Boca Juniors gegen River Plate – zum ersten Mal werden beide Mannschaften im Finale der Copa Libertadores aufeinandertreffen. Wir erzählen die Geschichte des „Superclasicos“.
Der Superclasico ist kein reines Stadtderby, es ist ein argentinisches Derby, denn rund 70% der argentinischen Bevölkerung bezeichnen als Fan eines der beiden Vereine. Auch wenn sich offiziellen Statistiken zufolge „nur“ 40% der Argentinier zu Boca bekennen, behaupten die „Xeneizes“ von sich, die Mehrheit aller Argentinier hinter sich zu haben – „la mitad mas uno“ (die Hälfte +1). Einen riesigen Kult gibt es um das Stadion der Boca Juniors, die Bombonera, die „Pralinenschachtel“, die unter ihrem offiziellen Namen „Estadio Alberto Jacinto Armando“ kaum jemand kennt. Einer der Architekten der Arena meinte über eine ihm geschenkte Pralinenschachtel, dass ihn diese an das Stadion erinnere – seitdem wird nur noch von der Bombonera gesprochen.
Monumentale Stadien
Im europäischen Spitzenfußball könnte es ein solch baufälliges Stadion mit seinen drei riesigen Stehplatztribünen gar nicht geben, da es kaum einem Anspruch der UEFA gerecht würde, doch trotzdem – oder gerade deswegen – ist die Stimmung in der Bombonera sagenumwoben. Der Heimstätte River Plates, dem riesigen El Monumental, hingegen fehlt es an dieser Enge. Eine Laufbahn umrahmt das Spielfeld und sorgt somit für eine große Distanz zwischen Publikum und Spielern. Nichtsdestotrotz ist das Monumental das Nationalstadion Argentiniens und kann immerhin ein WM-Finale in seiner Vita verbuchen – Argentinien errang dort 1978 den Titel gegen die Niederlande.
So gut die Stimmung in argentinischen Stadien auch sein mag, Gewalt ist ein ständiger Begleiter. Die Macht in den Kurven wird von den sogenannten „Barrabravas“ ausgeübt, hierarchisch geführten Banden. Kommt es zum Superclasico, stehen sich neben den Mannschaften auch „La Doce“ und die „Borrachos del Tablon“ gegenüber, Bocas „zwölfter Mann“ und Rivers „Besoffene von der Theke“. Zwar suggerieren diese Namen eine Fanclubromantik, wie man sie aus Deutschland kennt, wo Fanclubs zuweilen nichts anderes sind als Saufbündnisse, in Argentinien sind diese Fangruppen allerdings eher kriminelle Vereinigungen, rege aktiv im Drogen- und Waffenschmuggel. Im Sinne der eigenen Sicherheit paktieren die Vereinspräsidenten mit den Anführern der „Barrabravas“, versorgen diese mit Freikarten und sichern sich so deren Gunst. Die Polizei kann nur zuschauen, „sie hätten einfach keine Chance“, weiß Groundhopper und Argentinien-Kenner Carlo Farsang zu berichten. Über 170 Menschen kamen seit 1931, als der argentinische Fußball professionalisiert wurde, infolge von Ausschreitungen zu Tode – nicht wenige im Rahmen des Superclasico.
Höhepunkt der Gewalt
Die schlimmste Tragödie datiert vom 23. Juni 1968, als River Boca im El Monumental empfing. Der Hergang wurde nie komplett aufgeklärt, ein juristisches Nachspiel blieb aus. Die Schuld wurde hin- und hergeschoben, und noch heute geistern verschiedene Versionen dieses Vorfalls durch die Medien. Fest steht nur, dass in einem Block eine Massenpanik ausbrach, die Fans das Stadion aber nicht verlassen konnten, da der Ausgang des betroffenen Sektors verschlossen war. Diese Tragödie kostete 71 Menschen das Leben, die Gewaltspirale drehte sich trotzdem weiter und erreichte mit der oben genannten Ermordung zweier River-Fans einen perfiden Höhepunkt – Anzeichen für eine Beruhigung der Gemüter gibt es leider keine.