Erst Klassenerhalt, dann Bolzplatz: St. Paulis Mittelfeldmotor spricht vor dem Saisonfinale über Freude am Fußball, den Abstiegskampf und die Sehnsucht, zu Hause mit den alten Kumpels zu kicken.
Christopher Buchtmann, würden Sie sich als heimatverbundenen Menschen bezeichnen?
Auf jeden Fall. Ich komme aus Hameln, also nicht weit weg von Hamburg. Wenn ich frei habe, fahre ich regelmäßig zu meinen Eltern. Auch meine Freundin kommt von dort. Die Beziehung zu meiner Heimat ist also nach wie vor sehr eng.
Trotzdem gingen Sie 2008 mit 16 Jahren vom Heimatklub nach England zum FC Liverpool.
Ich war vorher beim BVB und habe übergangsweise nochmal zu Hause gespielt, um den Wechsel zu ermöglichen. Liverpool als Verein ist nun mal ein absoluter Traum, genau wie die ganze Premier League. Die englische Fußballkultur ist nochmal verrückter als hier. Das alles aufzusaugen war die Erfahrung wert.
Zu Beginn lief es allerdings verletzungsbedingt nicht so gut. Sehnten Sie sich an der Merseyside manchmal danach, wieder mit den Kumpels in der Heimat zu spielen?
Ich bin zwar am Anfang für rund anderthalb Monate ausgefallen, danach kam ich jedoch gut rein. Wenn du zwischendurch alleine bist, hast du natürlich mal Sehnsucht. Aber Familie und Freunde haben mich besucht, deshalb war es okay. Und sportlich lief es dann auch für mich. Mit der deutschen U17 haben wir ja noch die Europameisterschaft gewonnen.
Das war 2009, die Heim-EM stand damals unter dem Motto „Fußball kennt keine Grenzen“ und sollte den Zusammenhalt im Team unterstreichen. Waren Sie die vielzitierten elf Freunde?
Es hat brutal viel Spaß gemacht. Und so haben wir auch gespielt. Wir haben die EM dominiert. Die Erinnerungen daran sind wunderschön. Der Zusammenhalt war überragend. Was sowas bewirken kann, sieht man auch momentan bei St. Pauli. Wir haben uns im Wintertrainingslager zusammengerauft und gemeinsam eine Serie gestartet.
Die im Klassenerhalt mündete. Wie groß war die Erleichterung?
Extrem groß, jedem ist ein Stein vom Herzen gefallen. Viele hatten uns ja schon abgeschrieben. Dass wir uns mit so überzeugenden Leistungen da noch rausgezogen haben, ist ein enormer Erfolg. Wir können stolz auf uns, die Fans und den ganzen Verein sein. Durch unsere Serie von fünf Siegen aus fünf Spielen war die Rettung aber auch hochverdient.
Vorher lief es für große Teile der Saison weniger gut. Wie sehr nimmt einem der Druck im Abstiegskampf manchmal die Freude am Fußball?
Wenn es nicht läuft, macht die Gesamtsituation keinen Spaß. Aber das gehört zum Fußball dazu, da musst du dich rauskämpfen. In solchen Situationen merkst du, dass Fußballprofi ein Job ist.
Gegen Fürth und Bochum konnten Sie in den letzten zwei Saisonspielen also befreiter aufspielen.
Klar, aber wir hatten immer noch ein Ziel: die beste Rückrundenmannschaft der Liga zu werden. Letzter nach der Hinrunde und Platz eins in der Rückrundentabelle, das hat es noch nicht gegeben.
Jetzt geht es in den Urlaub. Erstmal nach Hause und mit den alten Kollegen kicken, so ganz ohne Druck?
Ich fahre auf jeden Fall zu meinen Eltern, allerdings wäre es vielleicht gut, mal eine Woche lang nichts zu machen. (lacht) Aber in der Soccer Halle oder bei gutem Wetter im Garten bei dem einen oder anderen Kumpel muss das schon sein. Das macht einfach Laune.
Was macht diese „Laune“ für Sie aus?
Der pure Spaß am Spiel. Wenn ich mit meinen Freunden auf dem Bolzplatz kicke, ist es was anderes, als meinem Job nachzugehen. Natürlich bin ich glücklich als Profi, viele andere träumen von meinem Beruf. Aber mit den Jungs auf dem gleichen Platz wie früher, nebenan die alte Schule, das ist ein anderes Gefühl. Da kommen schöne Erinnerungen hoch, du fühlst dich wie mit zehn oder zwölf: Nach der Schule hin, mit den anderen treffen und los geht’s.
Wollen Sie nach der aktiven Karriere auch dort wieder die Fußballschuhe schnüren?
Zu Hause beim MTSV Aerzen mit den alten Kumpels in einer Altherren-Liga zu kicken, da hätte ich richtig Lust drauf. Aber bis dahin habe ich ja noch ein paar Jahre im Profifußball.