Im Frühjahr 2022 wollten wir zum Tag der Talente an die erinnern, denen zwar eine große Karriere prophezeit worden war – die aber irgendwann falsch abgebogen sind. Vorhang auf für unsere 20 Lieblingstalente.
Es ist 2009, im Radio läuft Polarkreis 18 und auf dem FIFA-Cover sind Ronaldinho und Kevin Kuranyi zu sehen. Gerade wurde Energie Cottbus im Karrieremodus zurück in die Bundesliga gehievt. Um weiter anzugreifen, vielleicht auch Richtung Europa schielen zu können, schauen wir doch mal, was sich so auf dem Transfermarkt herumtreibt. Da Cottbus endliche Finanzmittel hat, wird der Suchfilter auf junge, talentierte Spieler gesetzt. Dieser Yoann Gourcuff von Bordeaux scheint Potential zu haben, ist aber wahrscheinlich schon eine Nummer zu groß für Cottbus. Stuttgarts Manuel Fischer hingegen könnte in die Mannschaft passen. Oder vielleicht gelingt der Coup und Kevin Pannewitz kann von Hansa Rostock losgeeist werden?
Wie falsch diese Prognosen, wie falsch die Annahme, sie könnten es zu großen Spieler schaffen. Diese Sammlung zeigt gescheitertes Fußballfachwissen und gescheiterte Talente zugleich. Fußballgott hab sie selig.
Samed Yesil ging mit elf Jahren zu Bayer Leverkusen. Und schon falsch abgebogen, mögen böse Zungen behaupten. Jedenfalls zerschoss er sieben Jahre lang am Rhein die Netze, gewann 2011 bei der U17-WM den Silbernen Schuh, ehe Liverpool auf der Matte stand. 2012 wechselte Yesil mit 18 Jahren aus der BayArena nach Anfield. Da warteten Luis Suarez, Raheem Sterling und Steven Gerrard auf ihn. Sechs Monate später riss sein Kreuzband. Long Story short, heute kickt er bei Ankara Demir in der 2. Türkischen Liga. Ahh, nee, ich bekomme gerade rein, der spielt da schon gar nicht mehr. Er steht mittlerweile bei DJK Teutonia St. Tönis unter Vertrag. Ja wir schwören Stein und Bein auf die Oberliga Niederrhein!
2009 war der Fußballfachkreis sich einig, dass Alexandre Pato mal ein Weltstar sein wird. Die Grundlage dieses Glaubens: FIFA 09. Pato, beim AC Mailand unter Vertrag, war das vielversprechendste Talent im Spiel. In der Realität ist er irgendwann abgeschmiert und zurück nach Brasilien gegangen. Der FC Chelsea und FC Villareal haben es dann noch einmal mit ihm versucht, aber den Erwartungen wurde er nicht mehr gerecht. In Chinas Super League war er dann irgendwann zu gut für den Rest, sodass er über den FC Sao Paolo nach Orlando in die MLS ging. Rentnerliga. Gut bezahlt. Würden wir genauso machen.
Der kosovarisch-deutsche Stürmer hatte seinen ersten Karriereknick wahrscheinlich irgendwann mit sieben. Denn es hat nichts so richtig geklappt im Fußballerleben des Donis Avdijaj. Ausgestattet mit sagenhaftem Talent ist er in der Knappenschmiede ausgebildet worden. Seitdem schwebt er ein bisschen durch die Fußballsphäre, unter anderem mit Ausflügen zu Heart of Midlothian und nach Limassol. Großartig sein Interview im Vereinsfernsehen bei Sturm Graz: Was Avdijaj mit 15 Millionen Euro machen würde? „Öh, mir so ein Schwimmbad bauen und dann so in Geld schwimmen. Und am Rand da stehen so Pferde, die mir so dabei zugucken.“ Öh, na dann, hau weiter so rein, vielleicht, öh, wird das ja so noch was.
Er galt als große Hoffnung des englischen Fußballs. Mit neun Jahren schloss Jack Wilshere sich dem FC Arsenal an, zehn Jahre später mit 19 machte er in der Champions League gegen den FC Barcelona das Spiel seines Lebens und wurde am Ende der Saison Englands Nachwuchsspieler des Jahres. Ein paar Kneipenschlägereien und etliche Verletzungen später ist Wilshere heute in Dänemark angekommen, bei Aarhus GF.
Für Spieler wie Peniel Mlapa wurde das Etikett des „ewigen Talents“ irgendwann einmal ins Leben gerufen. Aus der Schmiede der Sechziger ging es zur TSG Hoffenheim, von da über Borussia Mönchengladbach, den FC Nürnberg , VfL Bochum und Dynamo Dresden zur Venlose Voetbal Vereinigung Venlo. Der Tiefpunkt? Nein, seit 2019 spielt er für Al-Ittihad Kalba in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Verein hat nicht mal einen Wikipedia-Eintrag.
Hachim Mastour war dieses Wunderkind, das mit 15 Jahren schon beim AC Mailand in der Ersten mittrainiert hat. Alles, was man in der Folge von ihm sehen konnte, waren YouTube-Skill-Compilations aus dem Training. Für Milans Profis hat er nie gespielt. Heute verteilt der 23-Jährige Bingos in der Serie C beim FC Carpi. Around the World kann er auch noch!
Kevin Pannewitz ernährt sich vegan und spielt in der 9. Liga, das war der letzte große Aufschrei, für den der Berliner gesorgt hat. Einst galt er als großes Talent, nur war ihm der Fußball nie so wichtig wie das Leben drumherum. Alkohol, schlechte Ernährung, Disziplinlosigkeit: So recht schien Pannewitz nicht in das Geschäft zu passen. Zu Peak-Zeiten soll er fast 140 Kilogramm gewogen haben. Und so liest sich sein Karriereweg ein wenig traurig, nachdem er 2013 beim VfL Wolfsburg gescheitert war: Goslarer SC, VSG Altglienicke, Oranienburger FC, Carl Zeiss Jena, SC Siemensstadt, FC Amed Berlin. Irgendwie aber auch geil.
Als einer der sieben Jungs vom FC Neckarau, die 2007 zur TSG Hoffenheim wechselten, war ihm der Weg in den Profifußball vorbestimmt. Er gab sein Bundesligadebüt und heimste die Fritz-Walter-Medaille 2009 ein. Doch irgendwie bekam seine Karriere einen Turn. Ab der Saison 2010/11 gehörte Terrazzino nicht mehr zum Bundesligakader und wechselte in die 2. Liga zum Karlsruher SC. Er tingelte zwischen 1. und 2. Bundesliga herum, im bekannten Drei-Vereine-Eck Freiburg Dresden Paderborn. Mittlerweile in Polen bei Lechia Gdansk.
2014 luchste Bayern München den Gladbachern mal wieder ein Toptalent ab: Sinan Kurt. Es entfachte ein Streit mit Max Eberl, denn der glaubte, ihm würde ein Jahrhunderttalent genommen. In vier Jahren Bundesliga für Bayern und später für Hertha BSC reichte es für Kurt zu 48 Minuten. Erwartungen, Druck, ein dekadenter Lebensstil – sein Scheitern ist vielseitig begründet. „Sinan hat das Problem, dass ihm in der Jugend schon alle gesagt haben, was für ein super Spieler er ist“, sagte Matthias Sammer mal über ihn. Kurz heuerte er bei WSG Wattens in Österreich an. Mittlerweile spielt er in der 3. slowakischen Liga.
Wenn dein Vater Fan von Keith Richards und Jim Morrison ist, kann so etwas schon mal passieren. Kein Witz, daher entstammt der Name Keirrison. 2009 verpflichtete der FC Barcelona Zlatan Ibrahimovic. Im Schatten des Megatransfers kauften sie obendrein eben diesen Keirrison vom FC Santos. Wunderdinge hatte man über den 20-jährigen Brasilianer gehört. 14 Millionen Euro war er den Verantwortlichen wert. Am Ende machte er nicht ein Spiel für Barca, sondern kehrte ziemlich schnell zurück nach Brasilien.
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Moritz Leitner – eine Karriere auf der Ersatzbank. Wechselte hochtalentiert 2011 von 1860 München zum BVB in die 1. Bundesliga. Kam dort fast ausschließlich von der Bank, ohne sich jemals zu beschweren. Chapeau! Ähnliches Schicksal ereilte ihm beim FC Augsburg, VfB Stuttgart, Lazio Rom und Norwich City. Spielt heute in Zürich. Schick da.
Laszlo Bölöni verhalf Gourcuff als 17-Jähriger zu seinem Profidebüt für Stade Rennes. Bölöni, der später bei Sporting Lissabon an der Seitenlinie stand und Cristiano Ronaldo groß werden sah, sagte mal über ihn: „So wie ich es damals bei Cristiano wusste, dass er ein Großer werden würde, war ich mir bei Yoann sicher.“ Die französische Zeitung „L’Equipe“ nannte ihn gar den Nachfolger von Zinedine Zidane. Doch es kam anders für Yoann Gourcuff. Beim AC Mailand scheiterte er an Kaka und Seedorf, bei Giroudon Bordeaux gelang ihm zunächst der Durchbruch, dann folgte der Wechsel zu Olympique Lyon. Immer wieder verletzte er sich schwer, in fünf Jahren fiel er fast 700 Tage aus. Nach einer Rückkehr zu Stade Rennes landete er bei FCO Dijon. In dieser Sekunde sitzt Gourcuff vermutlich als Privater mit einem frechen Franzosen im Campingstuhl in den Bergen.
Den 12. Dezember 2007 wird Manuel Fischer nicht vergessen haben. Damals gab er sein Profidebüt für den VfB Stuttgart. Im Camp Nou. Ein Jahr zuvor war er bei der U17-Europameisterschaft Torschützenkönig geworden. Mit je fünf Treffern mussten sich Fischer, Bojan Krkic und Tomas Necid die Torjägerkrone teilen. Sein früherer A‑Jugend-Trainer Hansi Kleitsch sagte damals: „So einen Knipser habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Gerd Müller war der letzte.“ Und da allseits bekannt ist, dass solche Vergleiche nie hilfreich sind, geriet Manuel Fischer in einen immer tieferen Strudel. Irgendwer sollte A‑Jugend-Trainern mal sagen, dass sie damit aufhören sollen, ihre Kids mit den größten Weltstars des Fußballs zu vergleichen. Fischer spielt mittlerweile nur noch Futsal in Stuttgart. Das Camp Nou hat er trotzdem gesehen.
2009 musste sich Reinhold Yabo nur Mario Götze geschlagen geben, der die Fritz-Walter-Medaille in Gold erhielt. Auf Platz 3 verdrängte er Marc-Andre ter Stegen. Europas Elite buhlte daraufhin um den damals 17-Jährigen. Yabo aber blieb beim FC Köln. Und wurde zunächst von Volker Finke und dann von Holger Stanislawski aussortiert. Nach fünf Spielzeiten bei RB Salzburg ging er zu Arminia Bielefeld, schaffte den Aufstieg und schoss Anfang letzten Jahres sein erstes Bundesligator. Im Sommer beendete er mit 29 Jahren seine Karriere.
Irgendwie schade um Thomas Eisfeld. Ihm war eine geile Karriere prophezeit worden. Bei Borussia Dortmund ausgebildet, ist er früh zum FC Arsenal gegangen, Arsene Wenger soll große Stücke auf ihn gehalten haben. Durchsetzen konnte er sich in der Premier League aber nicht, stattdessen wechselte er zum FC Fulham in die Championship und nach nur einem Jahr von Englands Zweiter in Deutschland Zweite. Zunächst Bochum, jetzt Essen. Guten!
Muss eine aufregende Zeit gewesen sein 2008. Damals wechselte Merkel als 16-Jähriger vom VfB Stuttgart zum AC Mailand. Als er 2010 sein Debüt für die Rossoneri gab, standen Spieler wie Clarence Seedorf, Ronaldinho, David Beckham und Zlatan Ibrahimovic im Kader. Die Mannschaft war zu stark für ihn, sodass er nach vier Jahren zum CFC Genua verkauft wurde. Was dann folgte, liest sich wie eine Interrail-Tour: Merkel machte Station bei Udinese Calcio, FC Watford, Grashopper Zürich, AC Pisa, VfL Bochum, bei FC Admira Wacker Mödling in Österreich und in den Niederlanden bei Heracles Almelo. Zurzeit spielt er in der Türkei für Gaziantep FK. Mal sehen, wie lange noch.
So ganz passt Hatem Ben Arfa nicht in diese Liste. Wirklich gescheitert ist er nämlich nicht. Er kommt bei Olympique Lyon, Olympique Marseille, Newcastle United, Hull City, OGC Nizza, Paris Saint-Germain, Stade Rennes und Real Valladolid auf 18 Titel und 297 Spiele, dazu hat er 15 Länderspiele für Frankreich absolviert. Ein Samed Yesil kann davon nur träumen. Aber Ben Arfa wurde mehr prophezeit, er sollte mit den anderen beiden Bad Boys Karim Benzema und Samir Nasri eine goldene Generation bilden. Stattdessen fielen alle drei irgendwann in Ungnade. Zur goldenen französischen Generation wurde die danach, um Pogba, Griezmann und Varane. Zu viele Partys, zu viele Skandale, zu wenig Disziplin. Seit dieser Saison spielt Ben Arfa für OSC Lille.
Mit 19 Jahren wechselte Jan Moravek von Bohemians Prag zum FC Schalke. Es hieß, er sei eines der größten Talente im tschechischen Fußball. Der neue Rosicky, sagten sie in der Heimat. Im Pott kam er nie wirklich an, landete über FC Kaiserslautern beim FC Augsburg. Verpasste seither knapp 486 Spiele verletzungsbedingt. Und ja, eben geschaut, er spielt dort immer noch.
Grenier dürfte vielleicht einigen hartgesottenen FIFA-Suchtis ein Begriff sein. Obwohl er ziemlich unbekannt war, verlieh ihm EA Sport schon sehr früh ein Game Face. Ein absoluter Geheimtipp im Karrieremodus. Mit 18 schaffte er den Sprung ins Profiteam von Olympique Lyon, ihm wurde auch im echten Leben viel Potenzial bescheinigt. Bis 2018 hat Grenier bei Lyon gespielt und alle Jugendauswahlen der Nationalmannschaft durchgespielt. Mittlerweile zockt er für RCD Mallorca und es ist sehr, sehr still um ihn geworden.
Sean Dundee, das „Tor-Krokodil“, wechselte 1995 zum Karlsruher SC. Der gebürtige Südafrikaner schlug voll ein. Und weil zu dieser Zeit ein Stürmermangel in der deutschen Nationalelf herrschte, erhielt Dundee in einem einzigartigen Einbürgerungsverfahren die deutsche Staatsbürgerschaft. Um dann nie ein Spiel für die DFB-Auswahl zu machen. Zahlreiche Verletzungen bremsten Dundee immer wieder aus. Er spielte noch für den FC Liverpool, VfB Stuttgart, Austria Wien, kehrte noch einmal zum KSC zurück und beendete 2009 in seiner Heimatstadt Durban seine Karriere. Heute betreibt er eine Fußballschule in Karlsruhe.
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