scheint, als wolle er niemandem zu Nahe treten, erst recht niemandem, mit dem er noch selbst auf und neben dem Platz stand. Ein verständlicher, sogar ein schöner Gedanke ist das. Nur leider für einen TV-Experten gänzlich unbrauchbar. Schweinsteiger darf dieses Mikrofon zwar auch in den Händen halten, einfach weil er Schweinsteiger ist, vor allem aber sollte er es in den Händen halten, weil er sie doch kennt, die Pappenheimer. Weil er ihre Geschichten kennt, ihre Stärken und Schwächen. Nur muss er sie dann auch benennen.