Der Aufstieg von Union Berlin war ein großes, mitreißendes Fußballdrama. Mit einer magischen 77. Minute, in der die Angst für einen kurzen Augenblick der Heiterkeit wich.
Was für eine schöne Legende, die den realen Fußballprofi Mattuschka überlebte, der inzwischen in den Ruhestand gegangen war. Doch nun war die Zeit gekommen, diese Legende wieder zu erwecken. Das jedenfalls entschieden die Gepeinigten, Gestressten und Verzagenden auf den Rängen der Alten Försterei. Sie sangen also über diesen Mattuschka, der den Ball reinhaut für den Verein, obwohl der nicht einmal im Stadion war, sondern irgendwo im Urlaub.
Es machte auch nichts, dass Robert Zulj, sein Vertreter auf Erden, den Freistoß in die Mauer knallte und nicht ins Tor. Für einen Moment fühlten sich alle ganz heiter und leicht, eingekuschelt in die Geschichte ihres geliebten Vereins. Zumindest in dieser 77. Minute.
Im Fußball passiert verblüffend selten etwas zum ersten Mal
Bekanntermaßen durften sie am Ende jubeln, erschöpft und beseelt, die Unioner. Aber warum eigentlich waren sie in Köpenick hysterischer, durchgedrehter, entnervter und schließlich glücklicher als man das in den letzten Jahren irgendwo anders in Deutschland hatte erleben können? Die Frage beantwortet sich, wenn man auf einige andere Partys der letzten Saison schaut. Der FC Bayern wurde Deutscher Meister und freute sich ganz dolle. Aber den Titel holte der Rekordmeister auch in den vorangegangenen sechs Jahren und insgesamt schon 29 Mal. Der FC Bayern gewann den DFB-Pokal und hatte eine schöne Siegesfeier, aber es war bereits die 19. nach einem Pokalsieg. Auch in Köln wissen sie zu feiern, und natürlich wurde die Rückkehr des 1.FC Kölns in die Bundesliga hemmungslos bejubelt – zum siebten Mal.
Man könnte die Ligen und die Jubelfeiern durchgehen, auch international. Man würde dann feststellen: Es passiert im Fußball verblüffend selten etwas zum ersten Mal. Angebliche Bundesliga-Neulinge sind keine echten Novizen, sondern meistens früher schon mal erstklassig gewesen. Viele Meister waren das genauso schon mal wie die meisten Pokalsieger. Aber Union war noch nie aufgestiegen in die erste Liga und wird es auch nie mehr wieder zum ersten Mal tun können. So schön wird es also nicht mehr werden, außer sie lösen die Versprechung aus einem ihrer Lieblingspsalmen ein: „Wir werden alles zerlegen, bis wir Deutscher Meister sind.“