Ein Blick hinter die Kulissen: In der Saison 2008/2009 begleiteten wir den damaligen Zweitligisten Rot-Weiß Oberhausen auf Schritt und Tritt, erlebten Krisensitzungen, Vertragspoker und Kneipentouren mit den Spielern. Unser Saison-Tagebuch.
Bierduschen & Dopingproben
Immer mehr Spieler finden den Weg vom Innenraum in die weiß gekachelte Kabine. Es dauert ewig, bis das erste Pils-Tablett hereingetragen wird. Bierfreund Bruns lästert schon: „Im letzten Jahr in Berlin stand zu dem Zeitpunkt schon alles 20 Zentimeter unter Wasser.“ Es braucht einige Minuten, bis der Klassenerhalt in den Köpfen ankommt. Die Spieler sitzen mit ihren roten Klassenerhalts-Shirts auf den Bänken, nur Kim Falkenberg trägt noch das RWO-Trikot. Schüssler und Embers schalten als Erste in den Feiermodus.
Nach 15 Minuten relativer Stille steigt der Lautstärkepegel. Bürokaufmann Embers ist es vorbehalten, den ersten 0,3‑Liter-Plastikbecher von hinten über das Haupt des Trainers zu schütten. Luginger steht später minutenlang unter dem fest installierten Haartrockner, wie man ihn aus Hallenbädern kennt. Während Benny Reichert, der sich beim letzten Spiel in Duisburg wieder einmal schwer verletzte, die Kabine mit Krücken betritt und mit einem ausgelassenem „Happy Birthday“ begrüßt wird, sitzt Untermieter Falkenberg vollkommen konsterniert in einer Ecke. Sein Blick geht ins Leere. Er hat gerade erfahren, dass sein neuer Klub Greuther Fürth nicht in die erste Liga aufsteigen wird. „Schon wieder nicht“, feixt Bruns in sicherer Entfernung.
Der Manager ist in Feierlaune, sagt: „Wir treffen uns am Besten erst am Samstag vor der Abfahrt nach Mainz wieder!“ Doch das ist mit dem Trainer nicht zu machen. Luginger setzt das nächste Training für Dienstag an. Nur einer fehlt auf der großen Party: Wo ist Maxi-Malocher Dimitrios Pappas? Er hatte es schon geahnt, als er jubelnd vom Platz kam. Er sah Masseur Andreas Münker auf sich zustürmten. Das durfte doch nicht wahr sein! Musste er denn ausgerechnet heute zur Dopingprobe ausgelost werden?
Ihm ist zwar klar, dass er nichts mehr ändern kann, aber trotzdem ist es keine freundliche Begrüßung, die der Dopingarzt zu hören bekommt. Pappas schimpft wie ein Rohrspatz. Er ist total ausgepumpt und ahnt schon das Schlimmste. Und so kommt es dann auch, unweigerlich. Urinstau. Während sich Torwart Sören Pirson nach immerhin einer Stunde in die Truppe einreihen kann, verbringt Pappas seinen Sonntagnachmittag in einer kleinen Nebenkabine, zusammen mit zwei Prüfern, einer Plastikdose und letztlich acht Flaschen Bier. Keiner der gewohnten Tricks half, weder das zwischenzeitliche Duschen noch das Geräusch laufenden Wassers schaffen Abhilfe.
Nur das weiße Handtuch umgebunden, sitzt er noch um kurz nach 18 Uhr da, mit glasigen Augen, ernsthaft verzweifelt. Erst zweieinhalb Stunden nach dem Abpfiff gelingt es ihm, die geforderten 90 Milliliter ordnungsgemäß abzuliefern. Der Deutsch-Grieche ist lattenstramm, taumelt durch den Kabinengang. Jungprofi Moritz Stoppelkamp muss ihn nach Hause bringen. Es ist bereits das sechzehnte Mal in dieser Saison, dass sich Spieler von Rot-Weiß Oberhausen dem Test stellen müssen. 1860 München zum Beispiel wurde nur viermal ausgewählt. Manager Bruns sagt: „Das ist wieder typisch. Glauben die denn tatsächlich, dass wir den Jungs etwas in ihr Wasser mischen?“
„Wir sind so, wie euer Magazin heißt, nur noch ein paar mehr“
Auf Wiedersehen in Bennys Biotop!
Dort, wo in dieser Saison die ungewöhnlichste Spieler-WG Deutschlands lebte, wird nach dem Klassenerhalt noch weiter gefeiert: im Elternhaus der Reicherts. Co-Trainer Oliver Adler erreicht am späten Sonntagabend ein telefonischer Notruf. Er wird angewiesen, umgehend 20 Cheeseburger und 20 Flaschen Bier vorbeizubringen. Die Spieler trinken sich schon mal warm für die abschließende Tour an den Ballermann. Langsam wird man sich bewusst, was man geleistet hat. Die vermeintliche Witztruppe der Liga, in der Stürmer Tuncay Aksoy in der Hinrunde nebenher als Straßenbahnfahrer arbeitete, hat der ganzen Branche die lange Nase gezeigt. Zweimal hintereinander aufgestiegen, am Ende Tabellenneunter.
In einer Welt von wissenschaftlicher Spielanalyse, immer aufwändigerer Leistungsdiagnostik und lizenzierter Kapitalgesellschaften, haben sie sich mit ihren Methoden behauptet. Ein Spielsystem, auf das viele keine Antwort hatten, ehrliche Worte unter Männern in der Krise und ein Zusammenhalt, über den Mittelfeldspieler Tim Kruse sagt: „Wir sind so, wie euer Magazin heißt, nur noch ein paar mehr.“ Die Maloche hat sich gelohnt! Und es wäre fast ein Treppenwitz der Geschichte, wenn Rot-Weiß Oberhausen damit zu einem Beispiel würde in einer übertemperierten Branche. Heribert Bruchhagen kann jedenfalls überlegen, wie er seine Wettschulden abträgt. Wie hatte er zu 11 FREUNDE gesagt? „Nur fürs Protokoll: Die haben keine Chance, keine.“ Rot-Weiß Oberhausen hat sie genutzt.