Peter Grosser ist tot. Der Kapitän der 1860-Meisterelf von 1966 war als Profi ähnlich begnadet wie der Fußballkaiser von Säbener Straße. Doch sein Leben war auch geprägt von Pech und großer Tragik.
Das Schicksal hat es weiß Gott nicht nur gut mit ihm gemeint. Doch Peter Grosser hat jedem harten Schlag, den das Leben für ihn bereithielt, wacker getrotzt. Mit seiner bajuwarischen Bruddeligkeit, seinem unerschütterlichen Lebenswillen und dem Mut, den Realitäten – so unbarmherzig sie auch sein mochten – angstfrei entgegenzutreten und nie auszuweichen.
Grosser war der Spielmacher des FC Bayern an der Schwelle zur Bundesliga. Ein Hasardeur, torgefährlich und fintenreich, der Strippenzieher für die Brenningers, Ohlhausers und Nafzigers. Ein Kopf der Spielergeneration also, die den roten Teppich an der Säbener Straße ausrollte für all die jungen Wilden, die da bald kommen sollten. Maier, Müller, Beckenbauer. Mit seinen Spielkameraden legte er den Grundstein dafür, dass die Bayern später zum Maß aller Dinge im deutschen Fußball aufsteigen konnten. Doch als es soweit war, hatte er längst die Seiten gewechselt.
Bei der Bundesligagründung war er 24 Jahre alt, ein Riesentalent, im Blickfeld der Nationalelf. Kein Wunder, dass die Sechziger – der frischgebackene Süddeutscher Meister – ihm 1963 den Hof machten. Die Löwen hatten das Momentum auf ihrer Seite, die Bayern waren nicht für die Eliteliga vorgesehen. Also entschied sich Grosser für den Erfolg, die Bundesliga, zog den Ärger der FCB-Anhänger auf sich und streifte sich fortan das himmelblaue Jersey über.
Seine Mitspieler riefen ihn „Zinko“, weil er ein Trickser war. Einer, der die Dinge am liebsten mit sich selbst ausmachte. Vor seinem Wechsel zu 1860 gab er vor, mit einem Transfer zu Fortuna Düsseldorf zu liebäugeln, was für die Bayern nur sehr geringe Ablösegelder gebracht hätte. Als er dann aber an der Säbener kundtat, dass er nur in die Nachbarschaft weiterzöge, waren die Roten so glücklich darüber, dass sein Weggang nun doch ein erkleckliches Sümmchen einbringen sollte, dass sie ihn fast klaglos ziehen ließen. Später verriet er, dass Düsseldorf in Wahrheit für ihn nie ein Thema gewesen war. So war er, der Peter.
Mit Löwen-Trainer Max Merkel focht der renitente Mittelfeldregisseur zahllose Sträuße aus. Grosser besaß genug Power, die Schikanen des Zuchtmeisters locker über sich ergehen zu lassen. Doch wenn etwas seinem Gerechtigkeitssinn widersprach, konnte der Mannschaftskapitän der großen Jahre auch kühl dagegen halten. Als Boss der 1860-Elf, die 1964 den DFB-Pokal gewann, im Jahr darauf im Europapokalfinale dem Team von West Ham nur knapp unterlegen war und 1966 schließlich den Meistertitel holte, schrieb Peter Grosser ein bedeutendes Kapitel deutsche Fußballgeschichte mit.
Doch er war es auch, unter dessen Regie die Löwen im Winter nach der Meisterschaft den peitschenschwingenden Coach in einer internen Abstimmung aus dem Amt drängten. Ein typischer Grosser-Satz: „Wir sind nicht wegen Merkel Meister geworden, sondern trotz Merkel!“
Für Bundestrainer Sepp Herberger galt ein Dickkopf wie er als zu unberechenbar, um nachhaltig auf ihn im zentralen Mittelfeld zu setzen. Die WM 1966 unter dem neuen Nationalcoach Helmut Schön hätte Grossers Turnier werden können. Doch weil der Feingeist mit der Mütze zauderte, ob er ihn wirklich mit nach England nehmen würde, verabschiedete sich Grosser nach seinem zweiten (und letzten) Länderspiel gegen Nordirland Ende Mai 1966 kurzfristig in den Sommerurlaub.
Nach Rückkunft rief ihn der Bundestrainer an und fragte, ob er sich noch zutrauen würde, eine Weltmeisterschaft für Deutschland zu spielen. Eine rhetorische Frage. Doch Grosser beantwortete sie nicht etwa wie erhofft mit „Passt scho…!“, sondern drückte seine Wertschätzung für Schöns Umgang mit ihm derart aus, dass er anwortete, er habe in der Sonne schön die Beine baumeln lassen. Der Bundestrainer ließ ihn zu Hause, berief ihn nie mehr in die DFB-Auswahl – und fand in Franz Beckenbauer einen neuen Hochbegabten, der seine Ära als Nationalcoach prägte.