Im Schlussspurt steigt Schalke in die Bundesliga auf – eine irre Geschichte. Dass es Mike Büskens ist, der sie schreibt, macht sie perfekt.
Mike Büskens war gezeichnet. Platt. Die Haare verklebt von den Bierduschen und durchgewuschelt von etlichen glücksbesoffenen Umarmungen. Schalkes Trainer saß am späten Samstagabend auf der Pressekonferenz in der Schalker Arena und schüttelte immer wieder den Kopf. Pustete durch. Trank einen Schluck Wasser. Und sprach dann erstaunlich bedächtig über den Wahnsinn, der sich in den Stunden zuvor abgespielt hatte. Und über den Wahnsinn, den er hier in den vergangenen Monaten erlebt hat.
Denn vor etwas mehr als einem Jahr, im April des vergangenen Jahres, „da war es nicht ganz so einfach, über den Arenaring zu gehen“, erinnerte Büskens. Eine sehr euphemistische Schilderung für das, was sich damals, nach Schalkes Abstieg aus der Bundesliga zutrug: Nach der Niederlage bei Arminia Bielefeld warteten Fans an der Schalker Arena auf die Mannschaft, um an ihr gewalttätig ihre Wut und ihren Frust auszulassen. Dabei schreckten sie auch vor verdienten Schalkern wie Ralf Fährmann oder Mike Büskens, damals Co-Trainer, nicht zurück. Etliche Sprachnachrichten zur Tatnacht machten später die Runde. In einer hieß es, dem damaligen Trainer, Dimitrios Grammozis „ham’se inne Fresse gehau’n“, und dem Büskens hätten sie „im Arsch getreten“.
All das hat Mike Büskens nicht vergessen, auch nicht im Moment des Erfolgs. Doch aus seinem Blick in die Vergangenheit spricht kein anhaltender Groll, auch keine persönliche späte Genugtuung. Vielmehr zeigt sich in diesen Momenten, wie sehr Büskens Schalke lebt, wie sehr er diesen Verein spürt und versteht. Er weiß um die Wucht dieses Klubs, die eben in beide Richtungen extrem ausschlagen kann und ihn damit permanent wanken lässt: „Es freut mich wirklich für diese Stadt und für diesen Verein, der in den letzten zwei, zweieinhalb Jahren richtig gelitten hat.“ Es sind Worte, die einen zu dem Schluss kommen lassen, dass es in den letzten Wochen keinen besseren Trainer für den FC Schalke 04 geben konnte als Mike Büskens.
Der gebürtige Düsseldorfer hat es geschafft, den Verein und sein komplettes Umfeld mitzureißen. „Die Kraft von Mike“ hat Schalkes Sportdirektor Rouven Schröder diese Eigenschaft bei dessen Beförderung vom Co- zum Cheftrainer vor zwei Monaten genannt. Diese Kraft bekam Schröder auch schon am eigenen Leib zu spüren, als Büskens beim Heimsieg über den SV Sandhausen im vergangenen November das Tor von Marius Bülter derart wuchtig bejubelte, dass er seinen Sportdirektor dabei fast umriss. Und so wie Schröder erging es seit Büskens Übernahme im März ganz Schalke.
Das liegt natürlich an emotionalen Spielen wie dem 2:1‑Zittersieg Anfang April in Dresden, dem 5:2‑Spektakel in Darmstadt, dem Last-Minute-Erfolg in Sandhausen und der Aufholjagd gegen St. Pauli. So schnell wirft den FC Schalke 04 unter Mike Büskens nichts aus der Bahn, auch kein Rückstand. Doch Büskens Leistungen gehen weit über das Sportliche hinaus. Er weiß: „Wir haben den Reset-Knopf gedrückt und zurück zu unseren Werten gefunden.“ Was diese Werte sind? „Dass wir gemeinsam Dinge entwicklen, dass wir gemeinsam füreinander einstehen.“ Und tatsächlich machte der FC Schalke 04 zuletzt auch in der Außendarstellung vieles richtig, ein Feld, auf dem er in der vergangenen Saison zuweilen sogar noch schlechter dastand als auf dem Fußballplatz.