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Seite 4: Mehr Fernsehen, mehr Geld und mehr Gier

Es hat sich im Fuß­ball kaum jemand richtig Gedanken dar­über gemacht, was dadurch pas­sieren würde, dass viel mehr Geld vom Fern­sehen kam“, sagt Holz­häuser und erzählt von der ersten Mana­ger­ta­gung nach dem Start von ran“. Da haben empörte Stimmen pro­tes­tiert, dass es doch nicht sein könne, dass die Spieler sofort befragt würden und sich nicht erst einmal in der Kabine beru­higen dürften.“ Es habe sogar For­de­rungen nach gefönten Inter­views“ gegeben, die Spieler also erst frisch geduscht befragen zu lassen. Auch viele Fernseh- und Kul­tur­kri­tiker hatten für den neuen Fern­seh­fuß­ball nur Ver­ach­tung. „›ran‹ schleppt mehr Zierrat mit sich herum als eine Kokotte aus Hol­ly­wood, lauter Fuß­ball-Kitsch und vor­ge­täuschter Fuß­ball-Tief­gang“, echauf­fierte sich die Zeit­schrift Sports“. Die Süd­deut­sche Zei­tung“ knurrte über in Rekla­me­pro­gramme ein­ge­schnürte Bun­des­li­ga­s­trips“.

Gegen den modernen Fuß­ball“

Ist es nicht gött­lich, dass daraus eine rich­tige Kul­tur­de­batte ent­standen ist“, sagt Beck­mann heute. Doch darin ging es bald um mehr als rote Jeans­ja­cken oder die Frage, ob Sta­tis­tiken beim Fuß­ball nerven. Ab der zweiten Saison von ran“ wurden regel­mäßig ein Bun­des­li­ga­spiel sonn­tags aus­ge­tragen und ein Zweit­li­ga­spiel live am Mon­tag­abend im neuen DSF gezeigt. Das pro­vo­zierte die erste Pro­test­welle gegen den Ein­fluss des Fern­se­hens, weil viele Fans ihrem Team am Wochentag kaum noch nach­reisen konnten. Von da an gärte es in den Kurven, und als 1999 das Mani­fest der Ultras des AS Rom erschien, gab es eine Kampf­pa­role: Gegen den modernen Fuß­ball“. Auch wenn der Begriff, der in den meisten Kurven auf Trans­pa­renten steht, bis heute vage geblieben sein mag, so zielte er auf einen Fuß­ball, der deut­li­cher als je zuvor von wirt­schaft­li­chen Über­le­gungen getrieben war. Das galt für die Spieler, denen unge­ahnter Reichtum winkte, die wach­sende Zahl ihrer Berater, Ver­mark­tungs­agen­turen, Rech­te­händler und die Klubs selbst. Denn es ent­stand vor 20 Jahren das, was in Eng­land foot­ball industry“ genannt wird.

Im Herbst 1992 erschien Der gezähmte Fuß­ball“ von Diet­rich Schulze-Mar­me­ling. Der Unter­titel des Buchs, Zur Geschichte eines sub­ver­siven Sports“, brachte die Inter­pre­ta­tion des Fuß­balls als pro­le­ta­risch-strup­pige und ins­ge­heim wider­stän­dige Kultur auf den Punkt. Das Timing war gut, denn offen­sicht­lich ging diese Geschichte gerade vorbei. Der Fuß­ball bekam ein neues Aroma, das er bis heute nicht ver­loren hat und das noch immer auch bitter durch­schmeckt. Weil mehr Geld da war, ging es mehr um Geld, 1992 war da erst der Anfang.

Mehr Fern­sehen, mehr Geld und mehr Gier

Wie hart die Ver­tei­lungs­kämpfe aus­ge­tragen wurden, zeigt die Grün­dung der eng­li­schen Pre­mier League, die eben­falls 1992/93 ihre erste Saison spielte. Sie war letzt­lich die Auf­kün­di­gung eines 100 Jahre alten Soli­dar­pakts der 92 eng­li­schen Pro­fi­klubs. Ange­trieben von den Big Five, zu denen damals Man­chester United, der FC Liver­pool, FC Arsenal, der FC Everton und Tot­tenham Hot­spur gehörten, spal­tete sich die erste Liga ab, um mehr vom grö­ßeren Kuchen zu bekommen. Zur glei­chen Zeit ent­zogen sich die Klub­be­sitzer den alten Kon­troll­me­cha­nismen, die bewirkt hatten, dass man mit Ver­einen nicht wirk­lich Geld ver­dienen konnte. Eng­li­sche Klubs wurden zu Spe­ku­la­ti­ons­ob­jekten.

Doch trotz der vielen Bit­ter­stoffe erfüllte sich die düs­terste Pro­phe­zeiung aller Skep­tiker nicht. Mehr Fern­sehen, mehr Geld und Gier, mehr Regu­lie­rung auf den Rängen und schwin­dende Loya­lität der Spieler haben den Fuß­ball nicht zer­stört. Auch nicht, dass Kicker zu Cele­bri­ties wurden, was der größte Fuß­baller jener Tage, Lothar Mat­thäus, durch die Ehe mit der schwei­ze­ri­schen Fern­seh­mo­de­ra­torin Lolita Morena begann. Im Gegen­teil: Nie war Fuß­ball so groß wie heute. Nie waren die Sta­dien so voll. Nie hat der Fuß­ball ein so großes Publikum erreicht. Nicht mehr nur Männer, son­dern auch Frauen. Nicht mehr nur Arbeiter und kleine Leute, son­dern alle.