Seit Monaten beschäftigt der mögliche Wechsel von Dortmunds Robert Lewandowski zum FC Bayern die Szene. Doch was man dem Polen und seinen Beratern abseits des Rasens auch vorwerfen mag, auf dem Platz ist er weiterhin eine Klasse für sich. Das muss man erstmal schaffen.
Als Marco Bode in jungen Jahren zum Probetraining bei Werder Bremen aufschlug und dort sportlich einen so guten Eindruck hinterließ, dass der damalige Trainer Otto Rehhagel gar nicht anders konnte, als ihm einen Profivertrag anzubieten, musste er noch eine letzte Hürde nehmen. In einer Art Bewerbungsgespräch nahm sein neuer Arbeitgeber den Angreifer mit der beeindruckenden Lockenmähne ins Kreuzverhör. Rehhagel fragte: „Marco, zwei Dinge müssen wir noch klären. Erstens: Sind Sie verheiratet? Und zweitens: Werden Sie sich die Haare schneiden?“ Ja, er sei verheiratet, so Bode. Aber die Haare würden dran bleiben. Marco Bode bekam den Job.
Der Lewandowski-Transfer: Ein nicht enden wollenden Nervenspiel
Die Moral von der Geschichte: Rehhagel war der festen Überzeugung, dass ein verheirateter Spieler ein glücklicher Spieler sei, ein Fußballer mit einem stabilen Umfeld, dem richtigen Nährboden für gute Leistungen auf dem Rasen. Nun mag die Gleichung verheiratet/glücklich inzwischen überholt sein, an dem Wunsch der Trainer, Fußballer mit einem intakten und sorgenfreien Alltag in den eigenen Reihen zu wissen, hat sich nichts geändert. Nichts soll das Leistungsvermögen der Profis beeinträchtigen.
Im Umfeld von Robert Lewandowski geht es seit Monaten drunter und drüber. Daran ist der Stürmer von Borussia Dortmund nicht unschuldig, dafür hat sich der Pole zu offensiv am Wechseltheater um seine Person beteiligt. Die Bayern wollen Lewandowski, Lewandowski will zu den Bayern, Dortmund will Lewandowski nicht gehen lassen. So die Kurzversion eines nicht enden wollenden Nervenspiels voller hässlicher Anschuldigungen, geldgeiler Berater-Kommentare und unnötigen Interviews. Von verschiedenen Seiten wurde befürchtet, der zum Bleiben quasi gezwungene Lewandowski werde in dieser Saison nicht sein volles Leistungspotential abrufen. Denn: Wie soll sich einer aufs Tore schießen konzentrieren, wenn außerhalb des Rasens eine Schlammschlacht um seine Zukunft im Gange ist?
Robert Lewandowski scheint das alles nicht zu stören. Seine Konstanz und seine Coolnes sind beeindruckend und zeugen von einer ungemeinen Nervenstärke. In sieben Ligaspielen hat Lewandowski bereits sechs Tore geschossen und vier Treffer aufgelegt. Hinzu kommt ein Treffer im DFB-Pokal. In der Champions League ist er noch ohne Torbeteiligung, doch wenn man seinen Auftritt am Wochenende gegen den SC Freiburg als Maßstab nimmt, ist nicht auszuschließen, dass sich das im heutigen Heimspiel gegen Olympique Marseille ändert. Besonders das 3:0 gegen die Breisgauer, ein wunderschöner Lupfer im Strafraumgewühl, bewies erneut Lewandowskis sagenhafte Fähigkeiten beim Torabschluss. Sein Kollege Marco Reus bezeichnete ihn nach dem Spiel als „Weltklasse“. Und tatsächlich gehört der polnische Nationalstürmer weiterhin zu den fünf besten Angreifern im europäischen Spitzenfußball. Schlammschlacht hin oder her.
Sich künstlich zurückhalten? So denken Profifußballer nicht
Den Vorwurf, Lewandowski würde sich absichtlich, also aus einer Art Trotzreaktion, auf dem Platz zurückhalten, hat der 25-Jährige schon jetzt widerlegt. Es war auch ein lächerlicher Vorwurf. Warum sollte ein Fußballer in der Blüte seiner Schaffenskraft künstlich einen Gang zurückschalten, und damit sich und seiner Mannschaft schaden, nur um dem aktuellen Arbeitgeber eins auszuwischen? So mögen Berater und Journalisten denken, Profifußballer nicht.
Die Verantwortlichen vom FC Bayern dürfte das alles mit großer Genugtuung beobachten. Sie werden im kommenden Sommer nicht nur einen äußerst begabten Angreifer bekommen, sondern auch eine Persönlichkeit, die mit allen Abwassern gewaschen ist. Der Transferhickhack um seine Person scheint Lewandowski nicht zu schwächen, sondern abzuhärten. Gerade beim FC Bayern, wo der Druck noch höher, die Konkurrenz noch größer, und die Schlammschlachten noch dreckiger sind, als anderswo in der Liga, ist das eine entscheidende Eigenschaft.
Für Otto Rehhagel dürfte die Frage, ob Robert Lewandowski ein guter Fußballer mit Potential ist, ohnehin längst beantwortet sein. Im Juni 2013 hat der Stürmer nämlich seine Jugendliebe Anna geheiratet.