Neymars Wechselwunsch zurück zum FC Barcelona ist das Eingeständnis seines Scheiterns. Und zugleich ein Hoffnungsschimmer.
Natürlich nervt Neymar, das theatralische Verhalten auf und neben dem Platz. Zwar wird niemand so häufig gefoult wie er (3,4 Mal pro Spiel in der vergangenen Ligue-1-Saison; der Wert bei Mario Balotelli etwa liegt exakt bei der Hälfte). Doch: Niemand macht daraus so ein schwer zu ertragendes Schauspiel. Ist er verletzt, und er ist immer häufiger verletzt jetzt, sieht man ihn mehr oder weniger öffentlich Party machen oder im Live-Stream Fortnite spielen.
Er teilt mit der Faust gegen einen Fan aus, Vergewaltigungsvorwürfe stehen im Raum. Er wehrt sich, macht alles öffentlich, doch die Anschuldigungen bleiben an ihm kleben. Denn sie passen so gut ins Bild. Und das nicht von ungefähr. Schon sein Wechsel zum FC Barcelona im Sommer 2013 war begleitet von krummen Deals, die über seinen Vater und an der Steuer vorbei gingen. Noch heute laufen entsprechende Gerichtsverfahren. Feierte Neymars geliebte Schwester in der brasilianischen Heimat Geburtstag, war er immer vor Ort. Strategisch geschickt eingefädelte Gelbsperren in La Liga sei Dank.
Lionel Messi, Cristiano Ronaldo – auch ihre Biographien sind mit Schmutz überzogen. Doch während Lionel Messi jenseits des Rasens (und von Steuerschulden) kaum öffentlich stattfindet, und CR7 trotz Vergewaltigungsvorwürfen die Läuterung vom schleimigen Schönling zur Titelhamster-Maschine längst gelungen ist, bleibt bei Neymar vor allem das Negative über.
Der Motor
Dabei ist er vor allem eines: eine Sensation. Tostão, brasilianischer Weltmeister von 1970, sagte unlängst im Interview mit der „SZ“: „Ich habe fast alle Spiele von Neymar gesehen: beim FC Santos, in Barcelona, in Paris, bei der Seleção. Fast immer ragte er heraus. (…) Er ist ein spektakulärer Spieler. Spektakulär! Spek-ta-ku-lär! Das sage ich bewußt drei Mal.“
Tom Williams sagt: „Er ist der einflussreichste Spieler von Paris. Mbappé mag viele Tore geschossen haben, aber es ist Neymar, der den Motor am Laufen hält.“
Und auch er trifft ja, weiter und immer weiter. In den insgesamt 58 Spielen für Paris St. Germain war er an 80 Toren beteiligt. In der Champions-League-Saison 2018/19 stand die Quote bei sieben Scorer-Punkten in sechs Spielen. Und doch sind die Zahlen nichts im Vergleich zu dem, was man bestaunen kann, wenn man ihn spielen sieht. Wenn er wie im Champions-League-Gruppenspiel gegen den FC Liverpool durch die Reihen schwebt, als sei Gegenpressing ein Kinderspiel.
Ein Flop? Mitnichten
Wenn er allein und auf der größten Bühne, die der Klubfußball zu bieten hat, aufleben lässt, was mal als „Joga bonito“ die Welt begeisterte und von brasilianischen Mannschaften nur noch homöopathisch dargeboten wird. Wenn er kurz darauf doch wieder trifft, als sei sein Name ein Synonym für Effizienz.
Und doch reichte all das nicht, um zu erfüllen, was er sich, was Paris sich von seinem Wechsel nach Frankreich erhoffte. Ein Flop war der Transfer dennoch nicht. Dank Neymar ist Paris in der Welt der Hyper-Klubs angekommen. Sie tragen sein Trikot von Rio bis Tokyo, vom Laufsteg bis in die Favelas. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis PSG die Champions League tatsächlich gewinnt.
Und trotzdem soll es jetzt zurück zum FC Barcelona gehen. Das Kind, das das nächste Level erreichen wollte, hat keine Lust mehr, mehr zu wollen. Dann wird er eben nicht zum besten Spieler der Welt gekürt. Nicht assoziiert mit einem der ganz großen Titel. Vielleicht nicht einmal ein großer Spieler. Sondern einfach nur glücklich.