Nach dem Trainerwechsel geht es in Bremen voran – sowohl taktisch als auch ergebnistechnisch. Wichtigster Baustein im Abstiegskampf: ein aggressiver Thomas Delaney im Mittelfeld.
Der zwölfte Spieltag war Balsam für die geschundene Werder-Seele. Mit 4:0 besiegten die Bremer den überraschend gut in die Saison gestarteten Aufsteiger Hannover 96. Im zweiten Spiel unter dem neuen Trainer Florian Kohfeldt gelang also das, was in zehn Partien unter der Leitung von Alexander Nouri nicht erreicht wurde: der erste Saisonsieg.
Die zentrale Figur im Bremer Spiel war neben Max Kruse als dreifachem Torschützen Thomas Delaney, der den linken Achter im Halbraum des Mittelfelds gab. Der Däne mit US-amerikanischen Pass kämpfte sich durchs Mittelfeld, gewann Zweikämpfe, schloss Räume und öffnete sie auf der anderen Seite für eigene Angriffe.
Kampf ist das richtige Stichwort für Bremen. Oder besser: Abstiegskampf. Fünf Unentschieden und fünf Niederlagen aus den Spielen unter Nouri bedeuteten Platz 17. Auch dessen taktische Maßgaben entsprachen dem Klischee einer Mannschaft, die sich in den Untiefen der Tabelle bewegt: Sicher stehen, hinten die null halten und aus einer organisierten Defensive heraus angreifen.
Kohfeldt wagt den taktischen Neustart
Ein ebenso bekanntes, wie ganz offensichtlich erfolgloses Konzept. Nach fünf Punkten, drei geschossenen und zwölf kassierten Toren musste Nouri gehen. Da half es auch nichts, dass Delaney sich zwei Wochen zu vor noch öffentlich hinter seinen Trainer gestellt hatte.
Nouris Taktik sei nicht das Problem, sagte der 26-jährige, „Hauptgrund ist, dass wir Spieler unserem Plan nicht gefolgt sind.“ Dieser Argumentation folgend hätte die Bremer Vereinsführung also die ganze Mannschaft entlassen müssen. Sie entschied sich dann aber doch für den Trainer. Florian Kohfeldt, vorher Trainer der zweiten Mannschaft, übernahm – und versuchte sich am taktischen Neustart. Weg vom defensiven, hin zum proaktiven Spiel.
Unter ihm läuft Bremen in einem flexiblen 4−3−3 auf, das bei gegnerischem Ballbesitz zum 4−2−2 wird. In dieser Formation übernimmt Delaney die linke Halbposition im Mittelfeld. Bei Ballbesitz ist er so einerseits eine wichtige Anspielstation im Aufbauspiel, weil die Außenverteidiger mehr Freiheiten bekommen und Zwischenstation bei schnellen Kontern, die Werder gerade nach eigener Führung wie gegen 96 gerne fährt.
Andererseits kommt er selber häufiger nach vorne, weil der zentrale Angreifer Max Kruse aus der Spitze Richtung Mittelkreis oder auf die Außenbahnen ausweicht, um seine direkten Gegenspieler loszuwerden. Dann übernimmt Delaney temporär Kruses Position im Angriffszentrum.
Im 4−4−2 gegen den Ball wird das Bremer Mittelfeld kompakt und flach, mögliche Passwege werden geschlossen, der Gegner muss auf dem Weg zum Strafraum eine oder gar zwei Viererketten überspielen. Wenn der Ball dann in vor der ersten Kette hin- und hergeschoben wird, setzt Werder die ballführenden Spieler im Spielaufbau durch aggressives Pressen und Nachsetzen unter Druck.
Aggressiv ist das richtige Stichwort für Delaney. „Thomas ist ein Antreiber, immer aktiv, sehr aggressiv“, sagt Sportdirektor Frank Baumann über den Mittelfeldmotor. Delaney scheut die Auseinandersetzung nicht: In der vergangenen, für Bremen sehr erfolgreichen Rückrunde, erlitt er erst eine Mittelgesichtsfraktur, das Duell mit Dortmund beendete er dann mit blutigen Kratzern im Gesicht.
Kein netter Junge
Und nachdem es beim Pokalsieg gegen Hoffenheim Ende Oktober zu einer Rudelbildung kam, sagte er der Bild: „Ich mag das. Wir haben das in Kopenhagen als taktisches Mittel benutzt, um uns in Stimmung zu bringen.“
Beim Kjøbenhavens Boldklub, meinte Delaney. Dort, wo er seinen gesamten fußballerischen Werdegang verbrachte, mit 17 für die erste Mannschaft (die zusammengelegt mit dem FC Kopenhagen unter diesem Namen antritt) debütierte, mit 24 zum Kapitän wurde. Die Belohnung für absolute Hingabe, bedingungslosen Einsatz für sein Team. Qualitäten, die er im Winter mit nach Bremen brachte.
„Wir dürfen nicht die netten Jungs sein, wir müssen uns mehr wehren“, sagte er nach dem Pokalspiel. Delaneys Spiel lebt von Aggressivität, von Emotionen, vom Kampf. Nur schafft er es, diese Eigenschaften mit spielmacherischer Übersicht, überlegtem Stellungsspiel und marathonhaften Laufleistungen in Einklang zu bringen. Diese Kombination ist es, die ihn bei Werder so wichtig macht. Für Kohfeldts System und die emotionale Seite des Abstiegskampfs.