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Seite 2: Hoffenheims „Wilderei“ von Stuttgart bis Berlin

Aller­dings sind auch die Hof­fen­heimer Ver­ant­wort­li­chen in der Ver­gan­gen­heit mit ihren Prak­tiken schon häu­figer negativ auf­ge­fallen. Der Ber­liner Nico Franke wech­selte 2012 als damals 13-Jäh­riger von Tennis Borussia in das rund 600 Kilo­meter ent­fernte Sins­heim. Der Wechsel wurde zu einem Poli­tikum, zu dem fast jeder eine Mei­nung hatte. Wir halten grund­sätz­lich 13 Jahre zu früh, um einen Spieler in unser Internat zu holen“, sagte damals Uwe Hart­tgen, Leiter des Bremer Nach­wuchs­zen­trums. Hertha-Coach Michael Skibbe fand: Man kann sich in seinem fami­liären Umfeld sehr gut als Fuß­baller ent­wi­ckeln.“ Und sogar UEFA-Prä­si­dent Pla­tini äußerte sich zu dem Wechsel: Ich bin grund­sätz­lich gegen Trans­fers von Min­der­jäh­rigen.“ Die TSG ver­tei­digte indes die Ver­pflich­tung. Er war umworben von Bayern, Werder und HSV. Es stimmt nicht, dass wir da beson­ders aggressiv um einen Nach­wuchs­spieler bemüht waren“, sagte Alex­ander Rosen, heute Sport­chef, damals in seiner Funk­tion als Leiter des Nach­wuchs­zen­trums. Außerdem bezeich­nete Rosen die Ver­pflich­tung Frankes als abso­luten Son­der­fall“.

Ein Jahr zuvor musste der VfB Stutt­gart das viel­ver­spre­chende Talent Jeremy Toljan zur TSG ziehen lassen. Die Stutt­garter beschwerten sich damals heftig über die Abwer­be­ver­suche der Hof­fen­heimer. Der damals 16-Jäh­rige hatte zwar einen För­der­ver­trag mit dem VfB. Doch für eine Ablö­se­summe von 500.000 Euro wech­selte Toljan zur TSG, der er sechs Jahre später mit dem Transfer zu Borussia Dort­mund sieben Mil­lionen Euro ein­brachte. Grund­sätz­lich fallen bei Jugend­spie­lern ledig­lich Aus­bil­dungs­ent­schä­di­gungen an. Diese sind gestaf­felt und betragen bei einem Transfer eines Talents zwi­schen zwei Bun­des­li­ga­mann­schaften 9.000 Euro pro Jahr in der U12 und gehen bis zu 21.000 Euro pro Jahr in der U19. Ab der U16 dürfen mit Spie­lern außerdem soge­nannte För­der­ver­träge geschlossen werden, um die Talente an die eigene Nach­wuchs­ab­tei­lung zu binden. Wech­selt ein Spieler aus einem sol­chen Ver­trags­ver­hältnis heraus, kann – wie bei Toljan – zusätz­lich zur Aus­bil­dungs­ent­schä­di­gung auch eine Ablö­se­summe frei ver­han­delt werden.

Haus­verbot für Hof­fen­heim-Chef­scout

Schon nach dem Auf­stieg in die Bun­des­liga 2008 machte die Hof­fen­heimer Abwer­be­stra­tegie erst­mals Schlag­zeilen. Von uns wech­seln dieses Jahr fünf Spieler zwi­schen 12 und 16 Jahren nach Hof­fen­heim. Das ist sehr ärger­lich! Ich habe kein Pro­blem, wenn ein Spieler mit 17 oder 18 zu den Bayern will – aber wenn ein Zwölf­jäh­riger sagt, er will nach Hof­fen­heim, ist das was ganz anderes“, schimpfte damals Lau­terns Nach­wuchs­zen­trums-Leiter Helmut Zahn. Bei Ein­tracht Frank­furt warf Jugend-Manager Armin Kraaz den Hof­fen­hei­mern Wil­derei vor.

Die ver­rück­teste Szene spielte sich aber wohl 2011 im Ber­liner Post­sta­dion bei einer Spie­ler­sich­tung ab. Her­thas Nach­wuchs­scout Wolf­gang Damm unter­hielt sich mit einem Spie­ler­be­rater über die Abwer­bung der TSG von zwei 14 und 15 Jahre alten Jugend­spieler von Hertha. Der dama­lige Hof­fen­heimer Chef­scout Wolf­gang Geiger platzte in das Gespräch und soll im Streit verbal aus­fal­lend geworden sein. Unter anderem soll er Hertha als Stasi-Verein“ bezeichnet haben. Die Folge war ein Haus­verbot für den gesamten Olym­pia­park und die Geschäfts­stelle. Dar­aufhin schrieb Hertha-Manager Michael Preetz einen Beschwer­de­brief an die Deut­sche Fuß­ball Liga. Hof­fen­heims Manager Ernst Tanner ent­schul­dige sich für den ver­balen Aus­rut­scher seines Mit­ar­bei­ters.

Ein scheinbar ganz nor­maler Wett­be­werb

Für die Auf­re­gung der Kon­kur­renz hatten die Hof­fen­heimer Ver­ant­wort­li­chen damals übri­gens wenig Ver­ständnis. Ich kann die Klagen über uns nicht nach­voll­ziehen. An den zwei Spie­lern aus Berlin waren sechs andere Ver­eine inter­es­siert. Am Ende haben sie sich wegen der schu­li­schen Mög­lich­keiten für uns ent­schieden“, sagte Hopp und fügte hinzu: Wir befinden uns in einem ganz nor­malen Wett­be­werb mit anderen Ver­einen.“

Von einem sol­chen Wett­be­werb sprach auch der dama­lige Manager Tanner nach der Ver­pflich­tung Nico Frankes von Tennis Borussia Berlin. Wir stehen im Wett­be­werb und machen das Gleiche wie unsere Mit­be­werber. In der ganzen Repu­blik ist das gang und gäbe.“ Franke wech­selte übri­gens nur ein Jahr später in die Nach­wuchs­ab­tei­lung von RB Leipzig und spielt mitt­ler­weile in der sechsten Liga.

Das Agree­ment, dass man keine Spieler von anderen Profi-Klubs abwirbt, gibt es schon lange nicht mehr. Ich erwarte von meiner Jugend-Abtei­lung sogar, dass sie ver­sucht, die besten Spieler zu holen.“

Jan Schindelmeiser

Jah­re­lang hielten sich die Bun­des­li­ga­ver­eine an einen Ehren­kodex, keine talen­tierten Jugend­spieler von anderen Ver­einen abzu­werben, doch mitt­ler­weile ist das nicht mehr als ein Mär­chen. Das Werben und damit auch das Abwerben von Talenten in der Bun­des­liga ist tat­säch­lich gang und gäbe. Zuletzt wech­selte Flo­rian Wirtz mit 16 Jahren für 200.000 Euro vom 1. FC Köln zu Bayer Lever­kusen und avan­cierte dort prompt zum jüngsten Bun­des­li­ga­tor­schützen der Geschichte. Auch der FC Bayern Mün­chen ver­hielt sich dahin­ge­hend in der Ver­gan­gen­heit nicht immer vor­bild­lich. Erst am Dienstag sah sich Rum­me­nigge gezwungen, sich in der Zeit­schrift France Foot­ball zu recht­fer­tigen: Bayern Mün­chen hat noch nie einen Spieler ange­worben, um einen seiner Kon­kur­renten zu schwä­chen.“

Schon 2008, nach dem Bun­des­li­ga­auf­stieg der TSG, hieß es vom sport­li­chen Leiter Jan Schin­del­meiser. Das Agree­ment, dass man keine Spieler von anderen Profi-Klubs abwirbt, gibt es schon lange nicht mehr. Ich erwarte von meiner Jugend-Abtei­lung sogar, dass sie ver­sucht, die besten Spieler zu holen.“ Zwölf Jahre später ver­langt die TSG Hof­fen­heim nun Rück­sicht vom wirt­schaft­lich über­le­genen FC Bayern. Vor dem Hin­ter­grund der eigenen Ver­gan­gen­heit wirkt das ähn­lich schein­heilig wie Karl-Heinz Rum­me­nigges soli­da­ri­scher Schul­ter­schluss mit Dietmar Hopp.