48 Stunden hatte Klinsmann ausgeteilt, jetzt antworteten die Hertha-Verantwortlichen. Und selbst sein Ex-Verbündeter Windhorst nagelte Klinsmann öffentlich an die Wand.
Dieser wurde in den 45 Minuten, die die Pressekonferenz andauerte, dann auch folgerichtig von allen Rednern an die Wand genagelt. Den Anfang machte Gegenbauer – indem er Jürgen Klinsmann gleich in seinem Eingangsstatement der Lüge bezichtigte. Noch gestern hatte Klinsmann in einer Facebook-Videobotschaft behauptet, zehn Wochen ohne Vertrag gearbeitet zu haben. Gegenbauer hielt dagegen: „Es gab natürlich einen Vertrag. Ab dem 27.11. einen mündlichen und ab dem 02.12 lag ihm auch ein schriftlicher Arbeitsvertrag als Cheftrainer vor.“
Dann legte Michael Preetz nach. „Ich bin schon einige Jahre im Fußball dabei, seit 1986. Doch das, was am Dienstagmorgen passiert ist, war mir komplett neu. Das hat uns als Hertha BSC keine Chance gegeben, darauf zu reagieren. Ich selbst stelle meine Überlegungen immer in den Dienst von Hertha BSC.“ Für Klinsmann, der ab Sommer gerne alle wichtigen sportlichen Entscheidungen im Alleingang getroffen hätte, gilt das offensichtlich nicht. Außerdem habe Klinsmann Preetz nie auf die Probleme angesprochen, über die Klinsmann gestern in seiner Videobotschaft noch gesagt hatte, dass sie ihm „übel aufgestoßen“ wären. „Es hat nie ein Gespräch zwischen uns gegeben, ob ich eventuell nicht mehr auf der Bank sitzen soll“, sagte Preetz. Das Bild, das er insgesamt von Klinsmann zeichnete, ist einigermaßen verstörend: Es zeigt einen machtbesessenen und unberechenbaren Mann.
„Unter Erwachsenen sollte so etwas nicht passieren“
Windhorst gab Klinsmann dann den Rest. Zunächst beantwortete er die Frage, die Fans und Beobachtern am dringlichsten auf den Lippen lag: Nein, Klinsmann wird von ihm nicht wieder in den Aufsichtsrat berufen. Er ist also nicht nur raus aus dem Verein, sondern auch raus aus der Tennor Holding, Windhorsts Unternehmen. Dann, Windhorst redete sich langsam warm, wurde es für seinen Ex-Vertrauten noch etwas bitterer: Klinsmann würde seine „Kurzschlussreaktion“ wahrscheinlich jetzt schon bereuen, er habe an „Glaubwürdigkeit“ eingebüßt und, Achtung, so wie Klinsmann sich verhalten habe, könne man das vielleicht „als Jugendlicher“ machen. „Aber im Geschäftsleben, wo man unter Erwachsenen ernsthafte Vereinbarungen hat, sollte so etwas nicht passieren.“ Autsch.
Dass Windhorst vor allem deswegen sauer auf Klinsmann ist, weil dieser samt seiner Strahlkraft in Zukunft beim Aushandeln von Sponsoren- und Werbedeals fehlen wird, war am Ende fast egal. Denn fest steht: Klinsmann hat Herthas Entscheider in ihrem gemeinsamen Zorn auf ihn vereint. Sein wahrscheinlich größter Verdienst für den Verein.
Die mit Spannung erwartete Pressekonferenz wurde jedenfalls von allen Anwesenden – trotz der etwa 241-fachen Nutzung des Wortes „Commitment“ – überraschend souverän über die Bühne gebracht. Und wird vorübergehend eventuell sogar für etwas Ruhe sorgen. Die Probleme des Klubs lösen sich deswegen trotzdem nicht in Luft auf.
Ist es wirklich richtig, mit dem als Cheftrainer fast unanständig unerfolgreichen Alexander Nouri als Interims-Chef weiter zu machen (wie Preetz ankündigte)? Was, wenn gleich das wichtige Spiel in Paderborn in die Hose geht? Zumal Lars Windhorst in schönster Klinsmann-Manier auch heute lieber über die Champions League als über den Abstiegskampf referierte. Und was, wenn die Fans langsam ungeduldig werden? Immerhin war ihnen vor der Saison in erster Linie besserer Fußball versprochen worden. Die Antworten darauf wird vor allem Preetz liefern müssen. Seit heute ist aber immerhin klar: In Berlin gibt es nach dem Klinsmann-Aus nicht nur Chaos. Sondern auch ein großes Problem weniger.