Lazio Rom ist Italiens Überraschungsmannschaft und fasst nun sogar den Scudetto ins Auge. Dabei erinnern die Italiener an den Englischen Meister von 2016 – Leicester City.
Die 90 Minuten seiner Mannschaft quälten den älteren Herren im schwarzen Wintermantel an der Seitenlinie des Stadio di Olimpico sichtlich. Mal stand er regungslos vor der Gästebank, mal gestikulierte er wild, als könne er so selbst weitere Gegentore seiner Mannschaft verhindern. Doch es half alles nichts. Am Ende, das musste auch Claudio Ranieri, der ergraute Trainer der Gäste feststellen, stand es 5:1 für Lazio Rom. Für Ranieri, der mit Sampdoria Genua im Abstiegskampf steckt, eine herbe Niederlage. Doch trotz der Sorgen um die sportliche Situation seiner Mannschaft weckte das Spiel offenbar sentimentale Erinnerungen an erfolgreichere Tage seiner Trainerkarriere. In den vergangenen Jahren war das italienische Titelrennen ob der Dominanz Juves eine »One Man Show«. Doch mit Lazio Rom mischt nun ein Verein im Kampf um den Scudetto mit, der im Gegensatz zur Konkurrenz aus Mailand und Turin mit einfacheren Mittel kämpft – wie einst Ranieri selbst zu seiner Zeit bei Leicester City. Und so gestand der Mister in den Katakomben des Stadions, dass ihn die Auftritte Lazios an seine eigene Geschichte erinnerten: »Wenn die Laziali im März immer noch dort oben stehen, könnten sie das italienische Leicester werden.«
Denn mit dem Sieg gegen Sampdoria Genua am vergangenen Wochenende und Inters Unentschieden gegen Lecce verkürzten die Römer nicht nur den Abstand auf den Tabellenzweiten aus Mailand (zwei Punkte), sondern setzten auch eine beeindruckende Siegesserie fort. Seit dem Unentschieden gegen Atalanta Bergamo Mitte Oktober hat Lazio keinen einzigen Punkt im Titelrennen liegen lassen. Mit anderen Worten: Lazio hat die letzten elf Spiele gewonnen. Das ist nicht nur Klub-Rekord, sondern bietet auch Anlass zum Träumen für diejenigen, die es in der Hauptstadt Italiens mit den Blauen halten. Doch nicht nur die Fans scheinen in Anbetracht des Erfolgs euphorisiert. Auch Trainer Simone Inzaghi wagte nach Abpfiff der Partie eine Kampfansage: »Ich glaube an den Scudetto«, sagte er kurz, aber deutlich. Der Traum von der ersten Meisterschaft Lazios seit zwanzig Jahren, erscheint dieser Tage realistischer als je zuvor.
Dass Inzaghis Aussage kein spontaner Gefühlsausbruch, sondern wohl überlegt war, wird mit Blick auf seine bereits fast vierjährige Amtszeit deutlich. Kein anderer Trainer der Top-Vier-Vereine der aktuellen Serie-A-Saison arbeitet auch nur annähernd so lange mit seinem Team zusammen wie Inzaghi. Kein anderer Trainer der Titelanwärter kennt seine Mannschaft so gut wie der 43-jährige. Und kein anderer Coach an der Seitenlinie eines Meisterschaftsaspiranten dürfte seiner Mannschaft daher so sehr vertrauen wie Inzaghi seinen Spielern vertraut.
Während die Konkurrenten aus Neapel, Turin, Mailand sowie der Stadtrivale in hoher Regelmäßigkeit ihre Übungsleiter austauschten, etablierte Inzaghi in aller Ruhe sein taktisches Grundgerüst. Nach anfänglichem Wechsel zwischen Vierer- und Dreierkette schickt der ehemalige Lazio-Stürmer seine Mannschaft seit fast drei Jahren in einem 3 – 5‑2-System auf die Plätze Italiens. Auch eines der Gesichter des Erfolgs der Römer hält die positive Entwicklung Lazios vor allem für eine Folge der Konstanz auf dem Posten des Cheftrainers. Mit der Erfolgsserie würde die Mannschaft »die Früchte der langen Arbeit mit unserem Trainer« ernten, konstatierte Stürmer Ciro Immobile.