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Der 21. Juni des letzten Jahres fiel auf einen Sonntag und war ein herr­li­cher Som­mertag. Die Sonne schien, es war warm, aber nicht zu heiß, und die Alte Förs­terei, wo sich sowieso immer wun­derbar Fuß­ball schauen lässt, brummte voller Vor­freude auf den Sai­son­be­ginn. Zu Gast war der VfL Bochum, der die schlech­teste Spiel­zeit, die ich mit dem Verein jemals erlebt hatte, von Anfang an ver­gessen lassen wollte. Es gab auf beiden Seiten die übli­chen neuen Spieler und fri­schen Hoff­nungen, dass diesmal alles besser werden würde. Und nach gut einer Stunde galt das erst einmal für den VfL Bochum.

Einer dieser Neuen, Danny Latza, schoss aus 25 Metern ein Traumtor. Über­haupt sah das gut aus, was Neuru­rers Mann­schaft da machte. Und Glück hatte sie auch noch. Vier Minuten vor Ende schoss Union zwar den Aus­gleich, doch kurz danach sprang einem Ber­liner der Ball im eigenen Straf­raum der Ball an die Hand. Den Elf­meter ver­wan­delte das Urge­stein Marcel Mal­t­ritz, und der VfL Bochum hatte gewonnen.

Das wird eine gute Saison!“

Ich will nicht sagen, dass ich beseelt war, aber glück­lich war ich schon. Ein schöner Tag, ein gutes Spiel, ein Sieg bei einer Mann­schaft, die als Geheim­fa­vorit auf den Auf­stieg galt, was konnte ich zu Beginn einer Saison mehr wollen. Doch dann machte ich einen Fehler. Einen schlimmen Fehler. Auf dem Weg nach Hause ver­kün­dete ich: Das wird eine gute Saison.“

Fuß­ball lebt auch vom andau­ernden Vor­aus­sa­ge­wesen. Ständig behaupten wir zu wissen, wer das nächste Spiel gewinnt, wer am Ende der Saison Meister sein wird und wer absteigt. Wir ver­künden, wel­cher Trainer was taugt, wel­cher Spieler vor einer großen Kar­riere steht und wer in Wirk­lich­keit ein schlimmer Stol­per­vogel ist. Dann behaupten unsere Freunde das Gegen­teil, und wir können lust­voll stun­den­lang dar­über debat­tieren. Bis sich das eine oder andere bestä­tigt, haben wir unsere Pro­phe­zei­ungen meist sowieso schon wieder ver­gessen. Es gibt in der Psy­cho­logie sogar einen schönen Fach­be­griff dafür, hind­sight bias, auf Deutsch: Rück­schau­fehler. Er besagt, dass wir uns beim Ein­treten eines Ereig­nisses nicht mehr daran erin­nern, dass wir etwas anderes vor­aus­ge­sagt haben.

Was wurde eigent­lich aus Marco Marin?

Leider ist mir dieses Ver­gessen nicht gegeben. Und ich werde hier auch den Namen des Kol­legen nicht nennen, bei dem das viel­leicht anders ist und der für 11FREUNDE unbe­dingt eine Geschichte über Marco Marin beim FC Sevilla machen wollte, weil der kleine Dribbler im spa­ni­schen Fuß­ball end­lich richtig auf­ge­hoben sei und folg­lich groß her­aus­kommen würde. Dieser Tage schickte Sevilla den dort geschei­terten Marin wieder zum FC Chelsea zurück.

Lieber werfe ich selber mit Steinen aus dem Glas­haus, denn diese Saison habe ich mir seit jenem ersten Spieltag der Zweiten Liga einen Kram zusam­men­pro­gnos­ti­ziert, den man eigent­lich nie­mandem ver­raten darf. Der schöne Sai­son­start des VfL Bochum wurde näm­lich zur siebten Saison in Folge, in der die blau-weißen Götter von der Cas­troper Straße schlechter abschlossen als in der zuvor. (Und Latza hatte am ersten Spieltag auch schon die Hälfte seiner beiden Sai­son­tore geschossen.) In diesem Fall könnte man viel­leicht noch auf mil­dernde Umstände plä­dieren, weil Liebe blind macht. Und zumin­dest sagte ich richtig voraus, dass in der Bun­des­liga die Bayern Erster, und Braun­schweig Letzter würde. Aber dafür brauchte man nun wirk­lich kein Fuß­bal­l­ab­itur.

Aber wel­ches andere Selbst von mir war eigent­lich auf die Idee gekommen, den Ham­burger SV vor der Saison als Tabel­len­dritten zu sehen und Han­nover als Vor­letzten, wie ich zu meinem völ­ligen Ent­setzen auf dem Tipp­zettel vom letzten Sommer sehen musste. Ich kann das jeden­falls nicht gewesen sein, auch wenn ich nach dem Start der Rück­runde und meinem Besuch des 0:3 des HSV gegen Schalke nun laut­stark behaup­tete: Der HSV steigt ab!“

Arminia Bie­le­feld: Tolle Kämp­fer­truppe!“

Dafür war ich völlig über­zeugt davon, dass der 1.FC Nürn­berg mit Gertjan Ver­beek auf dem rich­tigen Weg war. Real Madrid würde wegen seiner schlechten Defen­sive natür­lich nicht die Cham­pions League gewinnen. Und nach Dort­munds 0:2 im Vier­tel­fi­nale der Cham­pions League in Madrid war für mich klar, dass Fuß­ball auf diesem Niveau für einen gewissen Erik Durm eine Nummer zu groß war. Jogi Löw hat mein Urteil nicht beein­druckt. Der SC Pader­born wie­derum ließ sich von meinen Zwei­feln („Keine Ahnung, warum die immer gewinnen“) nicht auf dem Weg in die Bun­des­liga stoppen und Arminia Bie­le­feld („tolle Kämp­fer­truppe“) nicht in die Dritte Liga.

Nach diesem Pro­phe­zei­ungs­de­saster steht fest: Sollte dem VfL Bochum in der nächsten Saison an einem schönen Son­nentag mal wieder eine gute Leis­tung und ein beglü­ckender Sieg gelingen, werde ich daraus keine Schlüsse ziehen. Ich werde voll­bud­dhis­tisch nicht zurück in die Ver­gan­gen­heit schauen und schon gar nicht in die Zukunft, son­dern ein­fach nur den Moment genießen. Wer weiß schon, wann der nächste kommt. Ansonsten bleibe ich vor­sichtig: Hon­duras wird nicht Welt­meister – wahr­schein­lich.