Der HSV kassiert einen Shitstorm, weil er angeblich eine Flüchtlingsunterkunft verhindert. Aber was genau ist eigentlich passiert?
Wenn man trotz aller Keinohrhasen-Verbrechen plötzlich uneingeschränkt mit Til Schweiger sympathisiert, muss irgendetwas im Land im Argen liegen. „Oh Mann- ich habs befürchtet!! Ihr seid zum Kotzen! Wirklich! Verpisst Euch von meiner Seite, empathieloses Pack! Mir wird schlecht!!!“, ätzte der Schauspieler am Samstag auf seiner Facebookseite. Gemeint waren damit die erschreckend zahlreichen seiner Fans, die unter einen Link Schweigers zu einer Flüchtlings-Spendenaktion in Hamburg mit rassistischen und menschenverachtenden Kommentaren geantwortet hatten. Freital ist derzeit eben überall, vor allem auch bei Facebook.
Fast zeitgleich erfasste die „Flüchtlingsproblematik“, die in den meisten Fällen viel eher eine Rassistenproblematik ist, auch den Hamburger SV. „HSV verhindert größeres Zeltlager für Flüchtlinge“, titelte das „Hamburger Abendblatt“ am Samstag und teaste bei Facebook dazu: „Auf einem Parkplatz unweit des Volksparkstadions sollten weitere Flüchtlinge untergebracht werden. Der Verein stoppte das Vorhaben.“
Der HSV, ein Klub der Asylgegner?
Binnen Minuten brach ein Shitstorm los, diesmal von der anderen Seite. Man müsse sich für den HSV schämen, wenn ein Parkplatz wichtiger sei als bitter nötige Unterkünfte für Bedürftige, so der Tenor des Aufschreis, der den Dino mit voller Wucht erfasste. Die Reaktion von Leuten, die Geflüchtete und Vertriebene als „Zeckenzüchter“ sehen und sich auch nicht scheuen, das unter Klarnamen und mit Bild im Social Web kundzutun, folgte auf dem Fuße.
Was im allgemeinen Facebook-Kommentarspalten-Müll unterging, war die Frage danach, was eigentlich überhaupt passiert war. Der HSV, ein Klub der Asylgegner? Mitnichten. Bereits vor einigen Monaten hatte der Bezirk Altona eine Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge auf einem vom HSV gepachteten Parkplatz nahe des Stadions eingerichtet – auf Initiative des Klubs. Etwa 1300 Flüchtlinge sind dort untergebracht, auf einer Fläche, die 300 von insgesamt 1500 Parkplätzen entspricht. Als der Bezirk diese nun ohne Absprache erweiterte, antwortete der Verein mit einer Unterlassunsgsanordung. „Die Lösung kann nicht sein, uns zu enteignen“, sagte HSV Mediendirektor Jörn Wolf dem „Abendblatt“ im selben Artikel. „Verkehrstechnisch würden große Probleme entstehen, wenn weitere Parkfläche verloren gingen.“
Da aber war der Stein bereits ins Rollen gelangt und der Ton derart rau, dass sich der HSV zu einer Stellungnahme genötigt sah. „Diese Darstellung verletzt grob die Haltung, die Werte und die soziale Verantwortung unseres Clubs“, wurde dort der Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer zitiert. Die Frage sei nicht, ob weitere Flächen zur Verfügung gestellt werden, sondern wo, und wie „die Ausweitung der Unterkünfte bestmöglich mit dem Spielbetrieb des HSV in Einklang“ gebracht werden könne.
Mit „dieser Darstellung“ dürfte die irreführend verknappte Anmoderation des Artikels bei Facebook gemeint sein, auf die viele der Shitstormer ansprangen, ohne den Text zu lesen, in dem die Kompromissbemühungen des Klubs durchaus erwähnt wurden. Als der HSV die Erklärung bei Facebook teilte, dauerte es freilich wieder nur Sekunden, bis sich die ersten Minderbemittelten zu Hass-Kommentaren hinreißen ließen.
„Willkommenskultur und konstruktiver Umgang mit Geflüchteten“
Der HSV ist also nicht im geringsten ein Asylgegner, viel eher ist der Verein um den Dialog bemüht und trifft sich am Donnerstag mit Innenbehörde und Bezirksamt, um an einer Lösung zu arbeiten. Zudem verwies der HSV auf die „Willkommenskultur“, zu der der Klub, auch durch Aktionen wie Kartenkontingente für Flüchtlinge bei Heimspielen, beitragen wolle. Darstellungen wie jene im „Abendblatt“ seien daher „nicht nur zu unserem eigenen Schaden sondern wirken vor allem einem guten konstruktiven Umgang in der gesamten Gesellschaft mit den Geflüchteten, die in unser Land kommen, entgegen. Dies werden wir nicht zulassen“.
Mit einer „Willkommenskultur“ ist es in den Facebook-Kommentarspalten derweil nicht weit her, die Flüchtlings‑, bzw. Rassistenproblematik ist auch die Problematik eines digitalen Stammtisches. Dem HSV – und auch Til Schweiger – muss man dankbar sein, dass sie sich für Flüchtlinge engagieren und klar Position bekennen in einer Debatte, die in den Sozialen Medien leider von unterbelichteten Arschgeigen mit Schaum vorm Mund dominiert wird. Das, liebe Asylgegner, wird man ja wohl noch sagen dürfen.