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Bis­lang hieß der bekannte digi­tale Fan-Kar­tei­kasten der Polizei Datei Gewalt­täter Sport.“ Ange­sie­delt bei der Poli­zei­be­hörde in Nord­rhein-West­falen erfassen die Beamten Daten von über 13 000 Fuß­ball­fans in Deutsch­land, die Straf­taten bei einer Sport­ver­an­stal­tung aus­übten. Dass soll die Arbeit am Spieltag erleich­tern. Die Datei wird immer wieder kri­ti­siert, mal, weil ein bisher unauf­fäl­liger Fan sich plötz­lich in dieser Datei wie­der­findet, mal, weil auch schon Per­so­na­lien-Fest­stel­lung aus­reichten, um als Fan in der Datei zu landen.

Diese Kri­tiker haben in den ver­gan­genen Monaten neue Nah­rung erhalten. Es wurden wei­tere Daten­banken ent­hüllt, in denen die Polizei Fuß­ball­fans mit sehr per­sön­li­chen Infor­ma­tionen regis­triert. Die Grund­lage sind Beob­ach­tungen von sze­ne­kun­digen Beamten (SKB), die von der Polizei für jede Fan­szene abge­stellt sind. Heikel ist, dass die Daten­banken offenbar nicht für die Öffent­lich­keit bestimmt waren. Sie wurden geheim gehalten.

Erst als ein Anwalt in Nie­der­sachsen für seine Man­dantin vor Gericht her­aus­fand, dass sie in dieser Datei erfasst wird, begannen auch einige Poli­tiker, sich dafür zu inter­es­sieren, fragten nach und deckten damit wei­tere Dateien auf. Wir haben den Spre­cher der Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft der Fan­pro­jekte (BAG) Philip Krüger gefragt, was er davon hält:

Philip Krüger, wann haben Sie erfahren, dass es neben der Datei für Gewalt­täter Sport noch wei­tere Daten­banken über Fuß­ball­fans gibt?
Es wurde schon länger ver­mutet, dass ein­zelne Bun­des­länder eine solche Datei führen. Das aber die Exis­tenz der Datei zum Bei­spiel unseren Fan­pro­jekt-Mit­ar­bei­tern gegen­über, wie in Ham­burg geschehen, geleugnet wurde, obwohl es sie 2006 gibt, war uns neu. Das können wir nicht ein­fach so akzep­tieren.

Im Umfeld von Fuß­ball­spielen kommt es gele­gent­lich zu Straf­taten, welche die Polizei schon vorher ver­hin­dern möchte. Dafür sam­melt sie Infor­ma­tionen über beson­ders auf­fäl­lige Fans. Warum kri­ti­sieren Sie das? 
Die Polizei darf und soll per­so­nen­be­zo­gene Daten spei­chern, wenn es zur Auf­klä­rung von Straf­taten bei­trägt. Das hat sie bis­lang auch zum Bei­spiel in der Datei Gewalt­täter Sport gemacht. Wenn Zeugen oder Beschul­digte direkt ver­nommen werden ist das richtig, denn dort besteht ein direkter Zusam­men­hang. Bei den so genannten SKB-Dateien ist es leider sehr unklar: Wer hat Zugriff? Wo gibt es diese Datei? Seit wann werden die Daten geführt und geschieht das ein­heit­lich? Welche Daten werden erhoben und gespei­chert? 

Der Innen­mi­nister von Nord­rhein-West­falen schreibt, dass nur ganz wenige Beamte Zugriff auf diese Datei haben. 
Kann sein, kann aber auch nicht sein. Wir wissen es nicht. Das Grund­recht auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stimmt­heit wird dabei nicht ein­ge­halten. Wenn, wie in Ham­burg, die Datei geleugnet wird, kann mir die Behörde ja auch nicht sagen, dass sie darin Daten von mir sam­melt. Das ent­spricht nicht meiner Auf­fas­sung eines Rechts­staates. 

Die Bun­des­länder, in denen die Datei bekannt wurde, sind nach WDR-Recher­chen Schleswig-Hol­stein, Ham­burg, Nie­der­sachsen, Hessen, Rhein­land-Pfalz, Berlin, und Nord­rhein-West­falen. Baden-Würt­tem­berg hat den Status seiner Datei von geheim in offi­ziell umge­wan­delt. Alleine in Nord­rhein-West­falen sind über 6000 Fans in der SKB-Daten­bank gespei­chert.

Das WDR-Magazin Sport Inside berich­tete im Dezember, dass die gespei­cherten Daten sehr per­sön­lich sind und viel weiter gehen als die gesam­melten Infor­ma­tionen aus der Datei für Gewalt­täter Sport. Neben dem Beruf, der Per­so­nen­be­schrei­bung, Kon­takt­daten, Fan­zu­ge­hö­rig­keit, Auf­ent­haltsort, Fahr­zeug­daten befindet sich auch die Funk­tion in der Fan­gruppe in der SKB-Datei.

Herr Krüger, halten Sie diese penible Über­wa­chung für mög­lich?
Das steht im Raum, aber wir wissen es nicht. Des­wegen for­dern wir mehr Trans­pa­renz und eine Auf­klä­rung über diese Datei.

Welche Folgen hat es, wenn man als Fan in der SKB-Datei abge­spei­chert wird?
Auch das wissen wir nicht. Offen­sicht­lich sind die Folgen bei einem Ein­trag in der Datei Gewalt­täter Sport. Das kann zum Bei­spiel für Pro­bleme bei der Aus­reise sorgen. Mir ist ein Fall eines Schü­lers bekannt, der zur Klas­sen­fahrt nach London wollte. Dort fand gleich­zeitig das FA-Cup-Finale statt. Erst durch die Aus­sage des Leh­rers, der ver­si­cherte, dass dies eine Klas­sen­fahrt sei, ließen die Beamten den Schüler aus­reisen.

Bis­lang weiß man von acht Bun­des­län­dern, die eine solche Datei führen. Was glauben Sie wie viele Bun­des­länder diese Geheim­datei noch führen?
Ent­spre­chende Anfragen von ver­schie­denen Poli­ti­kern in den Land­tagen laufen, teil­weise haben Kol­le­ginnen und Kol­legen aus den Fan­pro­jekten diese Anfragen mit ange­regt. Ich ver­mute, dass schon bald her­aus­kommt, das wahr­schein­lich vier­zehn von sech­zehn Bun­des­län­dern eine solche Datei führen.

Neu an der Datei ist, dass auch SKBs Daten sam­meln und ver­werten. Muss man deren Arbeit nun anders bewerten als vorher?
Ein Bei­spiel: Ein SKB beob­achtet am Spieltag, dass sich Fan A mit Fan B lange unter­hält. Fan A ist der­je­nige, der in der Ver­gan­gen­heit schon mehr­mals ver­nommen wurde, der Böse“. Über Fan B aber weiß der SKB nichts. Es ist sein Job, das zu sehen, sich das zu merken, aber es ist nicht gerecht­fer­tigt, Fan B des­halb womög­lich auch in diese Datei ein­zu­bauen und diese Daten anderen zur Ver­fü­gung zu stellen und dadurch wohl­mög­lich noch Teil einer Polizei-Prä­ven­tiven-Maß­nahme, wie zum Bei­spiel eines Bereichs­be­tre­tungs­ver­botes, zu werden. Nie­mand kann nach­voll­ziehen, welche Daten von wem zu wel­chem Zweck gesam­melt werden. Leider müssen wir beob­achten, dass immer mehr Fans von poli­zei­li­chen Maß­nahmen betroffen sind.

Die Polizei sagt, dass der Vor­wurf der Geheim­hal­tung abstrus sei, weil Ermittler nicht immer dar­über infor­mieren können, was sie unter­nehmen.
Die Polizei kann nicht zu 100 Pro­zent trans­pa­rent arbeiten, das ist richtig. Das min­deste aber, was pas­sieren muss, ist, dass die Polizei ihr Han­deln auf eine recht­liche Grund­lage stellt oder aber klare Kri­te­rien nennt. Ich bin der Auf­fas­sung, die Polizei könnte noch trans­pa­renter sein, ohne dabei ihre Ermitt­lungs­er­geb­nisse zu gefährden. Der Satz Wir machen das für mehr Sicher­heit“ klingt aber in der sehr auf­heizten Stim­mungs­lage gerade sehr stark und wird zu wenig hin­ter­fragt. Warum sollen alle Fuß­ball­fans ein Sicher­heits­ri­siko sein? Oder anders gefragt: Warum sollte jeder Sta­di­on­be­su­cher ein poten­ti­eller Ein­trag in einer Datei sein?

Können sich Fans dagegen wehren?
Wer sich betroffen fühlt, kann formlos oder mit einem vor­ge­fer­tigten For­mular eine Aus­kunft bei der zustän­digen Poli­zei­be­hörde anfragen. Wenn man eine Löschung erwirken möchte, sollte man sich einen Rechts­bei­stand suchen.

Mit den Fan­pro­jekten leisten Sie vor allem Sozi­al­ar­beit und betreiben päd­ago­gi­sche Auf­klä­rung. Was bedeuten die Ent­hül­lungen dieser Geheim­da­ten­banken für Sie?
Wir wollen und sollen jungen Her­an­wach­senden gesell­schaft­liche Zusam­men­hänge ver­mit­teln und Ver­ständnis für die Arbeit von anderen wecken. Dazu gehört es auch, die Auf­gabe der Polizei in einem Rechts­staat dar­zu­stellen. Leider sehen wir bei den SKB-Dateien, dass sich die Polizei selbst nicht an gel­tendes Recht hält. Das erschwert unsere Arbeit unge­mein. Solche Ent­hül­lungen beflü­geln die Mei­nung der­je­nigen, die meinen, sie müssen mit der Polizei ohnehin nicht reden.