Für unser aktuelles Heft haben wir Nationalspieler Joshua Kimmich getroffen. Einer, der genau weiß, wie Bayerns Jungstar tickt, ist sein ehemaliger Trainer: Alexander Zorniger.
Über seinen ersten Eindruck von Kimmich
Ich habe ihn zum ersten Mal bei einem U19-Spiel in Nürnberg gesehen. Das geschah eher durch Zufall, denn wir waren eigentlich an einem anderen Mittelfeldspieler vom VfB interessiert. Das Spiel lief auf mäßigem Niveau ab, aber Jo spielte einfach überragend, er war vorne und hinten zu finden. Ich habe direkt zu Ralf Rangnick gesagt: „Den Spieler will ich unbedingt haben.“
Der VfB hat ganz anders gespielt als wir, von daher hatte ich überhaupt keine Zweifel, dass er es bei uns packen kann. Unsere Spielweise mag anfangs für ihn ungewöhnlich gewesen sein, aber diese Intensität in den Einheiten hätte damals jeden Spieler vor Probleme gestellt.
Ich habe bei ihm gemerkt, wie viel er von den Anweisungen aufnimmt. Das ist bei den Profis nicht selbstverständlich. Man muss ihm als Trainer die einzelnen Schritte erklären, man muss ihn mitnehmen.
Über Kimmichs Spielweise
Manchmal hat er noch den Schlendrian drin. Ich erinnere mich an ein Spiel von uns in Duisburg, als er den Gegenspieler am eigenen Fünfmeterraum tunneln wollte und den Ball verlor. Ab und an fällt mir dieser Leichtsinn in seinem Spiel noch auf, beispielsweise bei seinem Dribbling im EM-Halbfinale in Frankreich.
Aber das ist eben Jo Kimmich: Er sucht Lösungen, an die andere Spieler gar nicht denken. Manchmal übertreibt er, wenn er nicht dreckig klären, sondern noch einen draufsetzen will. Doch Jo vertraut total auf seine Qualitäten. Und er will jede einzelne Aktion gewinnen, 50 Prozent seines Erfolges hängen mit seiner Mentalität zusammen. Zudem spielt er clever, mit Übersicht, hat ein herausragendes Stellungsspiel. Den einzigen Verbesserungsbedarf bei ihm sah ich lange beim Thema Geschwindigkeit, aber auch da scheint er zugelegt zu haben.
Über Kimmichs Position
Jo ist ein Sechser, ganz klar. Er muss den Ball haben, er muss am Spiel beteiligt sein. Sonst ist er wie im Käfig gefangen. Jo hätte die Spielweise bei uns auch nicht noch zwei weitere Jahre vertragen. Er kann gegen den Ball spielen, aber aus einer Teamtaktik heraus ihn schnell herzugeben – das passt nicht zu ihm. In dieser Hinsicht ist sein Passspiel einfach zu gut.
Über Kimmichs Standing in der Kabine und seinen Ehrgeiz
Wenn er in der Kabine etwas gesagt hat, haben selbst die etablierten Spieler wie Daniel Frahn nach einer gewissen Zeit zugehört. Sie wussten, dass es Jo immer um den Teamerfolg ging und nicht um seine eigene Reputation. Nach Jos erstem Spiel wandte sich Basti Schulz im Bus an mich. Er war ein erfahrener Spieler, den ich an diesem Tag für Kimmich auf die Bank gesetzt hatte. Schulz sagte mir: „Trainer, alles richtig gemacht.“ 98 Prozent der Spieler hätten sich wahrscheinlich eher die Zunge abgehackt, als das zu sagen. Allein dieser Satz zeigt die Wertschätzung für Jo.
Bei den Trainingsspielen hat er den Schiedsrichtern, also den Co-Trainern, häufig einige Flüche entgegengeschleudert.
Er wohnte mit Yussuf Poulsen in einer WG, dabei waren die beiden wie zwei unterschiedliche Pole. Jo war damals schon sehr fokussiert, Yussi musste das erst lernen. Er hat einmal das Abschlusstraining vor dem Spiel gegen Chemnitz verschlafen. Jo hatte an seine Tür geklopft, doch Yussi sich nicht gerührt. Man muss dazu sagen: Das Abschlusstraining fand nicht morgens um 10 Uhr statt, sondern um 14 Uhr.
Über Kimmichs Zukunft
Ich habe Jo schon immer als richtig tollen Spieler und Menschen geschätzt. Klar habe ich sein Potenzial erkannt, doch ich kann nicht sagen: „Es war mir vollkommen klar, dass der bei Bayern durchstartet und Nationalspieler wird.“ Das ist wohl der Unterschied zwischen Guardiola und Zorniger. Um diesen Weg vorherzusagen, brauchte es hellseherische Fähigkeiten. Deswegen ist bei Jo auch in der Zukunft nichts ausgeschlossen. Er hat Führungsqualitäten und kann der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft werden.
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Das komplette Porträt über Joshua Kimmich lest ihr in der aktuellen 11FREUNDE #214. Das Heft gibt es ab Donnerstag überall im Handel und direkt bei uns im Shop. Ihr könnt die Ausgabe auch im App-Store (iPhone, iPad) oder im Google-Play-Store (Android-Geräte) kaufen.