Hitlergruß und Stichwaffenangriff – beim Spiel Babelsberg gegen den BFC kam es zu hässlichen Szenen. Alexander Bosch vom Fanprojekt Babelsberg zieht dennoch eine eher positive Bilanz.
Alexander Bosch, am Samstag spielte der SV Babelsberg 03 in der Regionalliga Nordost gegen den BFC Dynamo, am Mittwoch trifft er im Landespokal auf Energie Cottbus. Eine stressige Woche?
Wir haben ordentlich zu tun. Gerade das Spiel gegen Energie Cottbus birgt viel Konfliktpotenzial. Da schätze ich die Situation sehr unübersichtlich ein, und ich hoffe, dass die Polizei und Sicherheitsbeauftragten eine strikte Fantrennung vornehmen. Bei Energie sind wir jedenfalls deutlich unbeliebter als beim BFC.
Obwohl beide Vereine noch nie gegeneinander gespielt haben?
Babelsberg traf schon ein paar Mal auf die zweite Mannschaft von Energie, das letzte Spiel ist allerdings sechs Jahre her. Doch das ist egal. Mit dem linken Selbstverständnis der Babelsberg-Fans können einige Cottbus-Fans eben wenig anfangen. Ich erinnere nur an eine Partie zwischen dem FC St. Pauli und Energie in der letzten Saison. Bei dem Spiel standen auch einige Babelsberg-Fans im Block der Hamburger. Schon nach wenigen Minuten erklang der erste Gesang aus Reihen jener Gruppe, die sich früher „Inferno Cottbus“ nannte: „Babelsberg 03, Zecken, Zigeuner und Juden!“ So was erwarte ich durchaus auch am Mittwoch.
Wie groß waren denn die Sorgen vor Ausschreitungen vor dem Ligaspiel gegen den BFC Dynamo?
Es gab ein wenig Säbelrasseln im Vorfeld. Vergangene Woche postete etwa eine BFC-Fangruppe ein Video mit dem Titel „Hate Antifa!“ Der Clip zeigte eine Szene aus der letzten Saison, als Hooligans von Lok Leipzig versuchten, den Babelsberg-Block zu stürmen. Dennoch habe ich mir keine großen Sorgen gemacht. Natürlich wussten wir, dass gewisse Antipathien aufgrund der politischen Ausrichtung einiger Fans bestehen, aber einen massiven Angriff habe ich nicht befürchtet.
Ein paar Wochen zuvor krachte es beim Spiel zwischen Union Berlin II und dem BFC. Am Freitag setzte sich der Konfllkt bei einem Seniorenspiel beider Mannschaften fort. War das keine Warnung?
Dass der Verein nach wie vor rechtsextreme Fans hat, ist kein Geheimnis. Dennoch: Zumindest beim Spiel gegen die Zweitvertretung Unions nahm der BFC-Anhang die passive Rolle ein. Ich finde auch, dass der BFC zuletzt gute Fanarbeit geleistet hat. Er hat sich klar gegen rechtsradikale Tendenzen in der Kurve ausgesprochen und versucht, eine bestimmte Klientel auszuschließen. Es gibt auch eine neue junge Ultragruppierung, die einen positiven Effekt auf die Fanszene hat.
Sie haben aber keine Kuschelrockparty beim Spiel gegen den BFC erwartet.
Natürlich nicht. Wir wussten um die Brisanz des Spiels und haben mit den Fanarbeitern des BFC, den Ordnern und der Polizei Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Gerade weil auswärts oft mehr BFC-Anhänger als zu den Heimspielen kommen. Dieses Mal waren es etwa 1300. Zugleich waren geschätzte 200 bis 300 Polizisten im Einsatz.
Die Seite nur03.de berichtet von Polizisten, die „BFC-Dynamo-Fangesänge vorsichherträllerten“. Vor und nach dem Spiel kam es auch zu zwei Vorfällen. Reichten die Vorkehrungen nicht aus?
Zu den Gesängen der Polizisten kann ich nichts sagen, ich habe sie jedenfalls nicht gehört. Aber es stimmt: Es gab Vorfälle. Vor dem Anpfiff postierten sich ein paar sportliche BFC-Typen provokativ vor unserem Fanladen. Es war ein bisschen wie vor ein paar Jahren, als es vor dem Laden zu Schlägereien kam. Dieses Mal löste die Polizei die Gruppe aber recht schnell auf. Während des Spiels habe ich allerdings keine rassistischen Zwischenrufe gehört. Und zu Ausschreitungen, wie etwa vor vier Jahren im DFB-Pokal gegen Kaiserslautern, ist es auch nicht gekommen.
Momentan kursiert ein Foto, auf dem ein Zuschauer im BFC-Block einen Hitlergruß zeigt.
Das stimmt, allerdings war die Intensität rechtsextremer Symbole oder Gesänge früher viel höher. Wenn der BFC gegen Türkiyemspor oder den Berliner AK gespielt hat, hörte man regelmäßig fremdenfeindliche oder antisemitische Gesänge. Das ist mir diese Saison noch nicht aufgefallen. Und im Grunde hätte man diese Partie als Erfolg verbuchen können, wäre da nicht der zweite Vorfall nach dem Spiel gewesen.
Sie meinen die Messer-Attacke auf einen Babelsberg-Fan. Wie ist der aktuelle Erkenntnisstand?
Am S‑Bahnhof Babelsberg griffen BFC-Fans Babelsberg-Anhänger an. Bei den Auseinandersetzungen wurde ein Babelsberger mit einer Stichwaffe verletzt. Vermutlich mit einem Messer, vielleicht auch mit einer Schere oder einer zerbrochenen Flasche. Es ging alles sehr schnell, und die Situation war sehr unübersichtlich. So nahm die Polizei auch keinen der BFC-Fans fest, sondern schickte sie mit der S‑Bahn in die Stadt. Ein Zugang zum Bahnsteig wurde mindestens eine halbe Stunde gespert. Wir arbeiten den Vorfall noch auf.
Babelsberg 03 spielt in der Regionalliga Nordost. Wie häufig sind solche Vorfälle?
Gegen die Großen kommt es immer mal wieder zu Zwischenfällen. Etwa letzte Saison gegen Hertha BSC II, als sich einige Auswärtsfans deutlich rechtsradikal geäußert haben, woraufhin der Klub sich davon in einer öffentlichen Stellungnahme distanzierte. Auch der 1. FC Magdeburg oder Lok Leipzig in der letzten Saison boten natürlich Konfliktpotenzial. Den versuchten Blocksturm der Lok-Fans habe ich ja schon erwähnt. Letzte Saison probierten Magdeburg-Hools den Platz zu stürmen, um zu unseren Fans zu gelangen. Das Karl-Liebknecht-Stadion bietet ideale Voraussetzungen für solch eine Klientel.
Sie meinen, die Babelsberg-Fans bieten ein ideales Feindbild?
Klar, hier können sie endlich mal gegen all die Linken vorgehen, die sich der alten Mär „Fußball ist Fußball, und Politik ist Politik“ widersetzen. Aber auch das Stadion trägt seinen Teil dazu bei: Hier gibt es eine gute Akkustik und ein recht hohes Zuschaueraufkommen. Außerdem hat das KarLi einen der schönsten Auswärtsblöcke Deutschlands. Das zieht viele Althauer an.
Klingt nicht nach entspannten Fußballnachmittagen.
Dieser Eindruck sollte nicht entstehen. Denn wir sprechen hier von zwei oder drei Spielen pro Saison. Wenn Babelsberg auf kleinere Vereine trifft, ist es immer total entspannt. Gegen den Berliner AK, Viktoria Berlin oder VFC Plauen, ZFC Meuselwitz oder die TSG Neustrelitz ist noch nie was passiert.
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Alexander Bosch ist einer von zwei Mitarbeitern des Babelsberger Fanprojekts der Stiftung SPI. Laut Selbstbeschreibung setzt sich das Fanprojekt „sowohl mit dem freudvollem Charakter des Fußballsports auseinander als auch mit dessen Schattenseiten. Ein Schwerpunkt liegt besonders auf den im Fußball verbreiteten Diskriminierungsformen wie Sexismus, Homophobie oder Rassismus.“