Nach dem 4:0 über Dynamo Dresden steht so gut wie fest: Verdammt, Arminia Bielefeld steigt tatsächlich auf! Am meisten überrascht das die Arminia-Fans.
In Zeiten wie diesen wird es in Familien ja öfter mal etwas lauter, doch es hatte nichts mit den Zumutungen der Corona-Pandemie zu tun, als mein dreijähriger Sohn neulich rief: „Was hat Papa denn? Warum schreit der denn so?“ Grund dafür war vielmehr der späte 2:1‑Siegtreffer von Arminia Bielefeld im Auswärtsspiel bei Holstein Kiel. Und die daraus folgende, fast erschreckende Erkenntnis: Verdammt, wir schaffen das dieses Jahr wirklich.
Als mein Lieblingsverein 2009 zum siebten und vorerst letzten Mal aus der ersten Liga abstieg, sah es bald so aus, als würde es ein Abschied für immer sein. Nicht nur, dass es Arminia schaffte, innerhalb von zwei Jahren in die dritte Liga durchgereicht zu werden und dabei einen monströsen Schuldenberg von annähernd zwanzig Millionen Euro aufzuhäufen. Durch den Aufstieg von Retortenklubs wie Hoffenheim und Leipzig wurden die Planstellen für Fahrstuhlvereine wie uns außerdem weiter verknappt, von ekelhaft konstanten Erstliga-Strebern wie Mainz und Augsburg ganz abgesehen.
In den letzten zehn Jahren habe ich viele Nerven im Auf- oder Abstiegskampf gelassen, aber nichts davon hatte mit der ersten Liga zu tun. Es schien, als hätte mein Klub den vermaledeiten Paternoster einfach eine Klasse tiefer bestiegen. Ich erinnere mich an das entsetzliche Relegations-Drama gegen Darmstadt 98, als Arminia das Hinspiel mit 3:1 (auswärts!) gewann, um dann im Rückspiel durch einen Sonntagsschuss in der letzten Minute der Verlängerung doch noch zu scheitern. Und an den prompten Wiederaufstieg, als die Mannschaft im letzten Heimspiel gegen die bereits als Absteiger feststehenden Regensburger plötzlich mit 1:2 zurücklag, worauf sich mein kleiner Neffe (wir waren auf Verwandtenbesuch) von meinem Verhalten bedroht fühlte. Vielleicht gründet er später mit meinem Sohn eine Selbsthilfe-Gruppe.
Ich erinnere mich an den Zweitliga-Abstiegskampf 2017. An die fast hoffnungslose Tabellensituation, als ein bis dato unbekannter Luxemburger namens Jeff Saibene das Team übernahm. An ein aberwitziges 6:0 gegen den damaligen Aufstiegskandidaten Eintracht Braunschweig – wovon sich dieser Klub bis zum heutigen Tag nicht erholt hat. Natürlich hätte es uns danach trotzdem beinahe noch erwischt. Am letzten Spieltag wieder Familienbesuch, diesmal bei meinen Eltern. Keine bewegten Bilder, bloß der Liveticker auf dem Smartphone. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus, verließ die Kaffeetafel, irrte durch die Straßen meiner Kindheit und fasste den Liveticker nicht mehr an, bis mich eine SMS des Kollegen Hesse erlöste: Gratulation zum Klassenerhalt. Danke, Uli!
Man merkt, es ließen sich ganze Bücher mit diesen letzten zehn Jahren füllen. Nur würde die erste Liga oder auch nur die Aussicht darauf darin keine Rolle spielen. Und es sprach – siehe oben – wenig dafür, dass sich daran irgendwann noch mal etwas ändern würde.