Das Bundeskartellamt hält die 50+1‑Regel nicht für problematisch, Ausnahmen für Konzernklubs hingegen schon. Das freut die Traditionalisten. Ganz so einfach ist es aber nicht, sagt Kartellrechtler Kim Manuel Künstner.
Zurück zur Ausnahmeregelung: Wenn eine Abschaffung unrealistisch ist, was wird stattdessen damit passieren?
Ich halte es für das wahrscheinlichste Szenario, dass die DFL die Ausnahmeregelung anpassen wird, indem sie zum Beispiel den Zeitraum von 20 Jahren reduziert oder den Begriff der „erheblichen Unterstützung“ konkretisiert. Sie könnte auch bestimmte Verpflichtungen für Investoren einführen.
Zum Beispiel?
Es wäre denkbar, dass ein Investor, der sich heute schon verpflichtet, über einen bestimmten langfristigen Zeitraum zu investieren, sofort auch entsprechende Mitspracherechte erhält. Und dass er sich verpflichtet, den Verein nicht zum Spekulationsobjekt zu machen, indem er versichert, seine Anteile nur an den Verein zurückzugeben und nicht weiterzuverkaufen. Das ist ja eine reelle Gefahr, bei Investoren, die plötzlich das Interesse verlieren oder selbst in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Das wäre dann aber doch keine Stärkung der 50+1‑Regel, sondern eine weitere Aufweichung.
Das könnte passieren, ja. Wir bewegen uns hier in einem Spannungsfeld zwischen vereinsgeprägtem Wettbewerb auf der einen und Chancengleichheit der Vereine im sportlichen Wettkampf auf der anderen Seite. Letzterer ist natürlich sehr stark mit den finanziellen Möglichkeiten korreliert. Es wird in die Richtung gehen, dass es mehr Vereinen möglich sein muss, von der Ausnahme Gebrauch zu machen. Daher kann es durchaus sein, dass 50+1 am Ende dieses Prozesses weniger robust ist und durchlässiger als die heutige Regelung.
Auch Martin Kind hat übrigens die Einschätzung des Kartellamts begrüßt. Er sagt: „Die Logik daraus ist dann, dass man das (50+1, d. Red.) abschaffen muss, um die Wettbewerbsgleichheit herzustellen.“ Hat er recht?
Nein. Das Kartellamt hat ziemlich deutlich gemacht, dass es in der Regel an sich kein Problem sieht. Es hält sie für unbedenklich. Es hat nur darauf hingewiesen, dass eine Ausnahme diskriminierungsfrei sein muss und den Wettbewerb nicht weiter verzerren darf.
„Das ist ein bisschen so, als würden Sie Monopoly spielen, aber nie von vorne anfangen“
Herr Künstner, Sie sind Fan von Borussia Dortmund. Wie stehen Sie eigentlich ganz persönlich zur 50+1‑Regel?
Ich glaube, dass mein Verein von der Regel profitiert. Gleichzeitig muss ich aber auch sagen: Wir haben kaum noch einen echten Wettbewerb im Fußball. Mittlerweile blicke ich teilweise etwas neidisch auf den amerikanischen Profisport. Wer im US-Profisport zweimal hintereinander Meister wird, hat eine wahnsinnige Leistung erbracht, die eben nicht eins zu eins aufs Geld zurückzuführen ist. Das ruft deutlich stärkere Emotionen hervor, als die Nachricht, dass Borussia Dortmund sich zum x‑ten Mal für die Champions League qualifiziert hat. Ich erinnere mich noch, als Dortmund unter Jürgen Klopp nach längerer Zeit zum ersten Mal wieder Champions League gespielt hat. Es war ein Heimspiel gegen Arsenal, in der Nachspielzeit hat Ivan Perisic per Direktabnahme den Ausgleich erzielt. An diesem Abend war im ganzen Stadion eine unfassbare Gier und Lust auf die Champions League zu spüren. Die fühle ich gerade nicht mehr – zumindest nicht bei mir. Es nutzt sich ab.
Immerhin hat Dortmund den DFB-Pokal geholt.
Auch der ist ja mittlerweile fast nur noch ein Trostpreis. Das finde ich schade. Von den neun Bayern-Meisterschaften in Folge ganz zu schweigen. Da geht etwas verloren. Da hat es mir in den Neunzigern besser gefallen, als die Bayern auch mal in Rostock verloren haben.
Häufig fällt das Argument, dass sich die Bayern diese Erfolge eben auch erarbeitet und damit verdient hätten.
Ich habe den Eindruck, dass diese Lobpreisungen von Wettbewerb und Meritokratie häufig vor allem von denen kommen, die ihre Position an der Spitze verteidigen wollen. Der Markt ist doch eigentlich dazu da, diese Position angreifen zu können. Und das ist bei uns nicht mehr gegeben. Das ist ein bisschen so, als würden Sie Monopoly spielen, aber nie von vorne anfangen. Wer einmal gewonnen hat, hat die Hotels und die anderen bekommen noch ein bisschen Geld von der Bank, um mitzuspielen. Echte Chancen auf den Sieg haben sie aber nicht. Das will doch keiner spielen. Spannend wird es dann, wenn wir das Spielfeld abräumen und von vorne anfangen.