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Seite 2: Die sechs Minuten von Belo Horizonte

Es gibt nicht wenige, die glaubten, an jenem März­abend in Berlin gegen Bra­si­lien einen anderen, einen neuen Kroos gesehen und gehört zu haben. Der kann ja auch laut! An sich hält er sich mit Kritik und Äuße­rungen gene­rell zurück, lässt über­haupt lieber die Füße spre­chen. Und noch etwas war bemer­kens­wert: Für gewöhn­lich mag Bun­des­trainer Joa­chim Löw es ganz und gar nicht, wenn Spieler eine solche Gene­ral­kritik am Spiel der Mann­schaft und an Mit­spie­lern üben. In diesem Fall aber gab er Kroos unein­ge­schränkt recht.

Als der auf­stre­bene Mit­tel­feld­spieler Leon Goretzka, einer der­je­nigen, denen Kroos‘ Kritik galt, im Trai­nings­lager darauf ange­spro­chen wurde, ant­wor­tete der 23-Jäh­rige über­ra­schend ein­sichtig. Wenn ich mir Kritik annehme, dann von einem wie Kroos.“

Mit Kroos veän­derte sich die Natio­nal­mann­schaft

Seit den Rück­tritten der Welt­meister Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mer­te­sa­cker ist Toni Kroos in den Mann­schaftsrat auf­ge­rückt. Kroos ist längst der heim­liche Kapitän. Aber keiner wie die Herren Mat­thäus, Effen­berg oder Bal­lack, die laut­stark und ges­ten­reich die Mann­schaft führten und auf dem Platz mal gehörig dazwi­schen­fuhren.

Als Kroos am 3. März 2010 im Freund­schafts­spiel gegen Argen­ti­nien in der Natio­nalelf debü­tierte, stand Bal­lack noch auf dem Platz. Es sollte, was damals noch nicht absehbar war, die letzte Partie des alten Mann­schafts­len­kers gewesen sein. Auf Bal­lack folgte Philipp Lahm und mit ihm eine neue, eine andere Art des Füh­rens, nicht mehr von oben herab. Lahm hielt keine flam­menden Appelle, er führte durch Leis­tung. Vor allem habe Lahm sich als Kapitän nie so wichtig genommen, das hat mir gefallen“, hat Kroos einmal gesagt.

Mitt­ler­weile ist Manuel Neuer Kapitän des Teams. Der 32-Jäh­rige führt durch Aus­strah­lung, durch Prä­senz und Kör­per­sprache. Aber er steht im Tor, etwas abseits des Gesche­hens. Und ihm fehlen acht Monate Spiel­rhythmus. Hum­mels ist mit seinen 29 Jahren immer für eine starke Mei­nung gut, eine Art Außen­mi­nister des Teams. Der 31-jäh­rige Sami Khe­dira wurde wegen seines Rund­um­blicks für das Auf- und Neben-dem-Platz von der Süd­deut­schen Zei­tung“ gerade als Super-Minister“ beti­telt.

Sechs wun­der­schöne Minuten in Belo Hori­zonte

Und Kroos? Wurde vom Bou­le­vard schon mal zur Pass-Maschine“ aus­ge­rufen. Was für ein häss­li­ches Wort für diese Gabe, nur weil sie maschi­nen­hafte Prä­zi­sion auf­weist. Es ist heute noch schön, sich jene Sechs-Minuten-Sequenz aus dem WM-Halb­fi­nale von 2014 anzu­schauen, auf die sich das sagen­hafte 7:1 des spä­teren Welt­meis­ters Deutsch­land gegen Bra­si­lien ver­dichten ließe. In diesen paar Minuten machen Kroos und Khe­dira aus einem 2:0 ein unein­hol­bares 5:0. Sie legen sich ihre Tore gegen­seitig auf, alles sieht so auf­rei­zend selbst­ver­ständ­lich aus. Beide werden auch in Russ­land das deut­sche Zen­trum bilden. Kroos ist kleiner und schmäch­tiger als der kräf­tige und kan­tige Khe­dira, kör­per­lich eher ein Durch­schnittstyp. Doch im Gegen­satz zu Khe­dira scheint Kroos den Körper kaum zu brau­chen. Ihn tragen Intui­tion und Technik, das Gefühl dafür, wo der Ball jetzt hin sollte und die Fähig­keit, ihm den pas­senden Drive zu ver­leihen. Sein Stil hat etwas Diri­gen­ten­haftes. Es gibt nur wenige Spieler, die Schweres so leicht aus­sehen lassen können.