Kämpfen bis zum Umfallen: Mit aggressivem Pressing ringt der Hamburger SV den übermächtigen Bayern ein 0:0 ab. Alles Glück oder ein genialer Coup des neuen HSV-Trainers Josef Zinnbauer?
Tobender Jubel, laute Gesänge, Standing Ovations. Am Samstagnachmittag um 17.15 Uhr glich dass Hamburger Volksparkstadion einem Tollhaus. Man könnte meinen, Ernst Happel sei aus dem Reich der Toten zurückgekehrt und habe den HSV zum siebten Meistertitel geführt. Doch was die Fans so ausgiebig feierten war kein Titelgewinn, sondern ein 0:0 gegen den Rekordmeister FC Bayern.
Zinnbauers neue Pressing-Strategie
Der Jubel war begründet. Nach schwachen Leistungen zum Saisonbeginn zeigte sich der HSV vor allem kämpferisch verbessert. Einen Anteil daran hatte der neue Coach Josef Zinnbauer, der seinem Team eine veränderte Pressing-Strategie einimpfte. Statt im 4−4−2 an der Mittellinie abzuwarten und den Gegner kommen zu lassen, ging der HSV früh drauf. Schon weit in der gegnerischen Hälfte störte der Underdog die Bayern.
Lewis Holtby und Pierre-Michel Lasogga waren die Vorhut im Pressing. Sie lenkten das Aufbauspiel auf die Flügel, wo der HSV versuchte, die Außenverteidiger der Bayern zu isolieren. Dazu rückte auch Tolgay Arslan aus dem Sechserraum raus. Der HSV presste mit einem engen 4−1−3−2, das den ballführenden Münchener auf dem Flügel einschnürte.
Die Abläufe im Pressing funktionierten wesentlich besser als in den vergangenen Wochen. Die Abwehrkette rückte geschlossen auf und die Außenverteidiger leicht ein, um im Zweifelsfall im Zentrum aushelfen zu können. Alle HSV-Spieler kämpften und fraßen Gras, sodass sie das hohe Pressing fast bis zum Schlusspfiff aufrechterhalten konnten.
Bayern mit Orientierungsproblemen
Zwar gewannen die Hamburger mit dieser neuen Strategie kaum Bälle in der gegnerischen Hälfte – dafür waren Dante, Jerome Boateng & Co. zu abgeklärt und zu ballsicher. Dennoch behinderte der HSV den Spielaufbau effektiv. Die Bayern konnten in ihrem 4−3−3 nicht die Zonen ansteuern, die sie bespielen wollten. Der HSV schloss die Passwege auf die beiden Achter David Alaba und Pierre Emile Hojberg. Die Bayern ließen sich früh auf den Flügel lenken, von wo aus sie nicht mehr zurück ins Zentrum fanden.
Den Bayern machte nicht nur das enge 4−4−2 der Hamburger zu schaffen, das die Hamburger am eigenen Sechzehner aufbaute, sobald die Bayern das Pressing umspielten. Den Bayern fehlten die Verbindungen im Spiel, sowohl zwischen Abwehr und Angriff als auch zwischen den Flügeln. Philipp Lahm musste sich als Spielmacher tief fallen lassen, um eine Anspielstation gegen das Hamburger Pressing zu schaffen. In der gegnerischen Hälfte fehlte ein Verbindungsspieler, der zwischen den zerstückelten Mannschaftsteilen die Bälle verteilt. So wirkte das Spiel der Bayern zuweilen abgehackt, Kombinationen über mehrere Stationen gab es nur selten.