Roter Stern Belgrad zieht in die Champions League ein. Die Fans feiern mit einem geparkten Panzer vor dem Stadion. Und die Uefa schaut weg.
Als Bern besiegt war, feierten die Spieler von Roter Stern Belgrad auf einem offenen Panzerfahrzeug. So fuhren sie durch die serbische Nacht, während ihre Fans auf den Straßen Pyrofackeln zündeten und die Spieler, unter ihnen auch Kapitän Marko Marin, vom Dach des Kampfwagens jubelten. Zum zweiten Mal in Folge wird Roter Stern Belgrad an der Champions League teilnehmen. Nach der Gruppenphase im vergangenen Jahr setzte sich Belgrad am Dienstagabend im Qualifikations-Rückspiel gegen YB Bern durch. Da kann man schon mal mit schweren Geschützen auffahren. Oder?
Zeuge einer Schlacht
Um ein anderes Militärfahrzeug herrscht derzeit jedenfalls große Aufregung. In dieser Woche hatten Mitglieder der berüchtigten „Delija“-Hooliganorganisation einen Panzer auf das Gelände des Rajko-Mitic-Stadions aufstellen lassen. Doch was auf den ersten Blick nach einer geschmacklosen Reminiszenz an Kampfgeist und Soldatentugenden erinnert, ist weit mehr – und weit mehr geschmacklos.
Schließlich soll der T55-Panzer einst an der Schlacht um Vukovar beteiligt gewesen sein, eine der Hauptschauplätze des Kroatienkriegs, einem Teilkonflikt zwischen Kroaten und Serben im damals herrschenden Jugoslawienkrieg, zu Beginn der 1990er-Jahre. Eine Schlacht, an der auch „Delija“-Mitglieder beteiligt waren, die vor Kriegsverbrechen und Genozid nicht zurückschreckten.
Kampf für Arkan
Wenige Jahre zuvor hatte in einer kalten Nacht im Belgrader Stadion ein Mann namens Zeljko Raznatovic, genannt „Arkan, der Tiger“, die Macht im Verein übernommen und die Hooligans von Roter Stern zu Soldaten und Freischärlern gemacht. Jene Männer, die in den Jahren zuvor für Angst und Schrecken auf den Tribünen gesorgt hatten, sollen unter jenen Soldaten gewesen sein, die die Stadt Vukovar für drei Monate belagerten.
Am Ende der Kämpfe verschleppten die Soldaten bis zu 300 Kroaten und verübten an ihnen ein Massaker.
Zuletzt stand die „Delija“-Gruppierung in der Kritik, nachdem sie ein Banner mit der Aufschrift „Vukovar“ im Heimbereich gehisst hatten. Nach der Präsentation des Panzers, die der Verein auf seinem offiziellen Twitteraccount als „Attraktion“ anpries, hagelte es erneut Kritik – vor allem von kroatischen Medien. Die Uefa äußerte sich am Vortag der Champions-League-Auslosung wesentlich zurückhaltender: „Der Panzer vor dem Stadion ist kein Problem, solange nicht damit geschossen wird.“
Kein Statement
Dem „Spiegel“ sagte die Uefa: „Nach Rücksprache mit Roter Stern und den zuständigen Strafverfolgungsbehörden in Serbien wurde der Uefa mitgeteilt, dass mit der Installation des historischen, stillgelegten Panzers außerhalb des Rajko-Mitic-Stadions kein politisches Statement verknüpft ist.“ Immerhin hatte der serbische Innenminister ausgesagt, dass es sich beim Panzer nur um eine „Nachbildung“ handle.
Eine Nachbildung mit Symbolcharakter. Weshalb die Reaktion sogleich folgte. Die Fans des kroatischen Klubs Dinamo Zagreb präsentierten vor ihrem Stadion einen gusseisernen Traktor. Ein Symbol für die Flucht von tausenden Serben, die bis 1995 im kroatischen Gebiet gelebt hatten, und sich auch auf Landmaschinen in Sicherheit brachten. Und so ist die Installation von historischen Vehikeln wohl auch nur Höhepunkt eines Konflikts zwischen kroatischen und serbischen Fußballfans, der derzeit schwelt.
Zusammen in der Champions League?
Erst in der vergangenen Woche wurden serbische Fußballfans, die das Hinspiel von Roter Stern in zwei Cafés in der Nähe der kroatischen Stadt Knin gesehen hatten, mutmaßlich von Kroaten attackiert. Heute Abend lost die Uefa die Gruppenphase der Champions League aus. Weil Zagreb und Belgrad in unterschiedlichen Töpfen liegen, ist eine gemeinsame Gruppe nicht ausgeschlossen – aber das wäre laut Uefa sicher auch kein Problem, solange nicht geschossen wird.