Der Aufstieg von Antwi-Adjei beginnt im Sommer 2016, als Sprockhövel Dritter in der Oberliga wird und in die Regionalliga klettert. Dort ist die Mannschaft oft chancenlos, 15 Punkte fehlen zum Klassenerhalt. Doch Antwi-Adjei kann auf dem neuen Level mithalten – mindestens. Wie das Pokal-Halbfinale gegen Paderborn zeigt, ist vielleicht sogar noch mehr drin. „Für mich war seine Klasse offensichtlich“, sagt Krösche heute. Geschwindigkeit, enger erster Kontakt, immer im Tempo bleibend, das seien die Stärken des damals unbekannten Spielers gewesen. Und so kann man sagen, dass das so unerwartet schwierige Spiel im April 2017 gegen Sprockhövel für Paderborn ein ganz wichtiges war. Steffen Baumgart hatte einen Tag zuvor den Posten als Trainer angetreten. „Es war das Beste, was mir passieren konnte“, sagt Baumgart heute über die Fast-Blamage. Denn danach ist man in Paderborn bereit, ganz neu anzufangen.
Dazu gehört auch ein Anruf bei Antwi-Adjei. „Ich dachte: Wow, okay, das klingt interessant“, sagt der Spieler rückblickend. Das Angebot von Wattenscheid hört er sich zwar noch an, aber eigentlich hat er sich schon entschieden. Wenige Tage später unterhält er sich persönlich mit Krösche. Sie sprechen über sein Studium. Der Manager ist beeindruckt, wie klar und aufgeräumt dieser junge Mann wirkt. Die beiden stehen am Trainingszentrum des SC Paderborn. Ein Relikt besserer Tage mitten im Industriegebiet. Als die Ostwestfalen 2014/15 zum ersten Mal in der Bundesliga spielten, hatte der Verein ein neues zweistöckiges Gebäude samt sich anschließender Rasenplätze für etwa acht Millionen Euro gebaut. Quadratisch, praktisch. Am Eingang sind Logos und Fahnen angebracht, die über Nacht ausgetauscht werden könnten. „Ich war überwältigt“, sagt Antwi-Adjei. Er unterschreibt.
Angefangen als Torwart
Vielleicht ließ sich Antwi-Adjei damals so schnell beeindrucken, weil er in seiner Kindheit nie in einem Nachwuchsleistungszentrum war. Nur für ein Jahr, er war 16, holte ihn der MSV Duisburg zu sich. „Aber mit den Leistungszentren von heute hatte das nichts zu tun.“ Als Kind spielte er beim SV Fortuna Hagen, später dann beim Hasper SV zusammen mit seinem Zwillingsbruder Christian. „Auf Turnieren haben wir gegen Schalke und Bochum gespielt. Und konnten die richtig ärgern. Wir hatten Super-Truppen.“ Er stand im Tor, sein Bruder spielte im Sturm. „Der hat immer geknipst. Der war super, wirklich super.“ Christopher, der von seinem Jugendtrainer „Jimmy“ genannt wird, weil der meinte, er bräuchte einen süßeren Namen, wird Feldspieler, als er nicht schnell genug wächst. Er spielt fast immer auf Asche. „Ich wurde nie verwöhnt. Aber wenn ich den Ball gesehen habe, hatte ich trotzdem Spaß.“
In Paderborn machte man im Sommer 2017 aus der Not eine Tugend. Eigentlich war der SC in die Regionalliga abgestiegen, nur die Insolvenz von 1860 München verhinderte den totalen Absturz. Und so bauten Krösche und Baumgart einen Drittligakader mit Viertligaspielern. Krösche sagt: „Wir hatten nicht die finanziellen Möglichkeiten. Die Regionalligen bieten einen unglaublichen Pool an Spielern.“ Er holte nicht nur Antwi-Adjei, sondern auch Dennis Srbeny vom BFC Dynamo und Massih Wassey von Borussia Dortmund II. Später dann Klaus Gjasula (Hallescher FC), Kai Pröger (Rot-Weiss Essen) und Sebastian Vasiliadis (VfR Aalen).
„Drei Jahre in Sprockhövel rumgeeiert“
In jedem Jahr verlassen 600 Fußballer die deutschen Nachwuchsleistungszentren. Erzogen, um Stars zu werden. Aber nur etwa 30 setzen sich in den ersten drei Profiligen durch. Antwi-Adjei, Pröger oder Vasiliadis haben diese Ausbildung aber nie erhalten. Sie lernten bei Eintracht Dortmund, dem Heidmühler FC, in Backnang. Jetzt spielen sie trotzdem Bundesliga. Wie ist das möglich? Ist Fußball dann doch so einfach? „Fußball ist nicht kompliziert“, sagt Krösche, „er wird nur kompliziert gemacht.“ In Paderborn verbinden sie die Stärken der Spieler, wie Geschwindigkeit und das Eins-gegen-eins mit einem einfachen Spielsystem. „Das ist unsere große Stärke“, sagt Antwi-Adjei. „Wir attackieren hoch, spielen schnellen Offensivfußball und bestrafen den Gegner sofort.“ Er sitzt auf einem Stuhl am Rande des Trainingsplatzes. Die Einheit am Vormittag ist vorbei, „Jimmy“ wirkt entspannt, braucht im Gespräch keine Anlaufzeit. „Ich lebe meinen Traum.“ Nur die Vorbereitungsphase mag er wegen der anstrengenden Läufe immer noch nicht. Wenigstens hält er jetzt mit – nicht so wie beim allerersten Training.
„War eigentlich ganz locker damals. Wir haben uns ein bisschen aufgewärmt, einige Passformen und dann Spielchen.“ Antwi-Adjei war selbst überrascht, wie gut das alles klappte. Aber nach einiger Zeit blieb ihm die Luft weg. „Spielerisch war das alles machbar, aber nicht im physischen Bereich. Ich war zwar konditionell nicht schlecht, aber ich habe drei Jahre in Sprockhövel rumgeeiert, sorry, das war ein Kulturschock hier.“ Nach einer Weile sagte Jimmy nur: „Ich bin platt.“