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Seite 2: "Es kann gut sein, dass 50+1 am Ende weniger robust ist"

Zurück zur Aus­nah­me­re­ge­lung: Wenn eine Abschaf­fung unrea­lis­tisch ist, was wird statt­dessen damit pas­sieren?
Ich halte es für das wahr­schein­lichste Sze­nario, dass die DFL die Aus­nah­me­re­ge­lung anpassen wird, indem sie zum Bei­spiel den Zeit­raum von 20 Jahren redu­ziert oder den Begriff der erheb­li­chen Unter­stüt­zung“ kon­kre­ti­siert. Sie könnte auch bestimmte Ver­pflich­tungen für Inves­toren ein­führen.

Zum Bei­spiel?
Es wäre denkbar, dass ein Investor, der sich heute schon ver­pflichtet, über einen bestimmten lang­fris­tigen Zeit­raum zu inves­tieren, sofort auch ent­spre­chende Mit­spra­che­rechte erhält. Und dass er sich ver­pflichtet, den Verein nicht zum Spe­ku­la­ti­ons­ob­jekt zu machen, indem er ver­si­chert, seine Anteile nur an den Verein zurück­zu­geben und nicht wei­ter­zu­ver­kaufen. Das ist ja eine reelle Gefahr, bei Inves­toren, die plötz­lich das Inter­esse ver­lieren oder selbst in finan­zi­elle Schwie­rig­keiten geraten.

Das wäre dann aber doch keine Stär­kung der 50+1‑Regel, son­dern eine wei­tere Auf­wei­chung.
Das könnte pas­sieren, ja. Wir bewegen uns hier in einem Span­nungs­feld zwi­schen ver­eins­ge­prägtem Wett­be­werb auf der einen und Chan­cen­gleich­heit der Ver­eine im sport­li­chen Wett­kampf auf der anderen Seite. Letz­terer ist natür­lich sehr stark mit den finan­zi­ellen Mög­lich­keiten kor­re­liert. Es wird in die Rich­tung gehen, dass es mehr Ver­einen mög­lich sein muss, von der Aus­nahme Gebrauch zu machen. Daher kann es durchaus sein, dass 50+1 am Ende dieses Pro­zesses weniger robust ist und durch­läs­siger als die heu­tige Rege­lung.

Auch Martin Kind hat übri­gens die Ein­schät­zung des Kar­tell­amts begrüßt. Er sagt: Die Logik daraus ist dann, dass man das (50+1, d. Red.) abschaffen muss, um die Wett­be­werbs­gleich­heit her­zu­stellen.“ Hat er recht?
Nein. Das Kar­tellamt hat ziem­lich deut­lich gemacht, dass es in der Regel an sich kein Pro­blem sieht. Es hält sie für unbe­denk­lich. Es hat nur darauf hin­ge­wiesen, dass eine Aus­nahme dis­kri­mi­nie­rungs­frei sein muss und den Wett­be­werb nicht weiter ver­zerren darf.

Das ist ein biss­chen so, als würden Sie Mono­poly spielen, aber nie von vorne anfangen“

Herr Künstner, Sie sind Fan von Borussia Dort­mund. Wie stehen Sie eigent­lich ganz per­sön­lich zur 50+1‑Regel?
Ich glaube, dass mein Verein von der Regel pro­fi­tiert. Gleich­zeitig muss ich aber auch sagen: Wir haben kaum noch einen echten Wett­be­werb im Fuß­ball. Mitt­ler­weile blicke ich teil­weise etwas nei­disch auf den ame­ri­ka­ni­schen Pro­fi­sport. Wer im US-Pro­fi­sport zweimal hin­ter­ein­ander Meister wird, hat eine wahn­sin­nige Leis­tung erbracht, die eben nicht eins zu eins aufs Geld zurück­zu­führen ist. Das ruft deut­lich stär­kere Emo­tionen hervor, als die Nach­richt, dass Borussia Dort­mund sich zum x‑ten Mal für die Cham­pions League qua­li­fi­ziert hat. Ich erin­nere mich noch, als Dort­mund unter Jürgen Klopp nach län­gerer Zeit zum ersten Mal wieder Cham­pions League gespielt hat. Es war ein Heim­spiel gegen Arsenal, in der Nach­spiel­zeit hat Ivan Perisic per Direkt­ab­nahme den Aus­gleich erzielt. An diesem Abend war im ganzen Sta­dion eine unfass­bare Gier und Lust auf die Cham­pions League zu spüren. Die fühle ich gerade nicht mehr – zumin­dest nicht bei mir. Es nutzt sich ab.

Immerhin hat Dort­mund den DFB-Pokal geholt.
Auch der ist ja mitt­ler­weile fast nur noch ein Trost­preis. Das finde ich schade. Von den neun Bayern-Meis­ter­schaften in Folge ganz zu schweigen. Da geht etwas ver­loren. Da hat es mir in den Neun­zi­gern besser gefallen, als die Bayern auch mal in Ros­tock ver­loren haben.

Häufig fällt das Argu­ment, dass sich die Bayern diese Erfolge eben auch erar­beitet und damit ver­dient hätten.
Ich habe den Ein­druck, dass diese Lob­prei­sungen von Wett­be­werb und Meri­to­kratie häufig vor allem von denen kommen, die ihre Posi­tion an der Spitze ver­tei­digen wollen. Der Markt ist doch eigent­lich dazu da, diese Posi­tion angreifen zu können. Und das ist bei uns nicht mehr gegeben. Das ist ein biss­chen so, als würden Sie Mono­poly spielen, aber nie von vorne anfangen. Wer einmal gewonnen hat, hat die Hotels und die anderen bekommen noch ein biss­chen Geld von der Bank, um mit­zu­spielen. Echte Chancen auf den Sieg haben sie aber nicht. Das will doch keiner spielen. Span­nend wird es dann, wenn wir das Spiel­feld abräumen und von vorne anfangen.