Der FC Nordsjaelland stellt die jüngste Profi-Truppe Europas: Wer älter ist als 15 und gut genug, der wird aufgestellt – nicht aus Not, sondern aus Überzeugung. Und aus kaufmännischem Kalkül.
Man ahnt es: Der FC Nordsjaelland, dessen Stadion „Right to Dream Park“ heißt, ist kein klassischer Klub. Ursprünglich war der FCN ein Zusammenschluss von acht kleineren Vereinen, ehe Vernon alles umkrempelte: Der ehemalige Afrika-Scout von Manchester United nutzt den dänischen Erstligisten seither als Verkaufs-Plattform für Talente aus der halben Welt. Dass ihm angesichts dieses Geschäftsmodells moderner Menschenhandel vorgeworfen wird, stört ihn wenig. Er exportiere in erster Linie die afrikanische Fußballkultur, betonte er gegenüber der BBC. Wie zum Beweis beorderte er auch den ghanaischen Ex-Chelsea-Star Michael Essien in den Trainerstab des FCN.
Was Vernon tatsächlich will, ließ eine „Football Leaks“-Enthüllung erahnen: Unter ihm ging der FCN eine verbotene Geschäftsbeziehung mit Manchester City ein, der den Engländern eine Art Vorkaufsrecht auf sämtliche Toptalente der Dänen sicherte. Die FIFA leitete eine Untersuchung ein, die jedoch im Sande verlief – auch weil bislang nie ein Spieler aus Nordsjaelland zu ManCity gewechselt war. Dänemarks Verband lässt den FCN ebenfalls gewähren, schließlich werden hier neben jungen Afrikanern auch zahlreiche Skandinavier ausgebildet: Der 20-jährige dänische Flügelspieler Mikkel Damsgaard wechselte im vergangenen Sommer für sieben Millionen Euro zu Sampdoria Genua in die Serie A. Nun steht er im dänischen EM-Kader.
Auch die Macher beim FCN reden lieber über Talentförderung als über Transfererlöse. „Wir waren mutig, haben vor ein paar Jahren einen neuen Weg eingeschlagen und haben daran festgehalten – auch bei Gegenwind“, erklärt Nordsjaellands Sportchef Jan Laursen, der in den vergangenen fünf Jahren ein Transferplus von rund 50 Millionen Euro erwirtschaftet hat. „Natürlich“, so Laursen, „geht die Strategie mit den jungen Spielern nur auf, wenn wir auch auf dem Rasen liefern. Dass uns das über so lange Zeit gelungen ist, ist schon stark, denke ich.“ In der laufenden Saison stand der FCN einmal mehr in der Finalrunde der sechs besten Teams, die um die dänische Meisterschaft kämpfen.
Längst versuchen auch andere Vereine im Land, das Modell Nordsjaelland zu kopieren. Doch beim FCN hat man – neben gigantischen Geldgebern – einen jahrelangen Knowhow-Vorsprung und das beste Nachwuchsleistungszentrum Dänemarks: 2020 erhielt der FC Nordsjaelland vom nationalen Verband DBU fünf Sterne für seine Akademie – als einziger Klub. „Das verschafft uns schon einen gewissen Stolz“, sagt Flemming Pedersen, Trainer der Profis. „Es ist immer schön, wenn man der Außenwelt zeigen kann, dass man etwas gut macht. Wir wollen zeigen, dass es sich lohnt, auf die Jugend zu setzen, auch wenn es kurzfristig schon mal Punkte kosten kann. Auf Sicht aber ist es besser, als mit Spielern zu arbeiten, die nicht so viel Potenzial haben.“
Vom längerfristigen Aufbau einer großen Mannschaft träumt man in Nordsjaelland dennoch vergeblich. Im Sommer wird der Klub wieder ein halbes Dutzend seiner Juwele verkaufen. Der aktuelle Topstar, Kamaldeen Sulemana, steht vor einem Transfer zu Manchester United. Auch bei Ajax Amsterdam ist der Offensiv-Allrounder, der ebenfalls noch U19 spielen könnte, heiß begehrt. Doch für die holländische Eredivisie, so behaupten Experten, sei der Flügelstürmer längst zu gut. Für die dänische Superliga sowieso.
_