Wegen rücksichstslosen Fahrens in zwei Fällen ist Jack Grealish unter anderem zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Was die Frage aufwirft: Wann wird der so begabte Junge endlich erwachsen?
Leeds United, Aston Villa, Everton: Zu Beginn dieser Saison wirkte die Tabelle der Premier League teilweise wie eine Reise in die Vergangenheit, zurück in die 90er, als so etwas wie die heute fast festgesetzte „Top Six“ noch gar nicht existierten. Während bei Everton und Leeds mit Carlo Ancelotti und Marcelo Bielsa die Stars auf der Trainerbank sitzen, hat der Höhenflug von Aston Villa vor allem mit einem Spieler auf dem Platz zu tun: Jack Grealish, Villas Schlüsselspieler.
Grealish ist in Birmingham geboren und spielt abgesehen von einer einjährigen Leihe zu Notts County seit seiner Jugend für Aston Villa. Seit 2016 ist der feine Techniker Stammspieler bei seinem Verein. Und gerade in dieser Spielzeit zeigt sich, wie sehr der 25-Jährige das Niveau seiner Mannschaft anhebt. Abgesehen vom 1. Spieltag stand Grealish in jedem Spiel 90 Minuten für die Mannschaft auf dem Platz und ist mit vier Toren und sechs Vorlagen der Top-Scorer der Villans. Auch für den Kader der englischen Nationalmannschaft war er im November erneut nominiert und spielte dabei in den letzten drei Spielen von Anfang an. Schon länger haben die größeren Klubs der Premier League ein Auge auf ihn geworfen. Besonders Manchester United und Manchester City zeigten seit der vergangenen Saison Interesse, mehr als 100 Millionen Euro standen dabei als Ablösesumme im Raum. Zustande kam der Transfer aber zumindest bis jetzt noch nicht, stattdessen verlängerte Grealish erneut bei seinem Heimatverein Aston Villa.
Als Bilderbuch-Karriere könnte man also Jack Grealishs bisherige Laufbahn bezeichnen. Eigentlich. Dass dieser Satz nur im Konjunktiv steht, dafür sorgte der gar nicht mehr so junge Premier-League-Profi 2020 neben dem Platz. In dieser Woche bekannte sich der Mittefeldspieler von Aston Villa wegen rücksichtslosen Fahrens in zwei Fällen schuldig und wurde unter anderem zu einer Geldstafe von 150.000 Pfund verurteilt. Zwei weitere Anklagen wurden fallen gelassen. Besonders brisant ist dabei eine Angelegenheit aus dem März dieses Jahres. Damals, zu Beginn der Corona-Pandemie, hatte Grealish zunächst noch seine Fans aufgefordert, zuhause zu bleiben, um sich selbst und andere zu schützen. Kurze Zeit später rammte er nach einer Partynacht mit Fußballkollegen zwei parkende Autos und wurde dabei von der Polizei angehalten. Nach „intoxicating liquor“, zu deutsch berauschender Flüssigkeit, habe er dabei gerochen, hieß es vor Gericht.
Es sei ihm tiefpeinlich, entschuldigte Grealish sich schon kurz nach dem Vorfall auf Twitter und gestand ein, dass es eine dumme Idee gewesen sei, überhaupt in diesen Zeiten eine Party zu feiern. Auch Arsenal-Legende Ian Wright schimpfte: „Ich bin extrem wütend und das habe ich ihm auch schon am Telefon gesagt. Er muss endlich erwachsen werden.“ Zuvor war Grealish noch in jungen Jahren dabei aufgenommen worden, wie er Lachgas inhalierte, auch ein Bild, wie er 2015 betrunken in einer Flaniermeile auf Teneriffa zu sehen ist, schaffte es in die landesweiten Boulevardmedien.
Klar, solche Geschichten von erfolgreichen Profifußballern sind gerade in England nicht neu: Spieler, die auf dem Platz brillierten, aber daneben regelmäßig in den Schlagzeilen landeten, hat der Fußball auf der Insel einige zu bieten. Angefangen bei George Best oder Paul Gascoigne, die sich mit Alkohol und Parties vor allem ihr Leben nach der Karriere gründlich verbauten, bis hin zu Joey Barton, der einst als vielversprechendes Talent bei Manchester City startete, heute aber vor allem dafür bekannt ist, bei Schlägereien neben und auf dem Fußballplatz regelmäßig die Kontrolle über sich verloren zu haben.
Doch die Zeiten haben sich gewandelt – denn mit Marcus Rashford oder auch Raheem Sterling hat die englische Öffentlichkeit längst auch andere Typen Spieler kennengelernt. Rashford, der sich sogar mit der englischen Regierungspartei, den „Tories“, anlegte, um ärmeren Kindern auch während der Pandemie kostenloses Essen zu sichern. Und dem man tatsächlich abnimmt, dass er sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung abseits des Feldes bewusst ist und über den Fußball hinaus etwas bewirken möchte. Damit gewinnt er nicht nur viele Fans außerhalb der Region Manchester, sondern stellt auch seinen Verein in ein positiveres Licht. Ein United-Spieler, der mit 22 Jahren schon mit dem „Order of the British Empire“ ausgezeichnet wurde, das beeindruckt viele. Grealish hat bislang nur das Gegenteil zu bieten. Bei Villa ist der Profi zwar weiterhin Publikumsliebling, ein Talent aus der eigenen Akademie und ganz grundsätzlich für den Verein viel zu wichtig, als dass ihm solche Ausrutscher nicht verziehen werden. Sollte es Grealish aber bald zu einem anderen Klub ziehen, wäre sein Status nicht mehr derart unantastbar.