Die Bundesliga ist von einem Trainerbeben erfasst worden. Allerorts wechseln Vereine ihre Übungsleiter, direkt oder spätestens im Sommer. Und schuld an allem ist Lothar Matthäus.
Tönnies: „Herr Schneider, schön, dass Sie so schnell kommen konnten. Sie wissen, wie es um Schalke steht. Ihre Analyse?“ Schneider (etwas nervös, wegen der Aufgabe und vor allem Schalke, aber mit dem nötigen Selbstbewusstsein ausgestattet): „Meine Herren, es steht sehr schlecht, aber nicht aussichtslos. Es steht also nicht 0:4, denn das war gestern. Ab heute wollen wir uns auf die Zukunft fokussieren.“ Älterer Aufsichtsrat (flüsternd, hört aber natürlich jeder): „Was faselt der da? Nullvier, als ob ich das nicht selber wüsste. Früher war’s hier besser, da gab’s Veltins frei!“
„Drei Optionen“
Schneider (unbeirrt): „In der aktuellen Situation müssen wir dennoch einiges ändern, Weichen stellen und früh frischen Fahrtwind an das Mutterschiff Schalke lassen.“ Etwas jüngerer Aufsichtsrat: „Jetzt reicht es aber auch mit den Füllwörtern…“ Tönnies (laut): „Herr Schneider! Ihr Plan!“ Schneider (etwas hektisch): „Wir brauchen einen anderen Trainer. Das Problem: In der aktuellen Situation haben wir nur wenige Optionen.“ Tönnies (resigniert, kennt die Scheiße ja schon): „Wer steht zur Auswahl?“ Schneider (fummelt am Papier): „Drei Optionen: Marco Rose… Der allerdings viel zu teuer ist und keine Lust auf Schalke hat. Stattdessen könnten wir eine lokale Identifikationsfigur fragen, die schon Erfolg im Verein vorweisen kann…“ (Im Hintergrund rückt Huub Stevens kaum merklich, aber doch wahrnehmbar nach vorne und knurrt sehr leise). „… da hätten wir als freie Männer zur Auswahl: Peter Neururer oder Mike Büskens.“ Im Saal regt sich: nichts. „Oder wir nehmen die dritte Option, etwas gewagt, aber der Mann hat auch international Erfahrung. Wir fragen: Lothar Matthäus.“
Zehn Minuten später haben sich Aufsichtsrat, Vorstand und Jochen Schneider voneinander verabschiedet. Domenico Tedesco darf bleiben. Es wird später heißen, man habe sich einstimmig darauf verständigt.
Matthäus beendet seine Karriere
Und hier liegt sie vor, die Erklärung, warum die Fußballvereine verrückt geworden sind. Denn es war nur eine kleine Meldung, eine Randbemerkung, die Lothar Matthäus in der Vorwoche gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ fallen ließ: „Trainer? Das ist für mich vorbei.“ Kurz darauf brachen alle Dämme.
Der Grund für einen Trainerwechsel ist so simpel wie einleuchtend, es ist die Hoffnung auf was Besseres. Mit der Unterschrift auf dem Vertrag des neues Coaches unterzeichnet man das Papier, das die Wende einläuten soll. Eine Argumentation, die aber auch andersherum funktioniert. Steht ein Trainer zur Disposition, stellt sich die Frage, wie hoch die Erfolgschancen bei einem Wechsel denn überhaupt wären. Und damit richtet sich der Blick auf den Markt der freien Kandidaten.
Keine rote Linie
So konnten sie sich dann oftmals doch noch halten, die Vakanten, bekamen eine letzte Chance. All die Trainer, die in diesem Jahr irgendwann den Stuhl räumen sollten. Sie konnten auf Lothar Matthäus verweisen und ihre Bosse fragen: „Was wollt ihr eigentlich? Wollt ihr den da?“ Eine Frage, dessen Antwort seit Jahren feststeht. Weshalb die anderen noch einmal bleiben durften. All die Tedescos, Breitenreiters, Baums und Lehmanns, vielleicht auch Niko Kovac konnte so seinen Posten retten. Ehe es irgendwann einfach nicht mehr weiterging, der neue Hoffnungsträger kam. Oder wenigstens Thomas Doll.
Nun aber hat Lothar Matthäus seine Karriere offiziell beendet. Das war vor fünf Tagen. Seitdem: Ein Trainerwechsel in der 1. Liga, in der 2. Liga und der 3. Liga. Und ja, auch der Basketball-Bundesligist Science City Jena hat seinen Coach beurlaubt. Der Trend ist nicht zu verkennen. Man kann also nur hoffen, im Sinne aller Kollegen, dass es sich Matthäus noch einmal überlegt. Der nächste HSV-Coach wird es ihm sicher danken.