Sieben Jahre stand Wolfgang Hesl beim HSV unter Vertrag, konnte sich aber nicht durchsetzen. Im Relegations-Hinspiel trieb er seinen Ex-Klub zur Verzweiflung. Nun will er im Rückspiel mit Greuther Fürth den Aufstieg klarmachen.
Die Szene war bezeichnend für das ganze Spiel. In der 32. Minute des Relegations-Hinspiels zwischen dem Hamburger SV und der SpVgg Greuther Fürth bekam Gästekeeper Wolfgang Hesl den Ball zurückgespielt. Pierre-Michel Lasogga roch den Braten und stürmte auf den Tormann zu. Hesl überlegte kurz und ließ den anstürmenden Gegner dann mit einem kleinen Kabinettstückchen ins Leere laufen. Eine gewagte Aktion in einem wichtigen Relegationsspiel beim Stand von 0:0. Hesl, der mitspielende Torwart meisterte sie dennoch.
Es war nicht die einzige Szene, in der er die Spieler des HSV zur Verzweiflung trieb. Auch andere gute Chancen, wie einen Kopfball und einen Schuss von Lasogga aus spitzem Winkel parierte der Schlussmann souverän. In den Einzelkritiken diverser Medien nach dem Spiel wurde Hesl für sein „aufmerksames Spiel“ oder seine „tolle Strafraumbeherrschung“ gefeiert. Von Lob wollte der Kapitän der „Kleeblätter“ nach dem Spiel allerdings wenig hören. „Wir haben ein richtig geiles Spiel gemacht“, sagte er zwar, mahnte aber sogleich an, seine Mannschaft müsse im Rückspiel nachlegen.
HSV statt Bayern München
Vielleicht käme beim angepeilten Aufstieg für den Fürther Kapitän sogar eine Prise Genugtuung hinzu. Denn er hat ein ganz spezielles Verhältnis zum HSV. Mit 18 Jahren verließ Hesl, der bis zur B‑Jugend noch als linker Verteidiger auflief, seinen Heimatverein, den FC Amberg. Mehrere Bundesligisten hatten ein Auge auf den talentierten Torwart des oberpfälzischen Klubs geworfen. Sogar der große FC Bayern hatte ihm einen Vertrag angeboten, Hesl entschied sich aber für einen Wechsel zum Hamburger SV.
Die Verantwortlichen des Bundesliga-Dinos lockten ihn mit der Aussicht, zunächst noch ein Jahr in der U19 zu spielen, um anschließend zu den Profis aufzusteigen. Die Karriere lief vielversprechend an. Noch als Jugendlicher absolvierte er erste Einsätze für die zweite Mannschaft, wurde in der Saison 2005/06 sogar Stammtorhüter und rückte ein Jahr später zu den Profis auf.
Trainer Thomas Doll setzte aber auf Sascha Kirschstein und Stefan Wächter, Hesl blieben nur weitere Einsätze im Reserveteam. „Der ganz große Sprung wurde mir verwehrt“, sagt er heute im Rückblick. In einem Interview mit der Hamburger Morgenpost kritisierte er im letzten Jahr: „In Hamburg haben es nur sehr wenige junge Spieler geschafft. Ich hatte einfach keine Lobby.“
Dass man ihn sieben Jahre faktisch ignorierte und ihm keine Chance gab, sich als erster Torwart zu beweisen, nagt noch heute an seinem Selbstbewusstsein. Denn dass er sein Handwerk durchaus beherrscht, bewies er 2010. Aufgrund mangelnder Perspektive ließ er sich aus Hamburg zum SV Ried nach Österreich ausleihen und sicherte dem Klub mit starken Leistungen die Herbstmeisterschaft und den Pokalsieg.
Beim HSV schien das kaum jemand wahrzunehmen. Denn auch nach der Rückkehr blieb ihm die Chance, sich in Hamburg zu beweisen, verwehrt. Also zog Hesl einen Schlussstrich unter das Kapitel HSV und heuerte nach einem kurzen Intermezzo bei Dynamo Dresden 2012 in Fürth an. „Letztlich habe ich mich in Ried, Dresden und Fürth immer durchgesetzt, obwohl ich jedes Mal als Nummer zwei gestartet bin“, unterstreicht der Torwart.
Einer der besten in Liga zwei
Im Frankenland fand er eine neue sportliche Heimat. Schon nach einem halben Jahr verdrängte er beim damaligen Erstligisten Aufstiegs-Keeper Max Grün aus dem Tor, ist seitdem die unangefochtene Nummer eins der „Kleeblätter“. 51 Spiele in Serie hat Hesl mittlerweile absolviert. Weil er sich dabei als Führungsspieler hervortat, ernannte ihn Trainer Frank Kramer vor der Saison sogar zum Kapitän. „Wolfgang hat mittlerweile die Akzeptanz und Anerkennung von allen“, lobt Kramer seinen verlängerten Arm. Dessen Marktwert hat sich seit dem Abgang beim HSV vervielfacht. Die Spielvereinigung ist längst darum bemüht, den im nächsten Sommer auslaufenden Vertrag mit dem Keeper zu verlängern.
Hesl dankt diese Wertschätzung mit starken Leistungen. Wie beispielsweise in der Relegation in Hamburg, überzeugt er gerade in Drucksituationen durch Ruhe, starke Reflexe auf der Linie und fußballerische Qualitäten im Aufbauspiel. Nicht umsonst führt ihn der „Kicker“ in der Rangliste der besten Zweitliga-Torhüter mit einem Notenschnitt von 2,75 ganz oben.
Dass er seine Klasse nun ausgerechnet gegen den Hamburger SV unter Beweis stellen darf, freut Hesl, auch wenn er einschränkt: „Die Vergangenheit zählt nicht. Ich spiele jetzt für das Kleeblatt, daher müssen wir den HSV leider runterschicken.“ Um das zu tun, muss er auch im Rückspiel wieder eine ähnlich gute Leistung abrufen, wie am vergangenen Donnerstag. Wenn er Lasogga und Co. dann wieder zur Verzweiflung treibt und sich seine Mannschaftkollegen in der Offensive etwas effektiver zeigen, könnte der angepeilte Aufstieg Realität werden. Dass sein Ex-Verein dann absteigen würde, wird der Keeper aufgrund der Vergangenheit wohl verschmerzen können.