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Eigent­lich ist Ilhan Mansiz prä­de­sti­niert für diesen Job, weil er über Erfah­rung in diesem Metier ver­fügt. Doch wäh­rend Ben­jamin Lauth und Torben Hoff­mann etwas lustlos nach dem Trai­ning zum Foto­shoo­ting für Funk­ti­ons­un­ter­wä­sche schlürfen, darf Mansiz seinen Arbeitstag an der Grün­walder Straße schon beenden. Für Wer­be­auf­nahmen als Reprä­sen­tant des TSV 1860 ist es noch zu früh.



»Pro­be­spieler« – so wird Mansiz’ Status von Löwen-Seite offi­ziell nach außen kom­mu­ni­ziert. Der tür­ki­sche WM-Held von 2002, der in Kempten geboren ist und beim SV Lenz­fried seine Kar­riere gestartet hat, gehört zur Gruppe der Cas­ting-Kan­di­daten, die Trainer Ewald Lienen erst noch von ihren Fähig­keiten über­zeugen müssen, um einen Ver­trag zu bekommen.

Zwi­schen Steh­ti­schen und Plas­tik­tisch­de­cken

Es wäre ein Come­back, wie es der Pro­fi­fuß­ball noch nicht erlebt hat. Im Dezember 2005 lief Mansiz letzt­mals bei einem Punkt­spiel auf. »Das war gegen Siv­asspor«, erin­nert sich der 33-Jäh­rige beim Essen im »Can­nova«, kein Nobel-Ita­liener, son­dern eine win­zig­kleines Lokal mit Steh­ti­schen, Plas­tik­tisch­de­cken, aber einer sen­sa­tio­nellen Pas­ta­aus­wahl. Die Son­nen­brille mit den rie­sigen Glä­sern liegt neben dem Teller, die Woll­mütze bleibt aber auf dem Kopf – Ilhan Mansiz’ Auf­treten hat Stil.

Als Stürmer des tür­ki­schen Erst­li­gisten MKE Anka­ra­gücü hatte sich Mansiz 2005 nach zig Knie­ope­ra­tionen und ebenso vielen geschei­terten Come­back-Ver­su­chen – einer davon endete bei Hertha – tat­säch­lich wieder in den Pro­fi­fuß­ball zurück­ge­kämpft. Doch dann, als Mansiz in der Win­ter­pause in Mün­chen weiter an seiner Fit­ness arbeiten wollte, pas­sierte das Unglück. Mansiz war auf dem Weg zum joggen, ging in der Lud­wig­straße über eine grüne Fuß­gänger-Ampel und wurde von einer Frau ange­fahren. Innen­band­schaden und Kap­sel­riss im linken Knie lau­tete die Dia­gnose. Nein, behauptet Mansiz, er sei der Auto­fah­rerin nicht böse. »Die hat das ja nicht mit Absicht gemacht. Das war ganz ein­fach Schicksal.«

Der Mann, der mit seinen Toren bei der WM in Japan und Süd­korea die Türkei ins Halb­fi­nale geschossen und damit ein Land in Ekstase ver­setzt hatte, sagt von sich, er sei Rea­list. Er trauere nicht all den Mög­lich­keiten nach, die er wegen sieben Knie­ope­ra­tionen, einer Leis­ten­ver­let­zung und eines Band­schei­ben­vor­falls ver­passt habe. »Ich lebe nicht in der Ver­gan­gen­heit, son­dern im Hier und Jetzt.«

Die Gegen­wart bietet gerade dem bald 34-Jäh­rigen, »der kurz ein Welt­star war« (Süd­deut­sche Zei­tung), die wahr­schein­lich letzte Chance, auf die Fuß­ball­bühne zurück­zu­kehren. Eine Chance, die sich ergeben hat, weil der Dau­er­pa­tient in der Praxis seines Heil­prak­ti­kers und Phy­sio­the­ra­peuten Ralph Frank Löwen-Sport­chef Miki Stevic über den Weg gelaufen war und der ihn später fragte, ob er nicht mal beim Trai­ning mit­ma­chen wolle. »Miki Stevic hat am Vor­mittag ange­rufen, und am Nach­mittag stand ich auf dem Trai­nings­platz.«

Necat Aygün sitzt mit am Tisch im »Can­nova«. Die beiden kennen sich aus gemein­samen Tagen bei Bes­iktas Istanbul, wo Mansiz unter Trainer Chris­toph Daum 2002 Tor­schützen-König der Süper Lig wurde. »Ilhan war schon immer ein Kämpfer«, sagt Aygün, der zuletzt für Ingol­stadt spielte. »Wenn einer so ein Come­back schafft, dann er.«

Sechs Stunden täg­lich habe er in der fuß­ball­losen Zeit trai­niert, erzählt Mansiz, der einen ent­schlos­senen Ein­druck hin­ter­lässt. Er flog nach Ame­rika zu Fit­ness-Papst Mark Ver­stegen, stand zu Hause in Mün­chen um 7 Uhr auf, um sein Kraft-Aus­dauer-Trai­ning früh am morgen zu beginnen und been­dete die dritte Ein­heit nicht selten um 22 Uhr – Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, ohne gegen den Ball zu treten.

Ein ein­samer Kampf im Ver­bor­genen. Die Öffent­lich­keit nahm nur von seinen Auf­tritten in tür­ki­schen TV-Serien und Wer­be­spots Kenntnis. Was als »Ablen­kung« (Mansiz) wäh­rend der Reha anfing, ist inzwi­schen eine ernst­hafte Option, für die nahe Zukunft, falls es mit dem Fuß­ball doch nichts mehr wird, für das Leben nach dem Sport, sollten die Knie halten. Bis jetzt mache der Körper mit, betont Mansiz, auch wenn sich nach zehn Tagen Mann­schafts­trai­ning eine gewisse Müdig­keit ein­ge­stellt habe.

»Man ver­lernt das Fuß­ball­spielen nicht«


Letz­teres ist Ewald Lienen nicht ent­gangen. »Ilhan befindet sich momentan in einem kleinen kör­per­li­chen Loch«, so der Ein­druck des Löwen-Trai­ners, was aber normal sei. »Die fuß­ball­spe­zi­fi­sche Belas­tung ist doch etwas anderes als ein Wald­lauf.« Lienen hält den­noch das Expe­ri­ment nicht für geschei­tert. Er spricht von einer Win-Win-Situa­tion für beide Seiten. »Ilhan will es noch einmal wissen. Wir werden ihm die Chance geben und nichts übers Knie bre­chen.«

In den ersten beiden Test­par­tien gegen unter­klas­sige Klubs hat der Pro­be­spieler dreimal getroffen. »Nach einer so langen Pause« dauert die eine oder andere Bewe­gung mit dem Ball viel­leicht ein biss­chen länger«, meint Mansiz. »Aber man ver­lernt das Fuß­ball­spielen nicht.«

Und des­halb ist er zuver­sicht­lich, Lienen von seinen Fähig­keiten zu über­zeugen. Falls das nicht klappt, werde er es woan­ders ver­su­chen. »Ich will noch vier Jahre auf hohem Niveau spielen.« Mansiz spricht von der 1. Liga.

In Kempten war der ver­lo­rene Sohn schon lange nicht mehr. Die Eltern sind in die Türkei zurück­ge­kehrt. Fünf Jahre müsse der letzte Besuch in der Geburts­stadt zurück­liegen, so genau weiß Mansiz das aber nicht. Er habe den Kon­takt zu den Freunden von früher abbre­chen lassen, weil man inzwi­schen in kom­plett ver­schie­denen Welten lebe. »Das hat nichts mit Arro­ganz zu tun«, ver­si­chert Ilhan Mansiz, der sich selbst als Profi mit Ama­teur­fuß­baller-Herz bezeichnet. »Man ent­wi­ckelt sich im Leben weiter.« Von den guten alten Zeiten zu reden, davon hält Ilhan Mansiz wenig. »Ich schaue immer nur nach vorne.«