Kaum ein Verein hat je einen solch spektakulären Absturz erlebt wie derzeit der FC Schalke 04. Begleitend zu unserer aktuellen Titelgeschichte präsentieren wir hier die Hintergründe zur Schalker Horror-Saison.
Vor drei Jahren noch Vizemeister, bald in der zweiten Liga. In der Titelgeschichte unserer aktuellen Ausgabe gehen wir der Frage nach: Was hat den FC Schalke 04 über all die Jahre so kaputtgemacht? An dieser Stelle präsentieren wir Ergebnisse unserer Recherchen, die vom Elend der aktuellen Saison zeugen. 11FREUNDE #233 ist ab heute am Kiosk und hier bei uns im Shop erhältlich.
27.06.2020
Der FC Schalke beendet die Saison mit einer 0:4‑Niederlage beim SC Freiburg als Tabellenzwölfter. Noch Mitte Januar stand die Mannschaft auf Platz fünf mit Tuchfühlung zur Champions League. Doch danach gewinnt sie kein Spiel mehr, besonders schlimm wird es nach der Corona-Pause. Aus neun Spielen holt die Mannschaft nur noch zwei Punkte. Hatten den Aufschwung noch Trainer David Wagner, der Technische Direktor Michael Reschke und der Sportvorstand Jochen Schneider gemeinsam bewerkstelligt, zerbricht das Trio nun. Reschke wirft Wagner vor, die Mannschaft schlecht auf den Re-Start vorbereitet zu haben. Schneider schlägt sich auf die Seite von Wagner, mit dem er auch in die neue Saison gehen will. Schneider und Wagner wollen die Verträge von älteren Spielern wie Benjamin Stambouli verlängern, Reschke ist dagegen.
30.06.2020
Clemens Tönnies tritt nach 26 Jahren im Aufsichtsrat und 19 Jahren als dessen Vorsitzender zurück. Zuvor haben Fans am Vereinsgelände eine Menschenkette gebildet, auf einem mitgebrachten Banner ist zu lesen: „Unser Virus nennt sich Aufsichtsrat“. In der Corona-Pandemie steht Tönnies als Mann da, der „Ohne Skrupel zum Erfolg“ gekommen ist, wie die Frankfurter Rundschau schreibt. Rheda-Wiedenbrück, der Sitz seines Unternehmens, ist Hotspot der Pandemie, weil sich in Tönnies Betrieb osteuropäische Leiharbeiter in großer Zahl infizieren. Weil Tönnies de facto auch Vorstandsvorsitzender war, entsteht an der Spitze bei Schalke ein Vakuum, das Sportvorstand Schneider und Marketingvorstand Alexander Jobst weder richtig füllen wollen noch können.
28.07.2020
Schalke erhält eine Bürgschaft des Landes NRW über 31,5 Millionen Euro, um einen Bankkredit aufnehmen zu können. Damit ist zwar die Finanzierung der Saison gesichert, aber der Klub kann keine Spieler verpflichten, ohne vorher welche abzugeben. So platzt die Verpflichtung des schwedischen Nationalstürmers Sebastian Andersson, weil es Schalke bis zum Stichtag nicht gelingt, einen Spieler zu verkaufen. Schneider und Wagner planen den Kader mehr oder weniger alleine, Reschke ist weitgehend außen vor. Einen Großteil der von Reschke vorgeschlagenen Verpflichtungen befinden Wagner und Schneider entweder für zu teuer oder für zu alt, auf Mario Mandzukic beispielsweise trifft beides zu. Spieler und Berater rätseln häufiger, wer denn nun bei Schalkes Transferangelegenheiten der richtige Ansprechpartner des Klubs ist. Immer wieder hört man, dass Schneider und Reschke kaum miteinander kommunizieren würden. Wo der eine „Hü“ sagt, sagt der andere „Hott“. Der entscheidende Dissens zwischen Schneider und Reschke besteht in der Trainerfrage: Schneider will auf Kontinuität setzen und traut Wagner die Wende zu. Reschke sieht das anders. Er sollte recht behalten.
06.08.2020
Fünf Wochen nach Ende der Vorsaison findet das erste Training der neuen Spielzeit statt. Als Reaktion auf die vielen Verletzungen und den schlechten Fitnesszustand sind die bisherigen Athletiktrainer entlassen worden. Werner Leuthard hat die neu geschaffene Stelle des Leiters Performance Lizenzspieler übernommen. Für den 58-Jährige Medizinball-Guru, der lange mit Felix Magath gearbeitet hat, ist es bereits die zweite Amtszeit auf Schalke, mit Magath war er bereits von 2009 bis 2011 beim Klub. Außerdem gibt es mit Dr. Wiebke-Maria Schlusemann eine neue Ernährungsberaterin. Von den ausgeliehenen Spielern kehren mit Sebastian Rudy und Nabil Bentaleb zwei Spieler zurück, für die Wagner in der Vorsaison keine Verwendung hatte. Mark Uth hat er sich, wie auch Ralf Fährmann, zwar ausdrücklich zurückgewünscht, der Stürmer kommt aber nur widerwillig, weil er sich in seiner Heimatstadt Köln sehr wohl gefühlt hat, während es bei Schalke vorher schlecht lief. Reschke plädiert für einen neuen Torwart, während Wagner viel dringender einen neuen Rechtsverteidiger holen will. Reschke entscheidet sich, weder zum Training zu kommen noch in der Vorbereitung die Trainingslager mitzumachen. Einen Tag nach Trainingsstart verlängert Benjamin Stambouli seinen Vertrag bis 2023.
15.08.2020
Schalke verliert zur Eröffnung des renovierten Parkstadions ein Testspiel über 120 Minuten gegen den Drittligaaufsteiger SC Verl mit 4:5. Drei Tage später gibt es gegen den KFC Uerdingen eine 1:3‑Niederlage.
25.08.2020
Im Trainingslager in Österreich wird Alessandro Schöpf positiv auf Covid 19 getestet. Der Österreicher hatte sich mit Familienmitgliedern getroffen.
02.09.2020
Der US-Amerikaner Weston McKennie wechselt zunächst auf Leihbasis für eine Gebühr von 4,5 Millionen Euro zu Juventus Turin. Nun hat Schalke etwas finanziellen Spielraum, um noch Transfers zu tätigen. Sechs Monate später wird der italienische Rekordmeister zudem die Kaufoption über 18,5 Millionen Euro ziehen, die sich im laufe der Zeit durch Boni noch erhöhen kann.
04.09.2020
Schalke verpflichtet Vedad Ibisevic, der ankündigt, sein monatliches Grundgehalt von 6.000 Euro spenden zu wollen. Der Stürmer wird aber nur 154 Minuten für Schalke auf dem Platz stehen.
16.09.2020
Schalke leiht den portugiesischen Stürmer Gonçalo Paciência. Er wird acht Spiele machen, ein Tor beim 1:1 gegen Union Berlin schießen und sich dann so schwer am Knie verletzen, dass er bis heute ausfällt.