Oliver Kahn ist nicht nur der heißeste Kandidat auf die Nachfolge als Big-Boss bei den Bayern, sondern auch ein Revolutionär des Torhüter-Spiels. Warum er jetzt eine App an den Start gebracht hat und warum es nicht mehr „Torwart“ heißt.
Kann man sich denn überhaupt konzentrieren, wenn man ständig angesprochen wird?
Ich habe anfangs auch gedacht: Das hätte mal einer zu meiner Zeit machen sollen! Aber wir haben in den Trainerteams inzwischen eine Fülle von Spezialisten und wenn die Spieler daran gewöhnt sind und es sinnvoll ins Training integriert wird, kann das sehr hilfreich sein. Hinterher habe ich jedenfalls gedacht: die Entwicklung geht weiter!
Welche Möglichkeiten von heute hätten Sie während Ihrer Karriere gerne gehabt?
Ich war schon immer sehr technologiebegeistert und heute gibt es viele technische Möglichkeiten, die unterschiedlichsten Wearables zu nutzen, um Daten über sein Spiel zu generieren. Nehmen wir an, dass man ein Problem beim Hechten hat oder sich dabei irgendwie nicht gut fühlt. Ich hätte früher gesagt: Lass es uns noch zehnmal machen, irgendwann wird es schon wieder besser werden. Heute hingegen weiß man innerhalb von ein paar Sekunden, woran das liegt. Vielleicht setzt man seinen Auftaktschritt falsch oder es gibt ein anderes koordinatives Problem.
Was ist noch an Wissen hinzugekommen?
Es gibt erstaunlicherweise wenig sportwissenschaftliche Untersuchungen zum exakten Bewegungslauf bei den Grundtechniken des Torwartspiels. Deshalb haben wir die Bewegungsabläufe mit Highspeed-Kameras aufgenommen und analysiert. Allein um die maximale Weite beim Absprung zu erreichen, muss ein Torspieler verstehen, wie die optimale Bewegung dafür aussieht.
Woran sind Ihre Kunden besonders interessiert?
Das ist ganz unterschiedlich und hängt davon ab, ob wir es mit Vereinen, Verbänden oder anderen Organisationen zu tun haben. Beim saudi-arabischen Fußballverband sind wir von der Nationalmannschaftsebene über den Jugendbereich bis hin zum Scouting in viele Bereiche involviert. Dadurch können wir für eine langfristige kontinuierliche Ausbildung der Torspieler und deren Trainer sorgen.
Ist das Unwissen denn so groß?
Man weiß in vielen Ländern inzwischen, dass es ohne gute Torhüter schwer wird, erfolgreich zu sein. Ein gutes Beispiel dafür stellen die Chinesen dar, die sehr viel Wert auf Daten und Fakten legen. Wir haben festgestellt, dass den chinesischen Torhütern in der Qualifikation zur WM 2018 in Russland einige Fehler unterlaufen sind. Hätten sie nur einen Fehler weniger gemacht, hätte sich China für die WM qualifizieren können. Als wir den Chinesen das klar gemacht haben, haben sie gestaunt, wie wichtig der Torwart ist. Die effizienteste Art eine Mannschaft besser zu machen, ist den Torwart zu verbessern. Aber auch in großen Fußballnationen wie Brasilien hat sich das Standing der Torhüter deutlich verbessert.