Das Finale der Copa Libertadores muss umziehen. Kurzfristig. Wie im Vorjahr. Der Grund diesmal: schwere politische Unruhen in Chile. Die Folgen: kaum absehbar.
Es war wie so oft: Funktionäre und Politiker äußerten sich „zuversichtlich“. So lange, bis sie schließlich einräumen mussten, dass es doch nichts werden würde mit dem geplanten Finale in Santiago de Chile. Was sich in den vergangenen zwei Wochen immer deutlicher abgezeichnet hatte, ist seit dem späten Dienstagabend Realität: Das diesjährige Endspiel der Copa Libertadores zwischen Titelverteidiger River Plate Buenos Aires und Flamengo Rio de Janeiro wird zwar, wie ursprünglich geplant, am 23. November stattfinden – aber nicht in der von schweren politischen Unruhen heimgesuchten Republik Chile, wo das „Estadio Nacional“ mit seinen 50.000 Plätzen seit Wochen restlos ausverkauft war.
Stattdessen verfuhren die Herren der südamerikanischen Konföderation Conmebol frei nach dem Neue-Deutsche-Welle-Hit „Sommersprossen“ von UKW: „Haben wir hier schlechtes Klima – fahren wir sofort nach Lima.“ Schlanke 18 Tage vor dem Anpfiff also wurde das Spektakel von der chilenischen Hauptstadt Santiago in die 3.400 Kilometer entfernte peruanische Kapitale Lima verlegt. Den gewaltsamen politischen Protesten von Chile ist man damit entronnen, doch nun warten Probleme ganz anderer Art auf die Organisatoren – und vor allem auf all jene, die liebend gern zuschauen würden: Zehntausende Fans aus Argentinien und Brasilien.
4000 Kilometer Anreise – quer durch die Anden
Die gute Nachricht vorweg: Das gewaltige „Estadio Monumental“ in Lima präsentiert sich gänzlich unerschüttert ob des kurzfristig anberaumten Großereignisses. Die mit 80.093 Plätzen größte Spielstätte Südamerikas, Heimstätte des Traditionsklubs Universitario de Deportes, war bereits Schauplatz wichtiger Qualifikationsspiele des peruanischen Nationalteams. Auch zahlreiche Superstars der Showbranche wie Bryan Adams oder Carlos Santana sind hier schon aufgetreten – teilweise vor über 100.000 Zuschauern.
Womit wir zur schlechten Nachricht kommen: Derzeit ist nicht wirklich gesichert, dass all jene 50.000, die bereits Eintrittskarten (und Flugtickets) für die chilenische Endspiel-Ausgabe erworben hatten, auch rechtzeitig zum neuen Final-Ort nach Peru gelangen werden. Anreisen per Zug oder Auto sind angesichts der gewaltigen Distanzen völlig undenkbar: Von Buenos Aires nach Lima sind es knapp 4.000 Kilometer, quer durch die Anden. Von Rio aus beträgt die Fahrstrecke gar 4.800 Kilometer.
Die Conmebol gewährte deshalb allen Eintrittskartenbesitzern eine 72-stündige Rückgabe-Frist, innerhalb derer sie sich neue (Flug-)Reisemöglichkeiten suchen sollten. Diese Zeitspanne war einerseits deutlich zu lang, andererseits viel zu kurz bemessen. Zu lang deshalb, weil sämtliche verfügbaren Linienflüge von Buenos Aires oder Rio nach Lima binnen kürzester Zeit ausgebucht waren. Zu kurz, weil es noch eine ganze Weile dauern könnte, ehe der chronisch überlastete Internationale Flughafen von Lima ausreichend neue Landegenehmigungen für die erwartete Armada von Sonderflügen erteilen kann – wenn überhaupt.
In der Sprache des paraguayischen Conmebol-Präsidenten Alejandro Dominguez klingt die Sachlage freilich viel unkomplizierter: „Wir glauben, dass die Alternative Lima sicherstellt, dass wir all die Leute vor Ort antreffen werden, die sich bereits Tickets gekauft haben. Der Flughafen verfügt über eine hervorragende Anbindung.“ River-Präsident Rodolfo D’Onofrio verspricht bereits „eine großartige Party“. Klar, ebenso wenig wie der Conmebol-Boss muss D’Onofrio um seinen Platz im Flieger bangen. Oder um ein freies Hotelzimmer in Lima. Auch die sind kaum noch zu bekommen, zumal nicht alle Viertel der peruanischen Millionenstadt als „uneingeschränkt bedenkenlos für Touristen“ gelten.
Immerhin, so streute die Conmebol unter südamerikanischen Journalisten, habe man der wirtschaftlichen Verlockung, das Finale auf einen anderen Kontinent zu verlegen, heldenhaft widerstanden. Angeblich sollen die US-Metropole Miami und die neue Welt-Sportzentrale Katar um die Austragung des prestigeträchtigen Endspiels gebuhlt und sehr viel Geld dafür geboten haben. Auch Paraguays Hauptstadt Asunción stand bereit, doch das dortige Stadion hätte nur 45.000 Zuschauern Platz geboten.
Oder wieder Hin- und Rückspiel?
Eine weitere Alternative wäre ein Finale im zwischen 1979 und 2018 ausgespielten alten Modus gewesen – mit Hin- und Rückspiel in den jeweiligen Stadien der Endspiel-Teilnehmer. Doch genau das wollte die Conmebol nicht mehr, auch mit Blick auf die Sicherheit. Schließlich musste das Rückspiel der letztjährigen Final-Ausgabe zwischen River Plate und den Boca Juniors abgesagt werden, weil militante River-„Hinchas“ den Bocas Mannschaftsbus auf dem Weg zum Stadion mit Steinen und Stahlkugeln beschossen und mehrere Spieler verletzt hatten.
Letztlich wurde die Partie ins Estadio Bernabeu von Real Madrid verlegt, wo River Plate mit 3:1 n.V. gewann (Hinspiel: 2:2). Immerhin 72.000 Zuschauer wohnten damals dem Derby im fernen Spanien bei. Man darf gespannt sein, wie viele es zum diesjährigen Endspiel schaffen.