Ein englischer Viertligist ließ online über den Namen seines neuen Stadions abstimmen. Klarer Sieger: der Vorschlag „Kevin“. Doch dann zeigten sich Klub und Sponsor erschreckend humorlos.
Die Forest Green Rovers sind so eine Art englischer Dauer-Meister. Zumindest, wenn es um das Generieren von Publicity geht. An einem Tag verkündet der Viertligist aus der Grafschaft Gloucestershire, ein Stadion ganz aus Holz zu bauen. Am nächsten Tag beschließt man, der erste rein vegane Profiklub der britischen Insel zu werden. Ja, und zuletzt suchte man öffentlichkeitswirksam nach einem Namen für die vegan bewirtschaftete, weitgehend CO2-neutrale 5.000-Zuschauer-Arena im Städtchen Nailsworth. Eigentlich hatte ja die Firma „Innocent“ die „Naming Rights“ erworben, doch der Smoothie-Hersteller gab sich generös: Den genauen Namen sollten die Fans aussuchen, per Online-Votum.
Wobei: So ganz freie Hand wollte man dem Anhang dann doch nicht lassen. Ein interner Prüfungsausschuss, bestehend aus Vertretern von Verein und Sponsor, nahm die Vielzahl der eingegangenen Namensvorschläge vorab unter die Lupe und ließ schließlich vier davon zur Abstimmung zu. Während die ersten drei Auswahlmöglichkeiten aus mehr oder weniger lustigen Wortkombinationen mit „Innocent“ bestanden („Innocent Sustadium“, „Innocent New Lawn“, „Innocent Fruit Bowl“), kam die vierte etwas weniger sophisticated daher: „Kevin“. Nicht „Kevin Stadium“, nicht „Kevin Park“, nicht „Kevin Arena“, sondern schlicht und einfach „Kevin“ sollte das Ding heißen. Prima Idee! Fanden überwältigende 65 Prozent der Abstimmenden.
Innocents Marketingdirektorin für Großbritannien zeigte sich konsterniert angesichts des Resultats: „Wir haben keine Ahnung, wer Kevin überhaupt ist”, erklärte Anna Bateson der Boulevardzeitung „The Sun“. Und jetzt? Haben die Forest Green Rovers und Innocent mal so richtig Publicity – in Form eines veritablen Shitstorms. Grund ist die plötzliche Weigerung des Vereins, das Voting anzuerkennen. Vorstandsboss Dale Vince (59), ein bekennender Hippie und selbsternannter Basisdemokrat, spottete auf Twitter: „Tut mir leid, wenn ihr gehofft hattet, dass das Stadion ‚Kevin‘ heißen würde. Vielleicht halten die Forest Green Rovers und Innocent ja ein ‚Kevin-Ehren-Spiel‘ ab, wenn wieder Fans kommen dürfen?“ Parallel twitterte der Verein: „Also dann, jetzt ist es offiziell. Die Rovers werden künftig im Innocent New Lawn spielen. Danke für all eure wunderbaren und abgedrehten (vorrangig abgedrehten) Namensvorschläge.“
Prompt ist eine heiße Diskussion entbrannt, zu der jeder in England etwas beizusteuern hat: Fans und Sponsoren, Marketing-Experten und Nachhaltigkeits-NGOs, Initiativen für mehr direkte Demokratie und Vertreter der Kirche, Mainstream-Medien und Youtuber, Gary Lineker und Peter Shilton. Laut Sky-Moderator Jeff Stelling haben die Forest Green Rovers mit der Annullierung des Fan-Votums eine gewaltige Publicity-Chance liegen lassen: „Dieser Name hätte ihnen doch eine wöchentliche Erwähnung in den nationalen Medien garantiert.“
„Kevin“-Gegner halten dem entgegen, dass der Namensvorschlag und die anschließende Stimmenflut, welche die kleine Fanbase der Forest Green Rovers bei weitem überstieg, vermutlich einem bösen Streich entsprungen seien. Und dass der englische Fußballverband (FA) sich im Jahr 2005 ähnlich rigoros über das Resultat einer Online-Abstimmung hinweg gesetzt habe. Damals hatte die FA bei der Benennung einer Brücke unweit des neuen Wembley-Stadions das maßgeblich von deutschen Fans befeuerte Votum pro „Didi Hamann Bridge“ kurzerhand für nichtig erklärt.
„Kevin“ aber war gar nicht als Streich gedacht. Der Vorschlag stammt allem Anschein nach von einem aufrichtigen Forest-Green-Fan und greift einen alten Scherz über die als Hippie-Klub verlachten Rovers auf: „Liverpool hatte Kevin Keegan“, heißt es darin, „und ihr habt Kevin Vegan (gesprochen: „Wigän).“
Das Beispiel von der „Didi Hamann Bridge“ lassen „Kevin“-Befürworter also nicht gelten und führen stattdessen einen anderen Präzedenzfall ins Feld: Vor rund vier Jahren durfte die Öffentlichkeit über den Namen eines durch Spendengelder finanzierten britischen Forschungsschiffes abstimmen. Die Wahl fiel mit überwältigender Mehrheit von 124.000 Stimmen auf „Boaty McBoatface“, was – eine Übersetzung ersparen wir uns an dieser Stelle – ein eher dümmlicher Name ist. Fand auch die zuständige Schifffahrtsbehörde und nannte das Gefährt lieber „Sir David Attenborough“, nach dem weltberühmten englischen Naturfilmer.
„Hey – Abstimmung ist Abstimmung!“, empörten sich Zehntausende, starteten eine gigantische Kampagne und landeten einen (Teil-)Erfolg: Eines der kleineren Expeditionsboote, die vom Deck der „Sir David Attenborough“ zu Wasser gelassen werden können, heißt nun „Boaty McBoatface“ und verrichtet seit vier Jahren zuverlässig seinen Dienst im antarktischen Meer.
Was das für „Kevin“ bedeuten könnte? Vielleicht wird der Name ja wenigstens den Trainingsplatz der Forest Green Rovers zieren. Oder den Mannschaftsbus. Oder zumindest einen der veganen Imbissstände. Das ist man „Kevin“ einfach schuldig.