Der torgefährlichste Ibrahimović aller Zeiten? Natürlich, Sanel Ibrahimović aus Luxemburg. Ein Gespräch über eine faszinierende Torquote, fragwürdige Saisonziele und die Vorteile seines Nachnamens.
Sanel Ibrahimovic, dürfen wir Sie „Ibrakadabra“ nennen?
(Lacht.) Bitte nicht. Einfach Sanel, das wäre mir lieber.
Haben Sie keine anderen Spitznamen?
„Ibra“ bekam ich schon des Öfteren zu hören, aber das ergibt sich auch einfach aus meinem Nachnamen und rutscht einem schneller mal über die Lippen. Was sich aber überall durchgesetzt hat, ist „Brate“, weil ich einfach alle meine Freunde so nennen. Aber das ist weniger ein Spitzname als einfach die bosnische Bezeichnung für „Bruder“.
Sie haben 134 Tore in 219 Spielen in der luxemburgischen BGL-Ligue erzielt, das ist eine bessere Torquote als die ihres Namensvettern Zlatan. Macht Sie das stolz?
Genau genommen ist das eher schlecht, denn nach meinen ersten drei Spielzeiten hatte ich eine Quote von fast einem Tor pro Spiel. Im Ernst, ich habe mich noch nie damit beschäftigt, aber nach meiner Karriere ist es bestimmt schön, darauf zurückzublicken. Und wenn ich jetzt mal realistisch bin, Zlatan hatte dann doch die etwas besseren Gegner.
Die Torquote würde es jedenfalls vermuten lassen: Sind Sie mit Zlatan verwandt?
Nein, nicht dass ich wüsste. Ibrahimovic ist ein gängiger Name in Bosnien. Zwar nicht so wie Müller in Deutschland, aber doch verbreitet.
Wann haben Sie zum erste Mal mitbekommen, dass Zlatan existiert?
Da war ich noch ein Teenager und habe in Bosnien gelebt. Er stand bei Ajax Amsterdam unter Vertrag. Als er im Ajax-Trikot die gesamte Abwehrreihe von Breda schwindelig spielte und souverän verwandelte, da war mir klar: Der Kerl kann was!
Sind Sie Fan von Zlatan oder nervt es, dass Sie den Namen teilen?
Ich ziehe schon den Hut vor dem Kerl. Was der mit fast 40 Jahren noch aufs Parkett zaubert, das ist einzigartig. Aber ehrlich gesagt, hat mich das ganze Thema nie so berührt. Ich spiele mittlerweile seit 13 Jahren in Luxemburg auf hohem Niveau und jeder weiß, dass ich Tore erzielen kann. Es sind nur eigentlich Spieler aus dem Ausland, die es wundert, wenn sie meinen Namen hören. Aber in Luxemburg ist das Thema durch. Abgesehen davon, dass mich die Leute Ibra nennen – weil das halt mein Name ist.
„Als die Polizistin meinen Pass in der Hand hielt, fiel ihr die Kinnlade runter“
Haben Sie Ihren Namen jemals genutzt, um Vorteile zu ergattern? Im Club? In einer Bar? Beim Türsteher? Nach dem Motto „Ich bin’s Ibrahimovic. Und jetzt lass mich rein, bevor ich Ärger mache“.
(Lacht.) Nein, nicht in dem Kontext, aber an der bosnischen Grenze.
Wie bitte?
Nach meiner ersten Saison in Luxemburg, habe ich über die Sommerpause meine Familie in Bosnien besucht. Damals gab es noch mehr Grenzkontrollen und auf dem Heimweg wurde ich angehalten und musste mich ausweisen. Als die Polizistin meinen Pass in der Hand hielt, fiel ihr die Kinnlade runter. Sie fragte mich, ob ich Ibrahimovic, der Fußballer sei. Ich bejahte, denn streng genommen, habe ich ja nicht gelogen. Ich musste nur ein Autogramm für ihren Freund schreiben, was ich gönnerhaft tat. Nie wieder kam ich so schnell durch eine Grenzkontrolle.
Zlatan ist für seine Vielzahl an Traumtoren bekannt, wie schaut das bei Ihnen aus? Sind Sie ebenfalls ein Akrobat oder eher ein klassischer Stürmer?
Ich habe den Vorteil, dass bei uns nicht jedes Spiel gefilmt wird. Also könnte ich hier ja sagen, was ich will. (Lacht.) Bei den 134 Toren waren schon ein paar schöne Treffer dabei. Ich kann mich an mindestens vier Tore erinnern, die ich vom Mittelkreis erzielt habe, einige Male habe ich den Torwart überspielt und ein bis zwei Fallrückzieher waren auch dabei. Genauso wie Zlatan schieße ich die Tore eben so, wie sie gerade kommen. Und ich lauere gerne.
Gibt es eines, das Sie herausheben würden?
Eines von den Distanztoren war im luxemburgischen Pokalfinale gegen Fola Esch, das war schon das höchste der Gefühle. In einem Finale so ein Tor zu erzielen, das vergesse ich so schnell nicht.
Um solche Tore zu erzielen, muss man schon ganz schön kaltschnäuzig sein.
Ja, das kann man so sagen. Ich mache es so: Im Spiel schaue ich mir permanent die Position des Torhüters an, und wenn er öfters weit vorm Tor steht, probiere ich es gerne aus der Distanz, mindestens ein Mal pro Spiel. Ich finde, wenn sie mir solche Geschenke machen, sollte ich die auch annehmen.