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Seite 2: Martin trägt Dreadlocks: eine Rebellion im Kleinen

Der Mit­tel­feld­spieler wird in die Jugend-Natio­nal­mann­schaft berufen. Seinen inneren Zwie­spalt erkennt er nur ver­zerrt. Es gab in Örebro von Anfang an diese klare Linie zwi­schen den Alten und den Jungen. Als Junger hat­test du zu gehor­chen wie bei der Armee“, sagt er. In einem Trai­nings­lager auf Zypern erfährt ein älterer Mit­spieler von der Höhen­angst des Nach­wuchs­stars und kün­digt fürs Ende der Woche ein Bungee-Jum­ping an. Beng­tsson erlebt Tage voller Angst. Noch in der Nacht vor dem Sprung wacht er schweiß­ge­badet auf und beschließt, mit einem Boot die Insel zu ver­lassen. Am nächsten Tag erfährt er, dass alles ein Scherz war. Nun steht er als fehl­barer Held da, der diesem Männ­lich­keits­ri­tual nicht gewachsen gewesen wäre. Lachen dar­über kann er auch nicht, als ihm ein junger Mit­spieler in Aus­sicht stellt: Martin, nächstes Jahr können wir dann die Nach­wuchs­spieler foppen.“ Martin trägt fortan Dre­ad­locks, hört Punk­musik, es ist eine Rebel­lion im Kleinen, die von seinen Mit­spie­lern skep­tisch beäugt wird.

Es wäre Zeit inne­zu­halten, doch erneut geht alles viel zu schnell. Weil Beng­tsson als Kapitän des U18-Natio­nal­teams bril­liert, unter­breiten ihm Chelsea, Ajax und Inter Ange­bote. Er ent­scheidet sich für Mai­land. Die Ankunft im Inter­ello ver­läuft wie im Traum. Schon im ersten Trai­ning lässt er Marco Mate­razzi alt aus­sehen, anschlie­ßend nimmt ihn Coach Alberto Zac­che­roni zur Seite: Ich glaube, du machst es.“ Die Gaz­zetta dello Sport“ schwärmt, Martin Beng­tsson sei der kom­mende Star der Serie A.

Beng­tsson kauft sich ein Auto – er hat aber keinen Füh­rer­schein

Dem Glanz auf dem Platz steht die Mono­tonie des All­tags gegen­über. Der mitt­ler­weile 17-Jäh­rige lebt in einem kleinen Inter­nats­zimmer mit Dach­luke. Seine Pläne, in Mai­land die ita­lie­ni­sche Kultur ken­nen­zu­lernen und zur Schule zu gehen, ver­wirft er: Es gab nichts außer Fuß­ball. Wenn wir nicht trai­nierten oder spielten, hingen wir vor der Play­sta­tion oder schauten uns alte Par­tien auf dem haus­ei­genen Inter-Channel an.“ Mit seinen Mit­spie­lern läuft er durch die Stadt, kauft sich Dinge, die er nicht benö­tigt. Klei­dung von Dolce & Gab­bana oder die neu­esten Han­dy­mo­delle, die er seinen Freunde schickt, um zu zeigen: Ich habe es geschafft. Ein Auto legt er sich auch zu, dabei hat er nicht mal einen Füh­rer­schein.

In der Som­mer­pause 2004 ver­liebt sich Beng­tsson beim Hei­mat­be­such in Schweden in ein lebens­lus­tiges Mäd­chen. Mit ihr besucht er ein Musik­fes­tival, auf dem er Mor­rissey sieht. Neue Ein­drücke. Schlüs­sel­er­leb­nisse, sagt er heute. Meine Freundin wusste nichts über Fuß­ball, anfangs nicht einmal, dass ich bei Inter spiele.“ Es ist ihm fast pein­lich, ihr davon zu erzählen.

Ich wollte beides sein: Kurt Cobain und Roberto Baggio“

Zur neuen Saison wird Inter­ello zur Kaserne. Weil drei Spieler beim Kiffen erwischt werden, dürfen die Nach­wuchs­spieler das Gelände nur noch spo­ra­disch ver­lassen, nachts werden die Türen abge­schlossen. Beng­tsson kauft sich eine Gitarre und beginnt, Songs und Gedichte zu schreiben: Ich glaubte mit einem Mal, ich könnte beides sein: Kurt Cobain und Roberto Baggio.“

Doch der Fuß­ball hat für solche Ideen keinen Platz. Als er von einem Freund­schafts­spiel mit der U18-Natio­nal­mann­schaft zurück­kehrt, hat eine Putz­frau das krea­tive Chaos auf­ge­räumt und alle Songs, Gedichte und Bilder weg­ge­worfen. Das Zimmer eines Pro­fi­fuß­bal­lers sieht nicht so aus!“, schimpft sie. Die Mit­spieler zucken mit den Ach­seln. Schreib neue Songs“, sagen sie. Es war doch mein Tage­buch“, ant­wortet Beng­tsson. Sie zucken noch einmal mit den Ach­seln. Zwei Wochen später tele­fo­niert er zum letzten Mal mit seiner Freundin. Als er auf­legt, ist ihm klar: Ich kann so nicht heim­kehren, als Ver­lierer und Geschei­terter. Dann stellt er sein Handy aus.