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Kein Jour­na­list hätte das erste Profi-Tor von Declan Rice schöner beschreiben können, als es sein Kapitän Mark Noble kurz nach dem Sieg gegen Arsenal tat. Sie konnten sofort das Glück in seinem Gesicht sehen, wie viel ihm das bedeutet“, sagte er im Inter­view beim Fern­seh­sender Sky. Rice, mit der klas­si­schen Statur eines Defen­siv­spie­lers und einen halben Kopf größer als Noble, stand daneben. Er grinste wie ein kleiner Schul­junge. Ich wäre über­rascht, wenn er heute Nacht schlafen kann“.

Declan Rice, geboren in London und dort zum Profi her­an­ge­wachsen, ist gerade erst 20 Jahre alt geworden und den­noch unver­zichtbar für West Ham. Seit einem Jahr lesen die Fans der Ham­mers in jeder Start­auf­stel­lung den Namen: Declan Rice“. Der iri­sche wie auch der eng­li­sche Fuß­ball­ver­band werben heftig um ihn. Aus gutem Grund.

Auf dem Platz ist Rice nicht dieser leicht beschämte Junge aus der Inter­view­zone nach dem Spiel gegen Arsenal. Steht er auf dem Rasen: starrer Blick, eine akku­rate Kurz­haar­frisur wie ein Helm, sein kan­tiges Kinn geht auf und ab, er redet mit seinen Kol­legen, tippt sich wie­der­holt auf die Brust, als gebe er die Anwei­sungen und nicht sein Kapitän Mark Noble. Rice erobert Bälle, als würde er nicht in seiner zweiten, son­dern in seiner zwölften Saison durch die Pre­mier League grät­schen. Aber Rice ist auch kein Vinnie Jones. Sein Timing in den Zwei­kämpfen ist meist punkt­genau – nur zwei Mal Gelb hat er in 46 Pre­mier-League-Spielen gesehen.

Ein Schütz­ling von John Terry

Und jetzt beginnt er auch noch mit dem Tore­schießen. Arsenal ärgert’s – gerade erst dachten die Gun­ners wieder an die Cham­pions-League-Plätze, schon ver­lieren sie 0:1 gegen den Tabel­len­neunten. Es gibt aller­dings einen Lon­doner Klub, der sich noch mehr über den Treffer von Rice ärgern dürfte: der FC Chelsea.

Den Fehler beging Chelsea an einem Dienstag um drei Uhr nach­mit­tags“. So erin­nert sich Rice im Gespräch mit der Lon­doner Zei­tung The Evening Stan­dard“. Er war damals 14 Jahre alt, spielte in der Jugend der Blues, bis sein Vater Sean zu jenem Zeit­punkt einen Anruf von den Ver­eins­ver­ant­wort­li­chen bekam. Sie sor­tierten mich aus“, sagt Rice weiter. Sofort kamen neue Klubs auf ihn zu. Schon am Abend war ich beim Trai­ning in Fulham.“ Dort pro­bierte er es kurz, der Trai­nings­platz des FC Fulham war nur wenige Minuten von seinem Zuhause ent­fernt. Trotzdem ent­schied sich Rice letzt­end­lich für West Ham United. Die U14 gehörte in der Alters­klasse damals ein­fach zu den besten Teams im Land.“

Hätte es Chelsea nicht besser wissen müssen? Als John Terry von Rices Abgang erfuhr, war der erst einmal baff. Warum sich aus­ge­rechnet Terry, Eng­lands lang­jäh­riger Kapitän und Cham­pions-League-Sieger mit dem FC Chelsea, dafür inter­es­sierte? Er war mit Rice ins Gespräch gekommen, als der mit der Chelsea-Jugend einmal die Gebäude der Profis besuchte. Der Kon­takt hielt über den Wechsel nach West Ham hinaus. Noch heute treffen sich beide hin und wieder zum Früh­stück. Den Rat, den er mir gibt, ist von unbe­schreib­barem Wert“, sagt Rice.

Unter Pel­lig­rini wurde Rice ein anderer Spieler

Am 21.Mai 2017, nicht einmal vier Jahre nachdem sie ihn bei Chelsea weg­ge­schickt hatten, debü­tierte Rice gegen Burnley in der Liga. Sechs Monate später war er Stamm­spieler. Obwohl es bei West Ham genug Stör­ge­räu­sche gab. Trainer Slaven Bilic ent­täuschte zum Sai­son­be­ginn, David Moyes über­nahm und führte die Arbeit mit mäßiger Bilanz fort.

Mitt­ler­weile spielt Rice unter seinem dritten Trainer bei den Profis von West Ham, Manuel Pel­lig­rini. Der sah mehr in Rice als einen Innen­ver­tei­diger, der die hin­terste Kette dicht hält und zog ihn vor ins defen­sive Mit­tel­feld. Dort kann er sich auf die Zehner, Neuner und Sie­bener stürzen, die es wagen, in Rich­tung West-Ham-Straf­raum zu drib­beln. Hat er dann den Ball, ist er zwar kein Künstler wie ein Kevin de Bruyne, doch für seine Größe immer noch erstaun­lich beweg­lich und fähig, mit schönen Pässen, gefähr­liche Angriffe ein­zu­leiten.

So mel­dete sich die eng­li­sche Natio­nal­mann­schaft im ver­gan­genen Herbst. Pro­blem: Rice war seit der Jugend für Irland auf­ge­laufen – seine Groß­el­tern väter­li­cher­seits sind Iren. Sogar für die A‑Mannschaft hatte er da schon gespielt, aller­dings nur in Freund­schafts­par­tien. Ein Ver­bands­wechsel war nach wie mög­lich und Rice sagte dem iri­schen Ver­band für die letzten Län­der­spiele im Jahr 2018 ab – er wolle Bedenk­zeit haben. In Irland nahm man ihm das übel – Stolz und Ehre kochten hoch.

Eng­lands Trainer Gareth South­gate lud Rice extra in den St.Georges Park ein, die Aka­demie des eng­li­schen Ver­bands. Dort erklärte er ihm, wie er mit ihm und seinem Team in Zukunft plane. Aber auch Irlands Chef-Coach Mick McCarthy ver­kün­dete, er habe ein sehr gutes Gespräch mit dem Jungen gehabt. Irlands Natio­nal­team solle zukünftig um Rice herum gebaut werden. Zwei Natio­nal­ver­bände, die sich um einen 20-jäh­rigen Jungen abmühen.

Wer mit Declan Rice ver­han­delt, sollte seinen Vater kennen

Die eng­li­schen Zei­tungen meinen alle paar Wochen, sie wüssten wie sich Rice ent­scheidet. Mal habe er sich für Eng­land ent­schieden und dann ist Irland plötz­lich wieder Favorit. Der iri­sche Ver­band hat ihm bis März eine Dead­line gesetzt.

Wohin es geht, das weiß neben Declan Rice wohl am besten sein Vater Sean. Declan sagt das ganz offen: Ich will immer hören, was er zu sagen hat, egal ob gut oder schlecht, denn ich weiß, er sagt mir immer die Wahr­heit.“ Sein Vater soll wegen seiner iri­schen Wur­zeln pro Irland sein.

Seit Declans Kin­der­tagen steht Sean Rice fast unun­ter­bro­chen an der Sei­ten­linie. Er war kein Schreier, sagt der Sohn. Auf der Heim­fahrt ana­ly­sierten beide dann Declans Leis­tung. Das tun sie heute noch. Dann sitzt der gestan­dene Pre­mier-League-Spieler, die Hoff­nung der irischen/​eng­li­schen Natio­nal­mann­schaft ein­fach da und lauscht wie ein kleiner Junge dem Vater. So ein Ritual hilft wahr­schein­lich auch an Tagen, an denen man sein erstes Profi-Tor schießt, um später ruhig ein­schalfen zu können.