Ein Spiel nach dem anderen, dann geben ihnen die Länderspielreisen den Rest: Nicht nur dem FC Liverpool gehen bei der Terminhatz die Spieler aus.
Fabinho, Virgil van Dijk, Jordan Henderson, Joe Gomez, Andy Robertson, Trent Alexander-Arnold, Thiago Alcantara, Mo Salah, Alex Oxlade-Chamberlain, Rhys Williams. Noch ein guter Torwart dazu, dann wäre das ein Team, mit dem sich durchaus etwas gewinnen ließe, zum Beispiel die Champions League oder die englische Meisterschaft (was kein Wunder ist, schließlich sind es ausnahmslos Spieler des FC Liverpool).
Kurzfristig allerdings lässt sich mit diesem exquisiten Tableau kein Blumentopf gewinnen, handelt es sich doch bei der Auflistung um all jene Spieler, die Liverpool am Sonntagabend im Spitzenspiel gegen Leicester City aller Voraussicht nach NICHT zur Verfügung stehen. Weil sie entweder verletzt sind oder – wie im Falle von Mo Salah – positiv auf Covid-19 getestet wurden.
Wie böse es den FC Liverpool derzeit erwischt hat, lässt sich daran ablesen, dass dem englischen Meister alle vier Stammkräfte der Viererkette fehlen (Robertson, Van Dijk, Gomez, Alexander-Arnold) und die beiden einzigen Innenverteidiger, die noch mitmachen können, entweder zuletzt selbst sehr lange verletzt waren (Joel Matip) oder beim VfB Stuttgart gespielt haben (Nathaniel Phillips).
Es spricht für Jürgen Klopp, dass er die fast epische Verletzungsmisere mit Fassung trägt und sogar die vermutlich mit einem Hochzeitsbesuch in Verbindung stehende Corona-Infektion von Salah mit beinahe buddhistisch anmutender Milde begleitet. Möglicherweise liegt das daran, dass sich Liverpools Trainer keineswegs exklusiv mit dem Phänomen massenhafter Ausfälle auseinandersetzen muss. Englische Datenfüchse haben ermittelt, dass in der laufenden Saison 15 Profis des FC Liverpool zehn Tage oder länger wegen einer Verletzung oder Krankheit gefehlt haben. Beim Meisterschaftsrivalen Manchester City waren es bereits 16.
Keine Frage aber, dass diese wegen ihrer Terminfülle außergewöhnliche Saison schon jetzt ihre Opfer fordert – gerade in England, wo aus welchen Gründen auch immer (und bei dem Thema verliert dann selbst Klopp seine buddhistische Haltung) nach wie vor nur drei Auswechslungen pro Spiel erlaubt sind. Doch auch in Deutschland werden die Kader zunehmend lichter, wobei ein gewisses Muster zu erkennen ist. Erst werden die Profis im Alltag weichgekocht, dann geben ihnen die Länderspielreisen den Rest.
Die markantesten Beispiele hierzulande sind aktuell Leverkusen und Hoffenheim, wenn auch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Während die TSG von der Pandemie voll erwischt wurde, hat Bayer eine Reihe von Versehrten zu beklagen, darunter mit den Südamerikanern Arias und Palacios zwei Schwerverletzte (und mit Tapsoba jetzt auch einen Corona-Fall). Kein Wunder, dass Coach Peter Bosz eine Ungleichbehandlung gegenüber dem nächsten Gegner Arminia Bielefeld beklagt, musste der doch wegen lokaler Quarantäne-Vorschriften seine Nationalspieler nicht abstellen. Tatsächlich sollten sie beim DSC Arminia dem strengen Bielefelder Gesundheitsamt mal ein paar Pralinen vorbeischicken.
Die sportlichen Auswirkungen der zunehmenden Kaderverwüstungen sind im Moment noch nicht abzusehen. Hoffenheim, mit beeindruckender Frühform und einem 4:1 gegen den FC Bayern gestartet, ist in der Bundesliga mittlerweile auf Platz 13 abgerutscht, was den zuvor schon als neuen Stern am Fußballlehrerhimmel gehypten Sebastian Hoeneß zu einem Stoßseufzer veranlasste: „Man fragt sich, was man verbrochen hat.“
Zumal es mit der Terminhatz jetzt erst richtig losgeht. Bis Weihnachten hat allein Hoffenheim noch zehn Pflichtspiele zu absolvieren, Leverkusen ebenfalls, Liverpool bis Silvester (ein Hoch auf den Boxing Day!) sogar deren zwölf. Jürgen Klopp hat in der Länderspielpause gleich acht Jugendspieler mittrainieren lassen. Was da noch der Optimierung des Übungsbetriebs diente, könnte bald auch schon bei den Spielen an der Anfield Road das letzte Aufgebot sein.