Fanfreundschaften sind auch nur bessere Ehen. Sie erfordern viel Arbeit, können wunderschön sein und gehen dann doch zu Bruch. Dafür gibt es mehr Bier. Zum Tag der Freundschaft: Zehn Geschichten über ewige Treue, vergebene Liebesmüh und die Grenzen des guten Geschmacks.
1.
Wenn Schalke auf den 1. FC Nürnberg trifft, trinken sich Blau-Weiße und Schwarz-Rote an Fantreffs und Trinkhallen in friedlicher Einigkeit den grauen Liga-Alltag bunt. 2018 luden die Ultras Gelsenkirchen gar zur „gemeinsamen Spieleinstimmung mit unseren Freunden“ ein. Am vorletzten Spieltag 2017/18, als Nürnberg in der 2. Liga spielte und Schalke in der Bundesliga in Augsburg antrat, tauchten die Auswärtsfans den Gästeblock in Schwarz-Rot und präsentierten ein Banner mit der Aufschrift „Der FCN steigt wieder auf!“. Andere Spruchbänder: „Freunde für ein Leben – Schalke und der FCN wird’s für alle Zeiten geben!“ auf Schalke oder „Schalke und Nürnberg, das passt einfach zusammen“ in Franken. Na dann.
2.
Aber wie in jeder Beziehung gibt es auch bei Fanfreundschaften Höhen und Tiefen. Den Tiefpunkt erreichten Schalke und Nürnberg 2007 im Ligapokal. Aus dem Nürnberger Block schallte es plötzlich: „Ihr werdet nie deutscher Meister!“ Damit hatte kein Schalker gerechnet. Die Antwort ließ dennoch nicht lange auf sich warten und kam in Form eines inbrünstigen „Ihr seid Scheiße wie der BVB!“ Bäm, die eigentlichen Freunde mit dem Erzfeind gleichgesetzt. Dass man sich heute dennoch wieder innig zugetan ist, macht sogar für Lothar Matthäus‘ Ehe Hoffnung.
3.
Wie die Freundschaft zwischen den beiden Szenen entstanden ist, kann keiner mehr so ganz nachvollziehen. Ein Ruhrpott-Romeo und eine Franken-Julia, Schalker-Kutten mit Nürnberg-Aufnäher in einem Stern-Artikel, oder einfach nur eine zufällig verpasste Keilerei zwischen Gelsenszene und Red Devils in den 80er Jahren. Überhaupt lassen sich viele Fanfreundschaften in dieses Jahrzehnt zurückverfolgen. Ausversehen haute man sich nicht auf die Schnauze – und schwor sich anschließend bei eins bis zehn Pils ewige Treue. Es waren einfachere Zeiten.
4.
Auch gemeinsame Feinde können Freundschaften entstehen lassen. Zum Beispiel im Fall von Leverkusen und Offenbach. Nachdem in der Saison 1979/80 der Leverkusener Jürgen Gelsdorf seinen Frankfurter Gegenspieler Bum-Kun Cha brutal vom Platz grätschte, formierte sich am Main gar ein „Mordkommando Bum-Kun Cha“. Die Leverkusener waren vor dem Rückspiel in Frankfurt gewarnt – und die Kickers-Fans boten ihre Unterstützung an. Der Beginn einer langen Freundschaft. Nicht nur unter den Fans. Als Cha drei Jahre später nach Leverkusen wechselte, wurden auch er und Gelsdorf beste Freunde, sagte Reiner Calmund der Sportschau. Und sind es noch heute.
5.
Besonders umtriebig in Sachen Fanfreundschaften waren die Anhänger des BVB in den 90ern. Zu Lazio Rom, VfB Leipzig, Hertha BSC und Union Berlin – um nur einige zu nennen – bestanden mehr oder weniger gut gepflegte Beziehungen. Heute ist davon nicht viel geblieben. Spätestens, als nach dem doppelten Pott-Triumph von Dortmund und Schalke im Europapokal 1997 blau-weiß-schwarz-gelbe Schals kursierten, musste sich aber auch etwas ändern.
6.
Überhaupt haben sich viele Fanfreundschaften mehr oder weniger schleichend auseinandergelebt. Fußballfans sind eben auch nur Menschen. Ein Beispiel von vielen sind Bochum und Bayern. 1973 hatten die Bochumer Jungen, der älteste Fanklub Deutschlands, einigen Bayern-Fans in ihrer Kneipe Zuflucht gewährt, als die an der Castroper Straße angegriffen wurden. Ab da mochte man sich. So wirklich gegenseitig war das Verhältnis irgendwann nicht mehr, aus München gab es eher die kalte Schulter. Der Tiefpunkt war 2004 erreicht, als der FCB Vahid Hashemian verpflichtete. „Als ob mein bester Freund einen One-Night-Stand mit meiner Frau hat“, fand das ein Bochumer Fan. Damit ist auch über Hashemians Einsatzzeiten in München alles gesagt.
7.
Liebe kennt bekanntlich keine Grenzen. Fanfreundschaften ebenso wenig. Was auch erklären würde, wieso St. Paulianer und Fans von Celtic Glasgow ganz gut miteinander können. Gleichzeitig besteht zwischen den beiden Erzfeinden, dem HSV und den Rangers, eine lange Freundschaft. Neben der Politik und dem altbekannten „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“-Palaver verbindet die Szenen die historische Liebe zu Jörg Albertz, der sowohl im Volkspark als auch im Ibrox Publikumsliebling war.
8.
Dass an Junggesellenabschieden nicht alles schlecht ist, zeigt eine Geschichte aus der Regionalliga Nord. Als der kleine SV Eichede in seinem ersten Jahr in der Spielklasse bei der Zweiten von St. Pauli spielte, waren auch zehn Engländer zugegen, die eigentlich zum „JGA“ auf der Reeperbahn angereist waren. Die Gruppe kam aus Leamington Spa, nahe Birmingham, und hält es eigentlich mit dem lokalen Leamington FC. Der wie Eichede an jenem Tag auch in Schwarz-Gelb aufläuft. In der Halbzeit werden die ersten gemeinsamen Biere geöffnet, man kommt ins Gespräch. Seitdem besuchen sich die Fans zwei bis drei Mal pro Jahr. Und der Eicheder Schlachtruf „Kühe, Schweine, Eichede“ hat sich auch in Leamington durchgesetzt. An die landwirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst, skandieren die Fans „Chicken, Sheep, Leamington“. Das muss Liebe sein.
9.
Fanfreundschaften müssen aber nicht immer nur romantisch sein. In Wien kam eine Allianz der unheiligen Sorte zusammen. Vorwürfe, sie hätten eine rechte Gesinnung, griffen die Austria-Hools von „Unsterblich Wien“ auf ihre Weise auf. „Unsterblich soll rechts sein? Wir haben viele Freunde im Ausland“, schrieben sie auf ein Spruchband. Ergänzt wurde die Präsentation um Doppelhalter mit den Wappen von Real Madrid, Lazio Rom, FC Brno, Slovan Bratislava und Rot-Weiß Essen. Manchmal wächst eben doch zusammen, was zusammen gehört.
10.
Liebesbekundungen hin, Schulterschlüsse her: Vielleicht hält man es doch am besten mit den Ultras der „Brigate Gialloblu“ von Hellas Verona. Die bezogen schon in den 80ern ziemlich eindeutig Stellung und präsentierten ein Spruchband mit der Aufschrift „Noi odiamo tutti“. Wir hassen alle. Und das ist auch gut so.