Der DFB inszeniert seine #Mannschaft bis ins kleinste Detail, selbst auf Pressekonferenzen. Das tut er perfekt, wie ein Konzern von Weltformat. Das Problem: der DFB ist kein Konzern, sondern ein Verband. Dessen Umgang mit den Medien sich dringend ändern sollte.
„11.35 Uhr hier in Eppan.“ So begann DFB-Pressesprecher Jens Grittner am gestrigen Montag die Pressekonferenz mit Bundestrainer Jogi Löw. Gegenstand der PK: Die Streichung von vier Nationalspielern aus dem vorläufigen Kader zur Weltmeisterschaft in Russland. Mithin also ein Ereignis, welches im heimischen Deutschland einen Nachrichtenwert hat, ungefähr vergleichbar mit der Meldung, Dieter Bohlen und Thomas Anders hätten sich vermählt. In Russland. Oder einem deutschen Sieg beim Eurovision Song Contest. Irgendwas unwahrscheinliches eben.
„11.35 Uhr hier in Eppan“, sagte also DFB-Pressesprecher Jens Grittner und Jogi Löw tat was? Schaute umgehend auf seine Uhr. Als müsse er prüfen, dass auch stimmt, was sein Pressesprecher da von sich gibt. Stimmte wohl, denn Löws Gesichtszüge blieben ganz entspannt, auch nach dem Uhren-Check. Er lächelte sein wunderbares Dolce-Vita-Lächeln in die Runde, dieses Lächeln, bei dem man immer sofort einen doppelten Espresso bestellen möchte, um auch ein bisschen Jogi zu sein. Das graumelierte Haar des Bundestrainers hing einen Hauch Schwarzwaldklinik in den Raum. Löw, der Professor Brinkmann der Generation #BestNeverRest. Und es gab ja auch wirklich Wichtigeres zu besprechen als die Uhrzeit.
Jede Menge Fragen und keine Chance, sie zu stellen
Auch wenn DFB-Pressesprecher Jens Grittner gleich hinterherschob: „Das ist jetzt nicht das klassische Pressekonferenz-Format, mit Rückfragen.“ Was komisch anmutete, schließlich betitelte der DFB seinen Livestream (hier gibt’s das Video »>) von der Veranstaltung genau so: „LIVE aus Südtirol: Pressekonferenz mit Bundestrainer Joachim Löw.“
Doch tatsächlich: Nachdem Löw sich über fünf Minuten gewunden hatte, die Bekanntgabe bekannt zu geben, nachdem er nicht nur den Spielern selbst sondern auch noch ihren Familien dankte, ließ er die Katze aus dem Sack. Verkündete, dass neben Bernd Leno, Jonathan Tah und Nils Petersen auch Leroy Sané nicht mit zur WM reisen werde. Eine kleine Sensation, die allen, die der Pressekonferenz, die keine sein sollte, beiwohnten, sofort jede Menge Fragen in die Hirnwindungen katapultierte. Sané? Der Sané, der Tag für Tag unter Pep Guardiola trainiert, dem doch vielleicht besten Trainer der Welt? Der auf überragende Art und Weise mithalf, auf überragende Art und Weise englischer Meister mit Manchester City zu werden? Der Sané, der zum besten jungen Spieler der Premier-League-Saison gewählt wurde? Sané?
Doch für Fragen war kein Platz bei dieser Pressekonferenz mit dem Bundestrainer, die keine Pressekonferenz sein sollte und doch Pressekonferenz hieß. Stattdessen fabulierte Löw ein paar Minuten über Manuel Neuer, verlor keine Silbe zu Sané, ehe er zum Ausklang sagte: „Abschließend noch, wenn Du erlaubst, Jens (Pressesprecher Grittner, Anm. d. Red.), gestern war noch die Kanzlerin da, vielleicht ist das für sie auch interessant.“ Schwer zu sagen, ob es für die anwesenden Pressevertreter von Interesse war. Gab ja schließlich keine Möglichkeit des Dialogs. Schwer davon auszugehen, dass das Interesse der Pressevertreter dann aber doch eher in Richtung Sané gerichtet gewesen wäre. Pressesprecher Grittner zeigte sich dennoch zufrieden: „Vielen Dank an den Bundestrainer, in der Tat ist alles gesagt für den Moment.“
Nun könnte man argumentieren, dass der Bundestrainer sich mit der Entscheidung wirklich so schwer getan hat, wie es angesichts der lavierenden Verkündung den Eindruck machte. So schwer, dass ihn Nachfragen womöglich angefasst hätten. Und es wäre nur menschlich und nachvollziehbar. Man könnte in der Folge anmerken, dass das nunmal zum Job dazugehört. Oder aber, dass man die Entscheidung nicht im Rahmen einer Pressekonferenz, die keine war, hätte verkünden müssen. Und wenn man sich aber doch für diesen Rahmen entscheidet, könnte man anmerken, dass Transparenz kein Hochgeschwindigkeitszug ist, sondern ein ehrenwertes Ideal, welches dem größten Sportverband der Welt gut zu Gesicht stünde, selbst bei der für den Weltenlauf unbedeutenden, endgültigen Nominierung eines WM-Kaders. In Zeiten von Fake-News, Lügenpresse und Co. wäre es doch ein schönes Zeichen, über alles offen und jederzeit sprechen zu können. Auch wenn es nur Fußball ist.
Man könnte sich die Aufregung aber auch sparen. Ist schließlich schon genug Aufregung in der Welt. Und eine Pressekonferenz ohne Nachfragen macht noch keinen Aufreger. Wenn das Ganze nicht System hätte.
Unabhängige Berichterstatter bleiben außen vor
Denn schon am selben Tag richtete sich der DFB erneut via Livestream an die Welt. Diesmal ging es um die Erteilung der Lizenz für den (vermeintlichen) Drittliga-Aufsteiger KFC Uerdingen (Worum es ging, lest ihr hier »>). Diesmal allerdings waren Pressevertreter nicht einmal zur Staffage zugelassen. Stattdessen standen in einer Kulisse, die dem Bingo-Abend des Seniorenstifts Castrop-West nur schwache Konkurrenz wäre: ein Pressemensch des DFB, Dr. Reiner Koch vom Zulassungsbeschwerdeausschuss (unbedingt mal gurgeln, dieses Wort!) und Uerdingens Anwalt Christoph Schickhardt. Und der Pressemensch des DFB startete furios, startete mit einem Witz: „Wir wollen mit diesem Livestream die transparente Entscheidungsfindung abschließen.“
Immer häufiger geht auch der DFB, ein eingetragener Verein zum Wohle des Gemeinwesens, den Weg aller Profi-Klubs, gemeinhin zumeist ausgegliederte Kapitalgesellschaften: den der selbstbestimmten Abschottung. Immer häufiger bleiben die unabhängigen Berichterstatter außen vor, wenn es um die Berichterstattung zum DFB geht. Das macht die Kontrolle der Nachrichten einfacher, das minimiert die Fehlerquellen und erhöht die Attraktivität des DFB für Sponsoren.
Die „vierte Gewalt“
Vor allem aber ist das: eine bedenkliche Entwicklung. Nicht umsonst werden die Medien in Deutschland informell und nach Legislative, Judikative, Exekutive als „vierte Gewalt“ bezeichnet. Es wäre wichtig, wenn der DFB, der größte Sportverband der Welt, dessen Nachrichten einen Nachrichtenwert von allgemeinem Interesse haben, sich diesem Prinzip unterwerfen würde. Wenn er den Kampagnen von Toleranz und Offenheit auch in der externen Kommunikation Taten folgen lassen würde.
Wir sammeln bis dahin unsere Fragen. Bis es dann bald hoffentlich heißt: „11.35 Uhr hier in Watutinki. Ihre Fragen an Mesut Özil und Ilkay Gündogan bitte.“