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Stell dir vor, du bist Fan des AFC Wim­bledon. Wenn du künftig bei einem Heim­spiel, sagen wir, in der 16. Spiel­mi­nute uri­nieren musst, suchst du ein­fach den nächsten Toi­let­ten­raum auf und benutzt das 4. Pis­soir von links – das, auf dem dein Name steht. Geht nicht? Ab 2020 geht fast alles beim tra­di­ti­ons­rei­chen Fuß­ball­klub aus der Lon­doner Tennis-Hoch­burg. Selbst das kom­plette Sta­dion des AFC Wim­bledon, das pünkt­lich zur Saison 2020/21 fertig sein soll, könnte bald den Namen eines x‑beliebigen Fans tragen. James Smith Sta­dium zum Bei­spiel. Oder John Baker Sta­dium. Egal.

Stell dir vor, du gehst mit deiner Familie oder deinen Freunden die Plough Lane ent­lang und steu­erst auf dein eigenes Sta­dion zu“, wirbt Klub­chef Joe Palmer in der Sun“ für das neue, durchaus spek­ta­ku­läre Crowd­fun­ding-Pro­jekt des AFC Wim­bledon. Und das funk­tio­niert so: Jeder, der einen 10 Pfund (11 Euro) teuren Anteils­schein am Sta­dion erwirbt, kann seinen Namen irgendwo in der Spiel­stätte ver­ewigen lassen. Am Ende wan­dern alle Anteils­scheine in einen großen Los­topf, aus dem dann einige Glück­liche gezogen werden, die der kom­pletten Arena ihren Namen ver­leihen dürfen – für jeweils ein Heim­spiel. 

Wach­be­cken, Tor­pfosten, Pis­soir – Mög­lich­keiten gibt es genü­gend, Inter­es­senten auch

Ansonsten können inter­es­sierte Wim­bledon-Anhänger ihren Namenszug in so ziem­lich jedem nur denk­baren Winkel des 9.000-Zuschauer-Stzadions auf­malen lassen: auf einem Hand­wasch­be­cken in der Damen-Toi­lette, an einer der vier Eck­fahnen-Stangen, auf einem Tor­pfosten, unter der Latte, an einem Dreh­kreuz im Ein­gangs­be­reich, auf einem Bier-Zapf­hahn im VIP-Raum. Oder eben am Rand eines wun­der­schönen Por­zellan-Pis­soirs. Mög­lich­keiten gibt es genü­gend, Inter­es­senten wohl auch.

Der AFC Wim­bledon ist schließ­lich nicht irgendein Verein. Der heu­tige Dritt­li­gist wurde 2002 von Fans des FC Wim­bledon gegründet, nachdem dieser seinen Umzug von London in die Pro­vinz­stadt Milton Keynes ange­kün­digt hatte. In Wim­bledon selbst war der Klub schon damals nicht mehr zu Hause. 1991 hatte man das alt­ehr­wür­dige Sta­dion an der Plough Lane ver­lassen, weil es den immer stren­geren Sicher­heits­stan­dards in Eng­land nicht mehr genügte. Bis zu seinem end­gül­tigen Weg­gang aus London (2004) trug der FC Wim­bledon seine Heim­spiele im Sel­hurst Park von Crystal Palace aus, dann änderte Eigen­tümer Pete Win­kelman den Namens des Ver­eins (aktuell eben­falls 3. Liga) in Milton Keynes Dons“.

Die meisten Alt-Anhänger aber folgen schon seit 2002 dem neuen AFC Wim­bledon, der sich bald im Lon­doner Stadt­teil King­ston upon Thames (unweit von Wim­bledon) ansie­delte. Dort teilt man sich der­zeit ein her­un­ter­ge­kom­menes 5.000-Zuschauer-Stadion mit der Frau­en­mann­schaft des noblen FC Chelsea. Eigent­lich sind die Wom­bles“ in King­ston nur noch geduldet – und können ihren Abschied selbst kaum noch erwarten.

Dann wird Schluss sein mit dem Ver­eins­leben im Exil. Zur Saison 2020/21 kehrt Wim­bledon end­lich zurück nach Wim­bledon, nach 29 unfassbar langen Jahren. Und das Beste daran: Die neue Spiel­stätte des AFC Wim­bledon ent­steht nur einen Stein­wurf vom frü­heren Sta­dion des alten FC Wim­bledon ent­fernt, an der tra­di­ti­ons­rei­chen Plough Lane. Hier lief einst die legen­däre Crazy Gang“ auf. Das eisen­harte Team um Vinnie The Axe“ Jones, John Fas­hanu und Tor­wart Dave Bea­sant gewann 1988 in Wem­bley den FA-Cup – durch ein 1:0 gegen den FC Liver­pool, vor 98.000 Zuschauern.

Das ist ein Fuß­ball­ver­bre­chen, der Verein wurde ent­führt“

Bea­sant, damals Kapitän des FC Wim­bledon, hat den Fortzug seines frü­heren Arbeit­ge­bers bis heute nicht ver­wunden. Der Verein wurde aus seiner Com­mu­nity her­aus­ge­rissen und ent­führt“, schnaubt er. Das ist ein Fuß­ball­ver­bre­chen, das nicht ver­zeihbar ist, ehe Wim­bledon wieder zu Hause ist.“ AFC-Chef­trainer Wally Downes, der selbst von 1979 bis 1988 für den FC Wim­bledon spielte, sieht die Dinge ähn­lich: An die Plough Lane zurück­zu­kehren ist das, was wir uns alle immer her­bei­ge­sehnt haben“, erklärt der 58-Jäh­rige. Es zeigt auch, dass dieser Verein – trotz allem, was er durch­leiden musste – nie­mals den Crazy-Gang-Spirit ver­loren hat.“

Nun gehe es darum, den Fans, die uns bei der Rück­kehr helfen, etwas zurück­zu­geben“, mode­riert Wim­ble­dons Mar­ke­ting­chef Ivor Heller sein Crowd­fun­ding-Pro­jekt. Anders for­mu­liert, geht es darum, den Anhän­gern sehr, sehr viel Geld zu ent­lo­cken. Gut die Hälfte der 13 Mil­lionen Pfund (knapp 15 Mil­lionen Euro) Bau­kosten für das kleine Schmuck­käst­chen soll durch das Name-Bran­ding von Kabi­nen­türen, Klo­schüs­seln, Ball­schränken, Pokal­vi­trinen oder eben Pis­soirs ein­ge­spielt werden. Dafür muss der AFC Wim­bledon rund 700.000 Sta­dion-Anteils­scheine ver­kaufen. Kein Pap­pen­stiel.

Unser Sta­dion soll den Fans gehören“

Chef­coach Downes jeden­falls gibt sich opti­mis­tisch und tönt: Kein anderer Klub hat jemals etwas der­ar­tiges auf die Beine gestellt, ich kann mir vor­stellen, dass wir damit zum Vor­reiter im Fuß­ball­busi­ness werden. Man­chester City hat das Etihad Sta­dium, Arsenal hat das Emi­rates. Wir aber möchten, dass unser Sta­dion den Fans gehört.“ Eines hin­gegen wollen sie auf keinen Fall beim AFC Wim­bledon: jemals wieder ihre Heimat im schönen Lon­doner Süd­westen ver­lassen.