Was ist das Pokalfinale ohne Fans wert? Der Leverkusen-Fan Marvin Sonnenberg findet: nichts. Und hat eine Petition zur Verlegung des Endspiels gestartet.
Marvin Sonnenberg, Sie haben eine Petition ins Leben gerufen, damit das DFB-Pokalfinale verschoben wird, bis wieder Zuschauer ins Stadion dürfen. Warum?
Weil es für mich keinen Grund gibt, warum das Spiel in den nächsten Wochen ausgetragen werden muss. Mit Leverkusen und Bayern, den beiden Finalisten, stehen die Europapokalteilnehmer bereits fest. Ein Geisterspiel wird der Bedeutung eines Pokalfinales einfach nicht gerecht, es wäre nicht das gleiche.
Mit welchen Gefühlen haben Sie das Halbfinale gegen Saarbrücken gesehen?
Zugegeben, die Chancen standen nicht schlecht, dass wir gewinnen. Also habe ich schon im Vorfeld mit meinen Freunden überlegt, wie wir den Finaleinzug feiern würden. Das Ergebnis war ernüchternd. Nach dem Abpfiff saß ich mit einem Kumpel auf dem Sofa. Irgendwann bin ich nach Hause gefahren. Normalerweise hätte ich diesen Moment glücksbesoffen mit meinen Freunden bis frühmorgens gefeiert.
An dem Abend haben Sie die Petition zur Verlegung des Pokalfinales aufgesetzt.
Ich saß im Auto und dachte: Das kann’s doch jetzt nicht sein. Dieser Gedanke an das Eigentlich hat mich so geärgert. Und dann kam die Aussicht hinzu, nicht nach Berlin zu fahren, nicht den ganzen Tag in der Hauptstadt mit Freunden auf das Spiel zu warten, nicht die Atmosphäre im Olympiastadion aufzusaugen. Ich finde, davon lebt ein DFB-Pokalfinale.
Es geht immerhin um einen Titel…
… und um die Europapokalteilnahme. Der Europapokal ist aber beiden Mannschaften durch das Abschneiden in der Bundesliga nicht mehr zu nehmen. Und auf den Titel kann jeder Spieler, jeder Fan auch noch ein Dreivierteljahr warten.
In Spanien warten Athletic Bilbao und Real Sociedad San Sebastian freiwillig auf die Austragung, um das rein baskische Finale mit den Fans feiern zu können.
Das war das Vorbild. Ich habe mir gedacht: Warum nicht auch hier? Wir waren Vorreiter beim Start der Bundesliga. Und ich kritisiere gar nicht die Geisterspiele, aber das Finale hat keinen Termindruck. Warum also nicht auch hier etwas ausprobieren?
Bilbaos Stürmer Aritz Aduriz, eine Klublegende, hat vor wenigen Tagen seine Karriere beendet. Er wird nun nicht mehr Pokalsieger.
Ich verstehe schon. Und auch in Leverkusen besteht ja die Möglichkeit, dass in einem halben Jahr Kai Havertz auf der anderen Seite aufläuft. Möglicherweise stehen die sportlichen Chancen, gegen die Bayern mal zu gewinnen, also nie besser als in vier Wochen. Aber ganz ehrlich: Was würde dieser Titel bedeuten, wenn niemand da war, um ihn zu feiern?
Wie fielen die Reaktionen bisher aus?
Ich bin total überrascht. Es haben über 1.700 Menschen unterschrieben. Und der Leverkusener Kurvenrat, der sich für die Belange der Fans einsetzt, hat dazu aufgerufen, an die Verantwortlichen des Vereins zu schreiben. Wichtig wäre es, wenn sich auch Bayern-Fans für dieses Anliegen einsetzen würden.
Das Argument mit den vergebenen Europapokalplätzen greift nur, weil auch Bayern im Finale steht. Wie schwer fiel es Ihnen, den Bayern gestern die Daumen zu drücken?
Daumendrücken für die Bayern? Nee, das habe ich nicht gemacht. Konnte ich einfach nicht.
Seit wann sind Sie Fan von Bayer Leverkusen?
Ich bin Dauerkarteninhaber seit 1999/2000, als ich als Kind mit meinem Papa ins Stadion gegangen bin. Das heißt, seit Leverkusen den ersten Titel in letzter Sekunde verspielt hat. Seitdem fahre ich auch auswärts und warte darauf, dass wir endlich einen Titel holen. Manchmal arbeite ich als Tourguide in der BayArena und wenn wir dann zur Trophäensammlung kommen, die ausländischen Gäste schauen immer ganz gespannt, muss ich ihnen unsere spärliche Sammlung zeigen. Jedes Jahr sage ich: Diesen Sommer holen wir was!
Und darauf würden Sie also warten wollen?
Ich habe so lange gewartet, da kommt es auf ein paar Monate nicht an. Wenn beide Fanlager nach der Coronakrise ins Olympiastadion kommen dürfen, ohne Bedenken, endlich wieder zum Fußball – die Hütte würde brennen! Was für ein Unterschied zum tristen Ambiente, das in vier Wochen herrschen würde.
Für Sie keine Alternative.
Die Halbfinalspiele in dieser Woche haben doch bewiesen, das es das nicht ist. Das ist nicht Pokal, nur ein belangloses Fußballspiel.
Marvin Sonnenberg, kann der DFB es sich wirklich leisten, so viel Rücksicht auf die Interessen der Leverkusen-Fans zu nehmen? Es geht da ja nur um zwei Leute…
(Lächelt müde.) Den Gag habe ich ja noch nie gehört. Ganz ehrlich, wir sind nicht die größte Fangruppe in Deutschland, aber auch wir machen das Olympiastadion zum Hexenkessel. Ich war vor der Coronakrise in Glasgow zum Europa-League-Spiel. Wer die Stimmung dort wahrgenommen hat, weiß: Leverkusens Fans brauchen dieses Pokalfinale. Aber vor Ort.