Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Die gute Nach­richt gibt es zuerst: Leroy Sanés Leis­tungs­schwan­kungen scheinen sich zu legen. Die schlechte Nach­richt aller­dings: Es liegt daran, dass die posi­tiven Aus­schläge immer weniger werden. Zuletzt bewies er das am Mitt­woch, im letzten Grup­pen­spiel der Euro­pa­meis­ter­schaft gegen Ungarn.

Vor­neweg: Mit seiner schlechten Leis­tung war Sané am Mitt­woch nicht alleine. Keine Frage, die gesamte deut­sche Mann­schaft legte einen – vor­sichtig for­mu­liert – nicht ganz so über­zeu­genden Auf­tritt hin. Auch der im Por­tugal-Spiel so hoch­ge­lobte Robin Gosens ver­schwand gegen Ungarn in der Ver­sen­kung. Womit Leroy Sané aller­dings her­aus­sticht: Er zeigt oft gute Ansätze – um dann die fal­schen Ent­schei­dungen zu treffen. Statt zwi­schen Licht und Schatten wan­delt Sané eher im Schatten.

Mitt­ler­weile mehr Schatten als Licht

Seit Monaten gibt er der Fuß­ball­welt große Rätsel auf. Seien es Ein­sätze in der Natio­nal­mann­schaft wie ges­tern oder die Auf­tritte im Bayern-Trikot: Immer wieder blitzen bei Leroy Sané geniale Momente auf, mit denen er ein Spiel ent­scheiden kann, bezie­hungs­weise könnte. Teil­weise sind es sogar ganze Par­tien, in denen er glänzt, in denen man sich freut, was da für ein groß­ar­tiger Fuß­baller auf dem Platz steht. Vor allem aber fragt man sich, wieso man das nicht öfter sieht.

Gerade bei einem so tief ste­henden Gegner wie den Ungarn hätte man gern auf seine Dribb­lings und Tem­po­vor­stöße, seine Stärke im Eins-gegen-Eins gebaut. Ein so wuse­liger Spieler wie Sané hätte hilf­reich sein können, um zwi­schen die Reihen der Ungarn zu gelangen. Statt­dessen: Immer wieder der Anflug guter Ideen, die dann ver­puffen. Wie in der 23. Minute, als er nach einer tollen Bal­ler­obe­rung zu einem zügigen Antritt ansetzte – um den Ball dann, statt ihn nach vorn zu treiben, zurück­zu­spielen. Sein Können blitzte auch auf, als er an der rechten Außen­linie ein paar Meter vor der Eck­fahne ins Dribb­ling ging und kurz vor der Halb­zeit eine der wenigen annä­hernd guten Chancen für Havertz vor­be­rei­tete. Fra­ge­zei­chen dann aber wieder in Halb­zeit zwei, als er haar­scharf an der Grenze zum eigenen Sech­zehner im Lauf­duell strau­chelte, den Ball mit der Hand fest­hielt und den Ungarn einen Frei­stoß aus guter Situa­tion schenkte.

Ganz beson­ders gru­selig wurde es zum Schluss, als er die Chance hatte, die all­ge­meinen Nerven zu beru­higen und Deutsch­land auf Grup­pen­platz Eins zu hieven, indem Deutsch­land das 3:2 machte: Da legte Sané den Ball nicht etwa quer zu den mit­lau­fenden Kevin Volland oder Timo Werner, nein, er wollte offenbar… was denn eigent­lich? Selbst abschließen? Sich den Ball vor­legen? Die Eck­fahne treffen? Viel­leicht doch quer­legen und es miss­lang? Das war nicht wirk­lich zu erkennen.

Licht und Schatten zeigt Sané auch im Trikot der Bayern, zu denen er im ver­gan­genen Sommer wech­selte. Der Spieler, von dem es so oft heißt, er könnte Spiele ent­scheiden, tut genau das zu selten. Glänzt die Mann­schaft, tut er es auch. Bei­spiel­haft ist hier das 4:2 in der ver­gan­genen Rück­runde gegen Dort­mund zu erwähnen, bei dem Sané ein Tor und viele wei­tere Chancen vor­legte. Dem gegen­über stehen aber diverse Spiele, in denen er unter­ging. Beim 2:1 gegen Köln in der Hin­runde bei­spiels­weise. Oder dem 2:1 gegen Lever­kusen, eben­falls in der Hin­runde. Wenn er nicht sogar negativ auf­fiel durch Fehler in der Defen­sive, blieb er oft bes­ten­falls blass. Seine berühmt-berüch­tigte Stärke im Eins-gegen-Eins packt er zwar oft aus. Oft aber eben auch in unnö­tigen Situa­tionen. Damit ver­baut er eher Chancen, als dass er sie kre­iert. Dabei hatte man einst 100 Mil­lionen Euro für seinen Wechsel von Man­chester City nach Mün­chen zahlen wollen, so viel­ver­spre­chend schien dieser Spieler. Dort – also in Man­chester – war Sané auch nicht der kon­stan­teste aller Spieler gewesen. Mit gerade einmal Anfang Zwanzig galt er ja aber auch noch als Talent, dem man Zeit geben musste, diese Kon­stanz zu finden.

Das hat er ziem­lich offen­sicht­lich noch nicht geschafft. Oft heißt es in Fällen wie diesem, man müsste dem Spieler mehr Ver­trauen ent­gegen bringen. Das mag stimmen, gerade bei Sané, von dem Ilkay Gün­dogan sagt, er müsste das Gefühl haben, immer zu spielen, dann wäre er unglaub­lich“. Aller­dings bekam Sané gerade in der Bun­des­liga immer und immer wieder auch nach ent­täu­schenden Auf­tritten dieses Ver­trauen – er kam nur zweimal wegen einer Kap­sel­ver­let­zung nicht zum Ein­satz – und sorgte den­noch eher für Fra­ge­zei­chen als Aus­ru­fe­zei­chen. So wie im letzten Grup­pen­spiel der Euro­pa­meis­ter­schaft.

Pro­blem: Zu lässig, zu locker

Dieser letzte Angriff im Spiel gegen Ungarn, diese miss­lun­gene Mischung aus Schuss und Vor­lage, sah dann auch ein wenig aus wie Leroy Sané selbst oft wirkt und wofür er oft genug kri­ti­siert wird: viel­ver­spre­chender Antritt, letzten Endes aller­dings zu lässig, zu unge­fähr­lich, zu ungenau. Was cool aus­sieht, wenn am Ende ein Tor fällt, sieht umam­bi­tio­niert bis des­in­ter­es­siert aus, wenn das nicht der Fall ist. Und zu oft ist eben das der Fall. Um eine viel­ver­wen­dete Phrase zu bedienen: Oft scheint es, als fehle Sané der Biss. So sehen das offenbar auch einige seiner Kol­legen, zuletzt kri­ti­sierten ihn sowohl Joshua Kim­mich als auch Emre Can für seine Kör­per­sprache. Leroy hat ab und an eine andere Kör­per­sprache“, sagte Letz­terer. Kim­mich for­mu­lierte es beim Test­spiel gegen Däne­mark deut­li­cher: Hör auf zu jam­mern, Alter!“, rief er Sané zu. Und wie Sanés Wanken zwi­schen Licht und Schatten ein ein­ziges Fra­ge­zei­chen hin­ter­lässt.

So ein Wanken ist man gewohnt, gerade von jungen Spie­lern. Über eine so lange Zeit und so extrem wie bei Sané ist es aber doch unge­wöhn­lich. Und irgendwie dann auch nicht. Man kennt es schließ­lich nicht anders. Langsam kommt aber die Zeit, in der die Aus­rede der Jugend nicht mehr gilt. Sané ist immerhin schon Mitte Zwanzig, als Wun­der­kind geht er da nicht mehr durch. Er sollte mög­lichst bald in der Lage sein, Kon­stanz zu zeigen. Und zwar am besten auf dem Niveau seiner lichten Momente.