Die neue Bundesligasaison beginnt, wie die alte endet: mit Videobeweis-Diskussionen. Dabei hat doch bei der WM alles so gut funktioniert. Oder?
Das Schlimmste am Videobeweis ist natürlich immer noch der Videobeweis selbst. Er wird geschätzt von den Mächtigen, die den perfekten Fußball herbeisehnen. Einen Sport, der ohne Überraschungen auskommt und Spontaneität. Einen Sport, der kein Spiel mehr ist, geprägt von Wendungen und Zufällen, ein bisschen anarchisch, ein wenig wild. Sondern etwas, das geplant wird und am Ende höchst korrekt ist.
Aber, aber, sagen die VAR-Befürworter, nun mal nicht so kulturpessimistisch, beim American Football funktioniere der Videobeweis doch auch ganz formidabel. Das stimmt. Bloß: Fußball ist im Gegensatz zum American Football eine Sportart, die von Kontinuität und Rhythmus lebt. Zudem entscheidet ein einziges Tor manchmal über Abstieg oder Aufstieg. Über Helden und Versager. Aber, aber, hört man die VAR-Fans, bei der WM in Russland lief doch alles super. 99,3 Prozent der Entscheidungen waren richtig. Auch das stimmt. Wer aber beim WM-Spiel zwischen Spanien und Iran im Kasaner Stadion gewesen ist, weiß trotzdem: Der VAR ist ein Werkzeug des Teufels, zumindest ist er kein Spielzeug des Fußballgotts.
Irans Tor gegen Spanien
Spanien führte in jenem Spiel durch ein Tor von Diego Costa mit 1:0. Das Tor hatte der Stürmer mit dem Schienbein erzielt. Ein Glücksschuss, ein Abpraller.
In der 62. Minute glich Saeid Ezatolahi aber aus. Es war ein großer und erhabener Moment. Der Jubel der iranischen Fans war so laut und brachial, dass das Stadion wackelte. Etwa 50.000 waren nach Kasan gereist, für viele war es das erste WM-Spiel ihres Lebens. Auch auf dem Rasen lagen sie sich auf den Armen, als wären sie Weltmeister geworden. Ezatolahi küsste vor Dankbarkeit den Rasen, er weinte beinahe. Andere Spieler schickten Stoßgebete zum Himmel. Dieses 1:1 hätte vermutlich das Achtelfinale bedeutet.
Aber dann schritt Schiedsrichter Andres Cunha zum Bildschirm an der Seitenlinie – und entschied auf Abseits. Mit einem Mal war es in dem Stadion so ruhig wie bei einer Andacht. Sogar die spanischen Fans auf der Haupttribüne schüttelten ungläubig den Kopf. Es war eine richtige Entscheidung, aber war sie auch gerecht?
Der Videobeweis wird bleiben. Woche für Woche werden Menschen diskutieren, schimpfen, analysieren. Es wird richtige Entscheidungen geben und kuriose. Und vielleicht kehren eines Tages die Spieler von Mainz und Freiburg noch mal auf den Rasen zurück, weil der Videoschiedsrichter am 30. Spieltag der letzten Saison noch einen weiteren Elfmeter übersehen hatte. Wer sich nicht erinnert: Das war lustig, auch wenn es echt bescheuert VAR.