Wer will eigentlich unbedingt die Super League einführen? Warum werden Uefa und Fifa verklagt? Und was hat der Europäische Gerichtshof diese Woche entschieden? Unser FAQ zur Super League klärt die wichtigsten Fragen.
Das Konsortium, dem die zwölf abtrünnigen Vereine angehören, die im April 2021 über Nacht die Super League gründen wollten, besteht weiterhin. Offiziell ist aus diesem Zusammenschluss kein Verein ausgetreten. Neun der zwölf Klubs hatten sich jedoch öffentlich schnell wieder von der Idee einer solitären Spitzenliga verabschiedet. Übrig geblieben sind bis heute die hoch verschuldeten Vereine Real Madrid (mit Präsident Florentino Perez), FC Barcelona (mit Joan Laporta) und Juventus Turin (mit Andrea Agnelli). Weil der erste Aufschlag 2021 krachend gescheitert war, verfolgt das Dreiergespann inzwischen eine neue Taktik. Der Versuch vor anderthalb Jahren war ein unvermittelter Frontalangriff auf den europäischen Fußball, die neu angelaufene Kampagne baut stärker auf Kommunikation. Dafür hat das Unternehmen, das sich European Super League Company nennt, die Vermarktungsagentur A22 beauftragt. An deren Spitze sitzt der Allgäuer Bernd Reichart. Er ist ehemaliger RTL-Chef und aus alten Madrider Siemens-Tagen ein Buddy von Florentino Perez. Sein klarer Auftrag: Zusammen mit den Vertretern von Real Madrid, FC Barcelona und Juventus Turin die Super League möglichst smooth herbeizuführen.
Beim Angang, die Super League nahezu gewalttätig durchzudrücken, hätte es klare Schwachstellen gegeben, sagt Bernd Reichart. In der Neuauflage soll es Auf- und Abstiege geben, die für die Teilnahme qualifizieren, also keine Gesetztenliste. Die nationalen Ligen dürften unter einer Super League nicht leiden. Gelder sollen darum breiter aufgeteilt werden. Ein ausgefeiltes Konzeptpapier gibt es zum jetzigen Zeitpunkt aber noch gar nicht, vielmehr sind die Initiatoren derzeit in der Phase des Dialogs. Reichart tourt hierfür mit seiner Vermarktungsagentur gerade durch die europäische Fußballsphäre, organisiert Treffen mit Uefa-Vertretern, mit Vereinsvertretern, trifft Fans, schwingt Reden auf Messen und klappert Medienhäuser ab, um sich und sein Vorhaben zu erklären. Kurzum geht es ihm darum: „Der Fußball verliert seine Führungsposition im Sport – und er verliert immer mehr junge Fans“. Allein das ganz konkrete Vorhaben wird ob des fehlenden Konzepts gar nicht wirklich klar. Aber damit kann ohnehin erst begonnen werden, wenn das Urteil des Europäischen Gerichtshofs verkündet wird.
Die Super League Company hat gegen Uefa und Fifa geklagt. In erster Linie ging es dabei um die Monopolstellung der Uefa und der Fifa in der Austragung von Fußballwettbewerben. Laut Gesetz müssen die beiden Verbände nämlich jeden neuen Wettbewerb erst genehmigen, ehe er an den Start gehen kann. Diese Gesetzgebung gilt natürlich auch für die angedachte Super League. Der Vorwurf der Initiatoren: Uefa und Fifa würden gegen das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union verstoßen und somit unrechtmäßig die Gründung neuer Fußballwettbewerbe wie die Super League verhindern. Der europäische Gerichtshof entscheidet in dieser Frage.
Das endgültige Urteil steht noch aus. Am Donnerstag verlas EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos in Luxemburg die Schlussanträge, denen die große Kammer des EuGH in der Regel folgt. Demnach dürfe ein unabhängiger Fußballwettbewerb zwar grundsätzlich gegründet werden, die Klubs dürften aber nicht „parallel zur Gründung eines solchen Wettbewerbs ohne die vorherige Genehmigung der Uefa und der Fifa weiter an den von diesen Verbänden organisierten Fußballwettbewerben teilnehmen.“ Bedeutet: Real Madrid und einzelne Spieler etwa müssten sich zunächst die Erlaubnis bei der Uefa und der Fifa einholen, an der Super League teilzunehmen. Bedeutet auch: Real Madrid und einzelne Spieler müsste sich auch die Erlaubnis einholen, um an Uefa- und Fifa-Wettbewerben wie der Champions League oder der Weltmeisterschaft teilzunehmen – und die würde es von beiden Verbänden als Konsequenz natürlich niemals geben. Kaum vorstellbar, dass ein Antonio Rüdiger auf eine WM-Teilnahme verzichtet, um in der Super League spielen zu können. Und sogar die Teilnahme an nationalen Ligen, in Reals Fall also LaLiga, stünde auf der Kippe: Nimmt ein Klub nämlich an der Super League teil, könnten Uefa, Fifa, DFB und DFL Sanktionen verhängen. Denn, so sagt Rantos: Die Teilnahme an einem neuen Wettbewerb könnte die Ziele beeinträchtigen, „die von diesen Verbänden verfolgt werden, deren Mitglieder [die Vereine] sind.“ Zusammengefasst stünden die Super-League-Klubs also mit einer Teilnahme an einem nicht von der Uefa oder der Fifa organisierten Wettbewerb plötzlich außerhalb des europäischen Fußballsystems. Im März 2023 soll das Urteil verkündet werden.
Das Gutachten von Athanasios Rantos bestätigt zuvorderst die Monopolstellung von Uefa und Fifa. Es stärkt die Rolle der Verbände. Denn grundsätzlich wird das europäische Sportmodell damit unterstützt. Es ist pyramidenartig aufgebaut und nur rein sportliche Resultate entscheiden über Auf- und Abstiege. Meint: Jeder Kreisligist kann in der Theorie die Champions League gewinnen. Rantos beruft sich in seiner Verkündung auf Artikel 165 der europäischen Verträge, wonach die Europäische Union das Ziel hat, offene Wettkämpfe zu ermöglichen und Strukturen zu schaffen, die freiwilliges Engagement fördern. Diese Ziele seien laut Rantos wichtiger, als einen komplett freien Markt im europäischen Sport zu schaffen. Auch wenn die Gegenseite, in Person von Bernd Reichart, zuversichtlich ist, dass die Monopolstellung bis zur Urteilsverkündung noch kippen könnte und er sogar einen Erfolg darin sieht, dass eine Gründung neuer Wettbewerbe prinzipiell erlaubt ist, kann tatsächlich zunächst Entwarnung gegeben werden: Die angedachte Privatisierung des Fußballs ist vorerst abgewendet.
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