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Andreas Rae­der­gard Schjel­derup könnte längst beim FC Liver­pool sein. Oder bei den Bayern. Der 16 Jahre alte Nor­weger, der aus der Jugend des FC Bodö/​Glimt stammt, hatte im ver­gan­genen Sommer Ange­bote von allen großen Aka­de­mien des Kon­ti­nents: Tot­tenham, Man­United, Ajax, PSV, Salz­burg, Juventus. Um nur einige zu nennen. Doch der damals 15-Jäh­rige wollte lieber ins däni­sche Städt­chen Farum. Dort, unweit von Kopen­hagen, hat der Erst­li­gist FC Nordsjael­land in den letzten Jahren eines der erfolg­reichsten Nach­wuchs­zen­tren Europas auf­ge­baut. Der beson­dere Clou: Wer her­aus­sticht, darf die A‑Jugend kom­plett über­springen.

Auch Andreas Rae­der­gard Schjel­derup, der im Juni 17 wird, hat diese Abkür­zung genommen – und wie: Im März traf der nor­we­gi­sche Junioren-Natio­nal­spieler beim 2:1 gegen Sön­der­jyske zweimal und wurde zum jüngsten Dop­pel­pa­cker“ in der Geschichte der däni­schen Super­liga. Es war sehr ver­lo­ckend, zu Ver­einen aus Ita­lien, Eng­land oder Spa­nien zu gehen“, sagte Schjel­derup kürz­lich dem nor­we­gi­schen Fern­seh­sender TV 2. Ich bin ja selbst Liver­pool-Fan, aber in diesen Ver­einen ist es ein viel wei­terer Weg bis zur 1. Mann­schaft. Nordsjael­land hin­gegen ist ein Klub, der gezeigt hat, dass sie jungen Spie­lern eine Chance geben und dass sie enorme Res­sourcen in die Spie­ler­ent­wick­lung ste­cken.“

Durch­schnitts­alter: 20 Jahre, 20 Tage

Schon im ver­gan­genen Herbst machte der FC Nordsjael­land Schlag­zeilen als jüngstes Profi-Team der euro­päi­schen Top-30-Ligen. Damals betrug das Durch­schnitts­alter der Spieler auf dem Rasen 22,7 Jahre. Im Laufe der Rück­runde sank dieser Wert immer weiter, weil mehr und mehr Jugend­spieler bei den Profis mit­mi­schen durften. Im April schließ­lich, beim 2:0‑Sieg über Aarhus GF, betrug das Durch­schnitts­alter des FCN nur mehr 20 Jahre und 20 Tage. Sieben Nordsjael­land-Akteure, die damals auf dem Platz standen, durften noch U19 spielen – einer sogar in der U17. Die Tore schossen zwei 19-Jäh­rige: der Gha­naer Kamal­deen Sule­mana und der Finne Oliver Antman.

Das hier­zu­lande bekann­teste Pro­dukt des FC Nordsjael­land ist Emre Mor, der im Sommer 2016 als 18-Jäh­riger für knapp zehn Mil­lionen Euro zu Borussia Dort­mund wech­selte und aktuell bei Celta Vigo unter Ver­trag steht. Dass der Däne mit tür­ki­schen Wur­zeln beim BVB schei­terte, lag laut Klub­in­si­dern eher an cha­rak­ter­li­chen als an fuß­bal­le­ri­schen Defi­ziten. Mor war der erste, aber bei­leibe nicht der letzte richtig große Ver­kauf des FC Nordsjael­land: Im ver­gan­genen Sommer etwa wech­selte der 19-jäh­rige gha­nai­sche Mit­tel­feld­mann Mohammed Kudus für 9,5 Mil­lionen Euro Ablöse zu Ajax Ams­terdam. Ein bemer­kens­werter Preis für einen Youngster aus der däni­schen Liga – und das mitten in der Pan­demie.

Dubiose Besitz­ver­hält­nisse

Nordsjael­lands furioses Ü15-Pro­jekt ist natür­lich nicht bloß das Resultat gründ­li­cher Talent­sich­tung in der Nach­bar­schaft, son­dern Big Busi­ness. Ähn­lich wie das RB-Klub­syn­dikat, Dort­mund oder Ajax scouten die Dänen welt­weit, vor allem aber in Nord­eu­ropa und Afrika. Ins­ge­samt sieben Spieler wurden in der Right to Dream Aca­demy“ im gha­nai­schen Accra aus­ge­bildet. Dieses kom­mer­zi­elle Fuß­ball-Internat gehört nicht etwa dem FC Nordsjael­land, nein: Der däni­sche Klub ist seit 2016 Eigentum der Right to Dream Aca­demy bzw. des bri­ti­schen Aka­demie-Betrei­bers Tom Vernon. Als eigent­li­cher Geld­geber im Hin­ter­grund gilt Man­City-Besitzer Scheich Man­sour.

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Man ahnt es: Der FC Nordsjael­land, dessen Sta­dion Right to Dream Park“ heißt, ist kein klas­si­scher Klub. Ursprüng­lich war der FCN ein Zusam­men­schluss von acht klei­neren Ver­einen, ehe Vernon alles umkrem­pelte: Der ehe­ma­lige Afrika-Scout von Man­chester United nutzt den däni­schen Erst­li­gisten seither als Ver­kaufs-Platt­form für Talente aus der halben Welt. Dass ihm ange­sichts dieses Geschäfts­mo­dells moderner Men­schen­handel vor­ge­worfen wird, stört ihn wenig. Er expor­tiere in erster Linie die afri­ka­ni­sche Fuß­ball­kultur, betonte er gegen­über der BBC. Wie zum Beweis beor­derte er auch den gha­nai­schen Ex-Chelsea-Star Michael Essien in den Trai­ner­stab des FCN.

Was Vernon tat­säch­lich will, ließ eine Foot­ball Leaks“-Enthüllung erahnen: Unter ihm ging der FCN eine ver­bo­tene Geschäfts­be­zie­hung mit Man­chester City ein, der den Eng­län­dern eine Art Vor­kaufs­recht auf sämt­liche Top­ta­lente der Dänen sicherte. Die FIFA lei­tete eine Unter­su­chung ein, die jedoch im Sande ver­lief – auch weil bis­lang nie ein Spieler aus Nordsjael­land zu Man­City gewech­selt war. Däne­marks Ver­band lässt den FCN eben­falls gewähren, schließ­lich werden hier neben jungen Afri­ka­nern auch zahl­reiche Skan­di­na­vier aus­ge­bildet: Der 20-jäh­rige däni­sche Flü­gel­spieler Mikkel Dams­gaard wech­selte im ver­gan­genen Sommer für sieben Mil­lionen Euro zu Sampdoria Genua in die Serie A. Nun steht er im däni­schen EM-Kader.

Ader­lass im Sommer

Auch die Macher beim FCN reden lieber über Talent­för­de­rung als über Trans­fer­er­löse. Wir waren mutig, haben vor ein paar Jahren einen neuen Weg ein­ge­schlagen und haben daran fest­ge­halten – auch bei Gegen­wind“, erklärt Nordsjael­lands Sport­chef Jan Laursen, der in den ver­gan­genen fünf Jahren ein Trans­fer­plus von rund 50 Mil­lionen Euro erwirt­schaftet hat. Natür­lich“, so Laursen, geht die Stra­tegie mit den jungen Spie­lern nur auf, wenn wir auch auf dem Rasen lie­fern. Dass uns das über so lange Zeit gelungen ist, ist schon stark, denke ich.“ In der lau­fenden Saison stand der FCN einmal mehr in der Final­runde der sechs besten Teams, die um die däni­sche Meis­ter­schaft kämpfen.

Längst ver­su­chen auch andere Ver­eine im Land, das Modell Nordsjael­land zu kopieren. Doch beim FCN hat man – neben gigan­ti­schen Geld­ge­bern – einen jah­re­langen Knowhow-Vor­sprung und das beste Nach­wuchs­leis­tungs­zen­trum Däne­marks: 2020 erhielt der FC Nordsjael­land vom natio­nalen Ver­band DBU fünf Sterne für seine Aka­demie – als ein­ziger Klub. Das ver­schafft uns schon einen gewissen Stolz“, sagt Flem­ming Pedersen, Trainer der Profis. Es ist immer schön, wenn man der Außen­welt zeigen kann, dass man etwas gut macht. Wir wollen zeigen, dass es sich lohnt, auf die Jugend zu setzen, auch wenn es kurz­fristig schon mal Punkte kosten kann. Auf Sicht aber ist es besser, als mit Spie­lern zu arbeiten, die nicht so viel Poten­zial haben.“

Vom län­ger­fris­tigen Aufbau einer großen Mann­schaft träumt man in Nordsjael­land den­noch ver­geb­lich. Im Sommer wird der Klub wieder ein halbes Dut­zend seiner Juwele ver­kaufen. Der aktu­elle Top­star, Kamal­deen Sule­mana, steht vor einem Transfer zu Man­chester United. Auch bei Ajax Ams­terdam ist der Offensiv-All­rounder, der eben­falls noch U19 spielen könnte, heiß begehrt. Doch für die hol­län­di­sche Ere­di­visie, so behaupten Experten, sei der Flü­gel­stürmer längst zu gut. Für die däni­sche Super­liga sowieso.

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