Sie gehörten bis zum März zu den vertrauten Geräuschen aus der Nachbarschaft: die kehligen Schreie der Kreisligafußballer, die auf dem Platz nebenan vergebene Torchancen und ruppige Tacklings kommentierten. Danach jedoch herrschte Stille, weil die Corona-Krise nicht nur die Bundesligen ausgebremst, sondern auch den kompletten Amateurfußball zum Stillstand gebracht hatte. Diese Stille war in den vergangenen Monaten jedoch nahezu kein Thema in der Öffentlichkeit gewesen, die Schlagzeilen galten fast ausschließlich dem großen Fußball, den Finanznöten der Profiklubs und der Frage, wann die Bundesliga ihre Saison fortsetzen kann. Wie es den Kreisligisten von nebenan geht, wie sehr den Jugendkickern das Training und die Spiele fehlen, kam in der öffentlichen Rezeption nur als Marginalie vor. Und so spiegelt sich in der Krise einmal mehr die Geringschätzung der Amateure durch die Funktionäre des bezahlten Fußballs, aber auch durch Medien und die Politik.
Diese Geringschätzung hat eine lange Tradition. Je schillernder und kommerzieller der Profifußball wurde, desto mehr wurde das Geschehen in den Amateurligen vernachlässigt, desto selbstverständlicher wurde angenommen, dass sich schon immer genügend Menschen finden, die den Kreisligafußball als Jugendtrainer, Platzwart und Schiedsrichter am Leben halten. Völlig egal, dass immer mehr Klubs gerade im ländlichen Raum über Nachwuchsprobleme klagten und der Spielbetrieb oft nur durch Spielgemeinschaften einstmals rivalisierender Mannschaften aufrecht zu erhalten war. Solange der Profifußball boomte, war für die Funktionäre die Fußballwelt in Ordnung. So sehr in Ordnung, dass die Amateure auch nicht allzu viel vom Geldsegen abbekommen sollten, der seit vielen Jahren über den oberen Spielklassen ausgeschüttet wird.
„Das Herz des Fußballs schlägt auf den Dorfsportplätzen“
Doch so kann es nicht weitergehen. Das begreift jeder, der sich einmal bei jenen umhört, die in den Vereinen aktiv sind. Keiner, wirklich keiner von ihnen hat im Frühjahr die Bundesliga vermisst, viele jedoch die eigenen Spiele. Auf dem Platz zu stehen, zu trainieren, mit den Mannschaftskameraden herumzualbern, wieder gegen den Ball zu treten, das fehlte den Spielern wirklich und machte sie unglücklich, Jugendspieler ebenso wie Erwachsene. Wer die Aktiven davon erzählen hört, begreift, dass das Herz des Fußballs nicht nur in den großen Arenen, sondern auch und sicher noch heftiger auf den Dorfsportplätzen schlägt.
Wer darüber nachdenkt, was sich im Fußball ändern muss, sollte sich also fragen, wie wir in Zukunft anders wertschätzen können, dass in den Amateurklubs die Begeisterung entsteht, kleine Jungs und Mädchen für den Sport gewonnen werden und ganz nebenbei bei jedem Training und an jedem Wochenende handfeste Sozialarbeit geleistet wird. Eine solche Wertschätzung hat mit Geld zu tun, aber nicht nur. Natürlich freut sich jeder Jugendtrainer über eine höhere Aufwandspauschale, und kein Kreisligaklub wird eine Förderung ablehnen. Dieses Geld muss der Profifußball geben, nicht als gnädiges Almosen, sondern der respektvollen Erkenntnis folgend, dass die Profis elementar auf die Amateure angewiesen sind.
Viel mehr noch als um Geld aber geht es um die Unterstützung, die den Amateurvereinen entgegengebracht werden muss. Diese kann auf vielerlei Arten sichtbar werden. Durch Kooperationen, durch Hilfestellung, durch regelmäßigen Austausch zwischen beiden Lagern. Es braucht rasch neue und frische Ideen, wie sich Kinder wieder für den Fußball begeistern lassen. Vor allem aber braucht es einen neuen Zusammenhalt zwischen Profis und Amateuren, während und vor allem nach der Krise.